Mir verschlug es die Sprache. Obwohl ein riesiges Pflaster auf ihrer Stirn klebte und man ihr auch ansonsten die körperlichen Strapazen der letzten zwei Tage etwas ansah, war sie wunderschön. „Hey" begrüßte sie mich. In meinem sonst so überfüllten Kopf, herrschte gähnende Leere. Anscheinend hatte ich auch vergessen, wie man Wörter produzierte. Leni sah mich kurz verwirrt an und sagte dann: „Okay ich hab schon verstanden." Sie wendete sich von mir ab und ich hasste mich dafür, dass ich nichts dagegen tat. Ich setzte mich auf mein Bett. Ich spürte die Spannung, die in diesem Raum herrschte, an meinem ganzen Körper. Wie eine Welle waren all diese Gefühle über mir zusammengebrochen und hatten mich mitgerissen. Plötzlich ging die Tür auf und Frau Schiller steckte ihren Kopf durch den Spalt. Sie schien Leni nicht zu sehen, denn sie legte mir dar: „Cäcilia, ich bin alles durchgegangen, aber ich kann an der aktuellen Zimmerverteilung nichts ändern. Es tut mir leid."
Ich brachte nur ein Nicken zu Stande und sie verschwand wieder hinter der geschlossen Zimmertür. Ich biss mir auf die Unterlippe. Das hätte Leni nicht mitkriegen sollen. Trotz der Tatsache, dass ihr noch Bettruhe angeordnet worden war, stieg sie die Leiter hinunter und baute sich vor mir auf. „Du hast Frau Schiller gebeten, in ein anderes Zimmer zu kommen? Das ist ein schlechter Scherz, oder?" sagte sie und ich hörte eine unglaubliche Zerbrechlichkeit in ihrer Stimme. Ich sah ihr in die Augen, die mit Tränen gefüllt waren. Sie atmete tief ein und schluckte schwer. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich, ihre Kieferknochen traten hervor. Dann fügte sie wütend hinzu: „Du weißt aber, dass Konflikte nicht einfach verschwinden, wenn man sie tot schweigt, oder? Ist dir klar, wie schwer du es dir machst? Hör doch endlich auf wegzulaufen. Du machst nur dich und die, die dich lieben unglücklich." Sie ging auf unsichern Beinen aus dem Raum. Es war ein schreckliches Gefühl sie gehen zu lassen, aber ich tat es trotzdem. Doch ihre Worte klangen in mir nach. Ich begann unkontrolliert zu schluchzen, weil ich so unfassbar überfordert von allem war. Ich sank wieder auf mein Bett, drückte mein Gesicht in das Kopfkissen und begann zu schreien. Erneut ließ ich meinen Tränen freien Lauf. Nachdem ich mich eine halbe Ewigkeit unter psychischen Schmerzen gekrümmt hatte, flaute meine Panikattacke langsam wieder ab. Ich musste mich jetzt irgendwie ablenken, also griff ich nach meinem Handy. Erst jetzt fiel mir wieder ein, dass der Akku leer war. Ich steckte es also schnell ans Ladekabel und wartete, bis das Display endlich aufleuchtete. Mit zitternden Fingern gab ich meinen PIN ein. Anschließend wurde sofort meine zuletzt benutzte App geöffnet. Ohne, dass ich irgendetwas gedrückt hatte, tauchten jene Nachrichten auf, die Leni mir gestern, nach meinem Auftauchen in der Klinik, und heute geschrieben hatte.
LENI: Hey.
Du hast das völlig falsch verstanden.
Davon gehe ich zumindest aus, schließlich bist du weggerannt.
Bitte lass uns darüber reden. Es gibt so viel, was ich dir sagen möchte.
Wenn du wüsstest, wie viel ich an dich denke. Wenn du wüsstest, wie viel ich über dich
schreibe.
Bitte, wir müssen uns endlich aussprechen. So viel steht noch immer Ungesagt zwischen
uns und ich kann das nicht länger ertragen.Dir geht es doch sicher ähnlich, oder?
Bitte melde dich.
Cäcilia?
Wie gern würde ich dieses Mädchen einfach in die Arme schließen. Vielleicht könnten wir alles vergessen, was zwischen uns stand? Noch einmal las ich die Nachricht 'Wenn du wüsstest, wie viel ich über dich schreibe." Dabei fiel mir ein, dass ich ihr Notizbuch noch immer in meinem Rucksack hatte. Ich weiß, dass das der absolute Vertrauensbruch wäre, aber was hatte ich schon zu verlieren. Ich stand auf und öffnete den Reißverschluss. Dann schlug ich das Buch auf und begann zu blättern. Ich fand das Gedicht, welches sie über mich geschrieben hatte. Danach musste es noch mehr über mich geben. Ich sog die Worte förmlich in mich auf. Noch einmal schlug ich die Seite um und realisierte, worüber sie da schrieb. Über mich. Und über Liebe.
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Mit dir ist es was Besonderes
FanficCäcilia ist eigentlich ein sehr verschlossener Mensch. Sie versteht es andere auf Distanz zu halten, um sich selbst zu schützen. Doch als Leni aufs Internat kommt und dann auch noch ihre Zimmergenossin wird, entwickelt sich etwas, das sie bisher noc...