Ich wusste nicht wie viel Zeit inzwischen vergangen war, aber als ich meine Knöchel ansah, waren sie aufgeplatzt und blutig. Auch meine Wut war verpufft und mein Körper fühlte sich müde und geschunden an.
Ich entschied mich, dass es genug war und griff nach meiner Jacke um die Treppe hinauf zu steigen. Als ich die Tür hinter mir schloss, fiel mein Blick direkt auf Matteo der entspannt vor dem Fernseher lümmelte.
"Du warst fast eine ganze Stunde da unten. Da hat dich jemand aber wirklich wütend gemacht." sagte er anstatt einer Begrüßung doch ich war zu erschöpft um mich mit ihm zu streiten.
"Das kann man wohl sagen." seufzte ich schließlich nach einem kurzen zögern und ging zu ihm herüber.
"Setzt dich ruhig. Ich tue dir schon nichts." sagte Matteo als ich ein paar Sekunden lang vor der Couch stehen blieb.
"An jedem anderen Tag wäre ich mir da nicht so sicher. Aber jetzt grade ist es mir echt Scheiß egal." knurrte ich und ließ mich neben ihn aufs Sofa fallen.
Als Matteo auf meine Knöchel hinüber sah, pfiff er anerkennend durch die Zähne.
"Da hast du aber ganz schön drauf gehauen. Das sieht übel aus." gab er zu doch ich zuckte nur mit den Schultern.
"Ich werde schon nicht dran sterben." murrte ich und strich mir eine Haarsträhne hinter die Ohren. Um ehrlich zu sein, ich spürte den Schmerz kaum. Alles an mir schien vor Müdigkeit und Trauer taub zu sein und so interessierte es mich auch nicht wie meine Hände aussahen.
Matteo jedoch warf erneut einen Blick auf meine Hände und erhob sich schließlich um etwas aus dem Badezimmer zu holen. Ein wenig neugierig sah ich ihm nach und sah, dass er wenig später mit demselben Täschchen aus dem Zimmer kam, dass ich schon benutzt hatte um seine Wunde zu versorgen.
"Hier. Ich hab ehrlich gesagt absolut keine Ahnung wie sowas geht. Schaffst du das alleine?" fragte er als er mir die Tasche reichte und ich nickte völlig perplex.
"Woher weißt du denn wo das steht?" fragte ich und nun zuckte er mit den Schultern.
"Ich hab mir einfach gemerkt woher du es geholt hast." antwortete er und warf mir die Tasche in den Schoß nachdem ich sie ihm nicht aus der Hand nahm. Noch bevor ich etwas erwidern konnte, verschwand er bereits im nächsten Zimmer, in dem er auch einen ziemlichen Radau veranstaltete.
Verwirrt beugte ich mich über den Wohnzimmertisch und öffnete die Tasche. Während ich meine Hände desinfizierte und verband, fragte ich mich warum zu Geier er so nett zu mir war. Ich konnte mich gar nicht mehr daran erinnern wann wir das letzte Mal so miteinander geredet hatten und wäre ich nicht von all den anderen Gefühlen so überwältigt, dann würde ich mit Sicherheit ausrasten. Allerdings konnte ich nicht leugnen, dass ich mich hier etwas ruhiger fühlte. Ob es jedoch an dem vertrautem Haus oder an ihm lag, konnte ich nicht sagen.
Als ich meine Knöchel schließlich verbunden hatte, ließ auch das stumpfte Gefühl in mir etwas nach und der brennende Schmerz von frischen Wunden strömte durch meine Nerven.
"Hier. Für dich." sagte Matteo schließlich und reichte mir eine Schüssel Vanilleeis während er sich wieder neben mich vor den Fernseher hockte.
"Wer bist du und was hast du mit Matteo gemacht?" fragte ich fassungslos über diese Aufmerksamkeit und er grinste mich nur an.
"Du musst wissen, dass ich Matteo lang verschollener Zwillingsbruder Felix bin und ihn in dem Keller da unten beseitigt habe um seinen Platz einzunehmen." sagte Matteo verschwörerisch und zwinkerte mir frech zu bevor er sich seiner Schüssel widmete.
"Das würde zumindest einiges erklären." antwortete ich, konnte aber ein leises Kichern nicht vermeiden. Dankbar sah ich auf die Schüssel Eis hinunter und versenkte meinen Löffel in der Cremigen Substanz.
Nachdem ich beinahe die halbe Schüssel gegessen hatte, spähte ich in seine Schüssel hinüber.
"Bekomme ich kein Schokoladeneis?" neckte ich ihn und sein Kopf fuhr erneut zu mir herum. Seine Augen blitzten belustigt auf als er meinem Blick begegnete.
"Verarschen kann ich mich alleine. Du magst gar keine Schokolade." antwortete er lächelnd bevor er sich wieder dem Fernseher widmete. Doch ich sah nicht wieder zum Fernseher hinüber. Mein Blick blieb an ihm hängen.
Seine Worten hatten eine Wärme in mir ausgelöst, wie ich sie kaum jemals gespürt hatte. Er wusste es noch.
Erst nach einiger Zeit wandte ich mich wieder von ihm ab und sah wie er auf die flackernden Bilder vor mir."Der Film ist doch Schrott." sagte Matteo schließlich und wollte nach der Fernbedienung greifen doch ich schlug ihm gegen den Arm.
"Hey!" beschwerte er sich vorwurfsvoll und rieb sich über die Stelle die ich getroffen hatte.
"Wie kannst du Harry Potter als Schrott bezeichnen?" fragte ich ihn und er zuckte grinsend mit den Achseln.
"Keine Ahnung. Das macht doch alles keinen Sinn. Wer ist bitte das Vieh in diesem Kessel?" fragte er und ich schnappte empört nach Luft.
"Kein Wunder. Du verstehst auch mal wieder gar nichts! Du musst auch bei Teil Eins anfangen um das alles zu verstehen." tadelte ich ihn und bemerkte gar nicht, wie sich ein Lächeln auf meine Lippen legte.
"Du meinst, dann würde er mir gefallen?" fragte er und ich nickte heftig mit dem Kopf.
"Natürlich."
"Na gut. Dann schauen wir jetzt eben Teil 1." sagte er plötzlich und schaltete mit einer schnellen Bewegung Netflix an.
"Im Ernst?" fragte ich erneut mehr als überrascht und er sah mich verständnislos an.
"Natürlich. Wenn er mir nicht gefällt, dann kann ich dir die ganze Zeit vorhalten was für einen schlechten Geschmack du hast." neckte er mich und ich stemmte die einbandagierten Hände in meine Hüften.
"Ich wusste doch, dass es einen Haken gibt!" protestierte ich doch noch bevor ich etwas hinzufügen konnte, flimmerte auch schon die Anfangsszene über den Bildschirm und ich verstummte.
"Hätte ich gewusst, dass man dich so zum schweigen bekommt, dann hätte ich dieses Mittel garantiert schon früher eingesetzt." grinste Matteo und ich zog eine Grimasse und hob die Hand um ihn den Mittelfinger zu zeigen doch er ließ sich nicht richtig heben, da der Verband dies verhinderte.
Matteo kicherte leise als er dies sah, ließ sich jedoch wieder neben mich fallen ohne noch etwas weiteres zu sagen. Stumm sahen wir den Film gemeinsam und ich bemerkte gar nicht wie es draußen schon dunkel wurde. Keiner von uns sagte ein weiteres Wort oder bewegte sich näher zu dem anderen hin und doch fühlte ich mich ihm so nahe wie seit vielen, vielen Jahren nicht mehr.
"Danke." presste ich schließlich hervor. Die Schmetterlinge in meinem Bauch flatterten wieder und ließen meine Stimme ein wenig zittern.
"Wofür?" fragte Matteo ohne seinen Blick vom Bildschirm zu nehmen.
"Fürs Ablenken." erklärte ich doch Matteo antwortete nicht mehr. Das Lächeln das seine Lippen umspielte, konnte ich aber dennoch sehen.
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I thought you said forever
Teen FictionManchmal ist ein Versprechen alles was uns bindet. Manchmal ist ein Versprechen alles was man hören möchte und manchmal bricht einer dieses Versprechen und mit ihm dein Herz. Livie und Matteo waren seit sie denken konnten die besten Freunde. Allerdi...