Mit dir ist es was Besonderes- Kapitel 11

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Es nervte mich so sehr, dass mir Tränen in die Augen stiegen. Ich musste mir aber eingestehen, dass mich irgendetwas an diesem Anblick total mitnahm. Da ich mir diesen nicht länger ansehen wollte, stieg ich wieder auf den Sattel und fuhr so schnell ich konnte an den beiden vorbei. Es kostete mich einiges an Willenskraft sie nicht anzusehen aber ich blieb standhaft. Während ich mein Fahrrad in Windeseile anschloss, sah ich im Augenwinkel, wie Lenis Blick meinen suchte, aber ich sah schnell weg und verschwand im Schulgebäude. In der ersten Stunde, hatten wir zum Glück nicht zusammen Unterricht. Trotzdem fiel es mir sehr schwer, mich zu konzentrieren. Das Bild, wie sie so vertraut mit Viktor geredet hatte und er sie zum Lachen gebracht hatte, wollte einfach nicht aus meinem Kopf gehen. Erst das Pausenklingeln riss mich aus meinen Gedanken. Ich sammelte meine Sachen zusammen und ging in den Flur. Wie sollte es anders sein, natürlich konnte ich Leni schon wieder erblicken. Diesmal allerdings nicht mit Viktor, sondern mit Finja, ihrer Schwester. Da ich ungern näher herangehen wollte, um nicht bemerkt zu werden, beobachtete ich die beiden aus etwas Entfernung. Es wirkte so, als würde Leni aufmunternd auf ihre kleine Schwester einreden und versuchen, ihr die Sorgen zu nehmen. Das schien auch zu funktionieren. Aus eigener Erfahrung wusste ich, dass Leni ein Händchen dafür hatte, die Stimmung ihres Gegenübers aufzuhellen und zumindest ein wenig Last von deren Schultern zu nehmen. Wie gern würde ich jetzt in den Genuss ihrer positiven Ausstrahlung kommen. Aber nein, ich kam auch sehr gut ohne sie klar.
Ich wollte gerade in den Klassenraum gehen, in dem mein nächster Kurs stattfand, als ich sah wie Lenis Gesichtszüge entgleisten, nachdem Finja etwas gesagt hatte. Mit belegter Stimme und in einer Lautstärke, in der auch ich es verstehen konnte, erwiderte sie: „Auf keinen Fall darfst du den beiden etwas davon sagen. Kein Wort! Versprich es mir!". Ich fragte mich, worum es in ihrem Gespräch wohl ging, ermahnte mich aber gleich darauf selbst. Schließlich ging es mich nichts an. Nun ging ich wirklich in das Klassenzimmer und setzte mich an einen freien Tisch. Ich hatte sowas von keine Lust auf Latein und dann auch noch mit Herrn Zech. Dafür war heute echt kein guter Tag. Herr Zech stand schon in der Tür, als Leni völlig aufgewühlt den Raum betrat. Sie kam auf mich zu, weil ich aber genau wusste, bei dieser Nähe nicht standhaft bleiben zu können, stellte ich schnell meinen Rucksack auf den Stuhl neben mir. Der enttäuschte Ausdruck im Gesicht meiner Zimmergenossin, versetzte mir einen Stich und ich bekam ein schlechtes Gewissen. Aber sie war es gewesen, die es vorgezogen hatte, mit Viktor statt mit mir zur Schule zu gehen. Sie hatte mich allein zurückgelassen und das würde ich ihr sicherlich nicht durchgehen lassen. Sie ließ sich einen Tisch weiter nieder und sah kurz zu mir rüber. Als ich nicht reagierte, wendete sie ihren Blick ab und holte ihr Tablet raus. Der Unterricht begann.

Es ging reihum und jeder Schüler musste eine lateinische Redewendung übersetzen. Ich hasste solche Aufgaben, nicht nur weil alle meine Fehler hören würden, sondern auch weil ich es hasste andere an meinem Denkprozess teilhaben zu lassen. Dazu war man allerdings gezwungen, da wir meistens nicht in der Lage waren, einen Satz sofort zu übersetzten. Nun war ich an der Reihe, doch bevor ich eine Redewendung bekam erklärte Herr Zech „So der nächste und letzte Satz für heute wird etwas kürzer sein. Dafür würde ich aber gern eure Meinung zu dieser These hören und ein bisschen diskutieren. Er sah mich an und sagte: „Dein Satz lautet: 'Corruptio optimi pessima.'" Das war einfach, „Die Erwartung des Besten, führt zum schlimmsten" gab ich zurück. „Und was sagst du dazu?" hakte er nach. „Also ich stimme der Aussage zu. Ich denke, dass man immer besser wegkommt, wenn man so wenig wie möglich erwartet. Dann kann man ja immer noch positiv überrascht werden, ist aber schon auf das Worst-Case-Szenario vorbereitet." antwortete ich. Zech überlegte kurz und fragte dann: „Interessante Ansicht. Hat noch jemand eine andere Meinung dazu?" Leni hob ihren Arm und wurde aufgerufen. „Ich sehe das anders. Immer das Schlimmste zu erwarten macht auf Dauer unglücklich, weil man keine positiven Aussichten hat und sich somit auf nichts freut. Demnach kann man sich nur schwer für etwas motivieren. Das endet dann in einem Kreislauf, da weniger Motivation eben auch oft zu weniger Erfolg führt, was wiederum Unzufriedenheit auslöst. Außerdem gibt es bestimmte Situationen, auf die man sich eben nicht vorbereiten kann, egal wie sehr man es versucht." führte sie aus. Alle Blicke waren auf sie gerichtet. Im Klassenzimmer herrschte plötzlich Totenstille, die erst nach mehreren Augenblicken durch die Schulklingel unterbrochen wurde. Ich war wie gelähmt. Ich fühlte mich auf eine seltsame Weise durchschaut. So, als hätte sie direkt mich angesprochen und nicht zum ganzen Kurs gesprochen. Als ich endlich aufstehen konnte, hatte Leni den Raum schon verlassen. Wie konnte man bloß so besonders sein.

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