Part 2

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"Da bist du ja endlich!" rief mir meine beste Freundin ungeduldig entgegen, als ich aus dem Haus  ihrem froschgrünem Ford entgegen rannte.

"Wir sind schon beinahe zu spät dran!" tadelte sie und ich ließ mich lachend neben sie auf den Beifahrersitz fallen.

"Beinahe zu spät dran um überpünktlich zu sein."  entgegnete ich und sie startete zufrieden lächelnd den  Motor, nachdem sie sich die übergroße schwarze Brille zurecht gerückt hatte.

"Ganz genau." gurrte sie und drückte auf das Gaspedal sodass wir endlich vom Hof rollten.

"Du wirst auch nie pünktlich sein, oder?" fragte sie und ich starre Gedankenverloren aus dem Fenster.

"Niemals pünktlich bei dir im Auto, aber dank dir immer pünktlich in der Schule." Erwiderte  ich und konnte in der Spiegelung des Fensters sehen wie Julie mit den Augen rollte.

"Sei froh, dass ich dich so liebe." gab sie schließlich klein bei und ich schmunzelte leicht. Jetzt, wo ich wieder ein wenig zu Ruhe kam schlich sich wieder die Morgenmüdigkeit in meinen Kopf und meine Augenlider wurden schwer. Es waren gute zwanzig Minuten Fahrt bis zum College auf das Julie und ich seit diesem Jahr gemeinsam gingen. Wir hätten natürlich dort hinziehen können, aber da zwanzig Minuten Fahrt  nicht die Welt waren, blieben wir lieber Zuhause bei unseren Eltern. Wir wurden sowieso nie auf die Campus-Partys eingeladen, also verpassten wir auch nichts.

"Du mich auch." murmelte ich und spürte, wie die Schwerkraft meine Augenlider unterstützte und sie endgültig zufielen. Julie fuhr über die Straßen wie Butter und so holte ich oft noch etwas Schlaf nach an dem es mir irgendwie immer mangelte, egal wie lang ich schlief. Vielleicht stammte ich anstatt von einem Affen auch einfach von einem Faultier ab.

Aber es sollte einfach nicht sein. Julie trat mit voller Wucht auf die Bremse und presste ihre Hand auf die Hupe, die in voller Lautstärke ertönte und mich spätestens jetzt vollkommen aus meiner Traumwelt riss.

"Arschloch!" Schrie sie aus dem geöffneten Fenster während ich mich verwirrt aufrappelte und sah, wie sich ein schwarzer Audi in wahnsinniger Geschwindigkeit  von uns entfernte.

"Dieser Matteo macht mich noch Wahnsinnig!" fauchte Julie und startete den Motor erneut, der ihr im Eifer des Gefechts abgeschmiert war.

Stirnrunzelnd sah ich dem schwarzen Auto hinterher. Nach einigen Wutausbrüchen bei dem der Teufel selbst noch was hätte lernen können, beruhigte Julie sich schließlich wieder und warf mir einen beiläufigen Blick zu.

"Bist du Okay?" fragte sie und ich riss meinen Blick von der Straße los um sie anzusehen. Ich konnte sehen wie ihre Hände sich fest ans Lenkrad klammerten.

"Ja natürlich. Von so einer kleinen Notbremse lass ich mich doch nicht unter kriegen." lächelte ich beruhigend doch sie zog eine Augenbraue in die Höhe und sah mich skeptisch an.

"Du weißt genau was ich meine." bohrte sie weiter und ich winkte mit einer schlaffen Handbewegung ab.

"Matteo kratzt mich schon lange nicht mehr. Die Zeit wo mich sein Name durcheinander bringt ist vorbei! Er lebt sein Leben und ich meins. Ist gar kein Thema mehr für mich. Und wenn er so weiter fährt, dann lebt er sowieso viel kürzer als ich." gab ich betont beiläufig zu doch Julie sah mich noch immer skeptisch an. Netterweise verkniff sich einen weiteren Kommentar.

Das ich die letzte Nacht noch von uns geträumt hatte, von diesem Moment in dem er mir versprach, dass wir immer beste Freunde sein werden, verschwieg ich. Auch wie weh es getan hatte, als ich aufwachte und gemerkt habe, dass inzwischen so viele Jahre und damit auch unsere Freundschaft vergangen waren.

Es gab nur zwei Optionen. Entweder war war schon mit sechs Jahren ein verschissener Lügner gewesen oder das Leben einfach nur ein Arschloch. Oder er wurde erst zum Lügner. Oder beides. Tatsache war jedoch, dass schon seit vielen Jahren nichts mehr so war wie damals.

Bis zur Middleschool waren wir noch beste Freunde gewesen. Nichts hätte uns trennen können. Jedenfalls dachte ich das damals noch. Dann trat Matteo für die Footballmannschaft an und wurde sofort ins Team aufgenommen. Dort dauerte es nicht mehr lange bis er sich zum absoluten Star des Teams entpuppte und die ganze Schule lag ihm zu Füßen. Wir versuchten noch eine Zeit lang, uns nicht davon trennen zu lassen doch nur wenige Monate später sahen wir uns nur noch auf unseren Schulwegen.
Sein Fenster, das direkt gegenüber meinem lag, war immer öfter verdeckt gewesen bis es sich schließlich gar nicht mehr für mich öffnete. Als er dann begann mit seinen neuen Freunden zur Schule zu laufen grüßte er mich nicht mal mehr auf den Fluren. Und das wars dann komplett.

Heute sahen wir uns nicht mal mehr an. Na ja, dass stimmte nicht so ganz. Er sah mich nicht mehr an. Ich allerdings sah ihn oft an. Sehr oft sogar. Aber er sah nie zurück. Und ich werde den Teufel tun und das gegenüber jemand anderen zuzugeben.

"Erde an Livie?" fragte Nina und riss mich so aus meinen erbärmlichen Gedanken.

"Hä? Was isn?" fragte ich verdattert während Julie leise kicherte.

"Wir sind da, du Schaf!" Ich sah erstaunt, dass wir bereits auf dem Parkplatz des Colleges standen. Matteos Audi parkte nicht weit von uns entfernt doch ich vermied es entschieden einen Blick dorthin zu werfen. Soll er in seinem Keim doch ersticken dieser verschissene Angeber!

"Lass uns rein gehen!" grinste ich meine Freundin an und warf mir meinen Rucksack demonstrativ über die Schulter. Julie nickte und lief schweigend neben mir her bis wir an unserem gewohnten Platz ankamen. Unter der großen Eiche am Rande der Campuswiese verbrachten wir einen Großteil unserer Freizeit. Vorbeigehende Menschen zu beobachten war eines unserer Hobbys.

Wir waren jetzt nicht unbedingt das, was man heutzutage beliebt nennen würde. Wir hatten nicht viele andere Freunde außer uns beiden. Außer Simon, Julies älteren Bruder gar keinen um genau zu sein. Simon war ein Jahr älter als meine beste Freundin und im Gegensatz zu uns ziemlich beliebt. Wir sahen ihn nicht oft ,da er andere Kurse hatte aber wenn, dann nahm er sich immer Zeit für ein Gespräch mit uns.

Und obwohl er keinen Hehl daraus machte, dass Julie seine Schwester war, war sie in den Augen anderer nie eine eigene Person gewesen. Sie war nicht beliebt trotz des Status ihres Bruders und wenn man über sie sprach, dann nur als seine kleine Schwester.

Über mich allerdings sprach niemand. Ich war ein Geist an dieser Schule und keiner Interessierte sich wirklich für mich. Die meiste Zeit war es mir ganz recht so. So bekam ich wenigstens keine dummen Sprüche wie die meisten. Und dennoch fragte ich mich manchmal, was passiert wäre, wenn ich an Matteos Stelle stehen würde. Ob ich ihn auch einfach ausgetauscht hätte ?

I thought you said foreverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt