Plötzlich hörte ich wie Flora schrie: „Wir müssen los! Ich kann spüren, dass ihr was passiert, wenn wir sie nicht vorher finden." Ich fragte mich, was sie damit wohl meinte. Die Schwestern kamen schneller, als ich es für möglich gehalten hätte, aus dem Bauhaus geklettert. „Was machst du denn hier?" fuhr mich Flora an, als sie mich sah. „Leni wollte, dass sie dabei ist. Sie vertraut ihr, das heißt das können wir auch." antwortete Finja für mich, bevor ich reagieren konnte. Zu meiner Überraschung nickte Flora und sagte: „Okay, dann komm mit. Wir müssen Leni aufhalten." Ich verstand, dass jetzt keine Zeit für weitere Erklärungen waren, sodass ich schon wieder mit einer Unmenge an offenen Fragen zurückgelassen wurde. Aber das war jetzt egal. Auch mich ergriff nun die Angst um Leni. Ohne mit der Wimper zu zucken rannte ich den Beiden hinterher, zurück in Richtung Internat.
Mein Atem stockte. Es fühlte sich an, als hätte etwas die gesamte Luft aus meiner Lunge gepresst. Leni war auf dem Dach. Aber sie stand nicht einfach dort oben. Sie musste uns kommen gehört haben und hatte daraufhin einen Handstand auf der äußersten Kante des Daches begonnen. „Leni, was machst du denn da?! Komm sofort da runter." hörte ich Flora rufen. Leni reagierte nicht und blieb weiter in ihrer lebensgefährlichen Position. Ich musste irgendetwas tun. Egal was zwischen den Beiden vorgefallen war, sie mussten sich hier und jetzt aussprechen, sonst würde etwas passieren. Ich ergriff das Wort: „Ich weiß, dass irgendetwas passiert ist, was einen Keil zwischen euch getrieben hat. Ich nehme an, dass der Unfall, den Finja mir gegenüber erwähnt hat, etwas damit zu tun haben muss. Aber ist es das alles wirklich wert, so ein Risiko einzugehen? Ich kann doch sehen wie viel Angst du um Leni hast, Flora. Bitte mach einen Schritt auf sie zu." Meine kleine Rede schien Flora dazu gebracht zu haben, endlich zu begreifen, dass nur sie Leni dazu bewegen konnte, von diesem Dach herunter zu kommen. Mit belegter Stimme rief sie in deren Richtung: „Ich hab deinen Brief gelesen. Dabei ist mir klar geworden, wie unfair ich dich behandelt habe. Ich hab einfach nur an mich gedacht und dabei nicht gesehen, dass für euch genauso eine Welt zusammengebrochen ist, wie für mich. Es hat mich so wütend gemacht, dass ich mit diesem Verlust keineswegs umgehen konnte, während es für euch so einfach zu sein schien, neu anzufangen. Und dann hab ich gesehen, wie du dich mit anderen angefreundet hast. Ich hab die vertrauten Blicke zwischen dir und Cäcilia gesehen, hab gesehen, dass du ihr deine Sorgen und Ängste anvertraust, mit denen du früher immer zu mir gekommen bist. Ich hatte einfach Angst auch noch dich zu verlieren, Leni. Du bist sowas wie ein Teil von mir. Ich kenne mich nicht ohne dich und will auch nicht wissen wie das ist."
Ich hatte Tränen in den Augen und auch Finja schluchzte neben mir. Sie griff nach meiner Hand und ich drückte ihre, um ihr zu zeigen, dass ich für sie da war. Leni schien Floras Ansprache auch nah gegangen zu sein, denn sie ließ endlich ihre Beine sinken und stand jetzt am Rand des Daches. „Aber du hast gesagt, dass es meine Schuld ist, dass Mama und Papa den Zirkus schließen mussten. Du hast gesagt, dass ich dein Leben zerstört hätte. Und glaub mir, diese Vorwürfe mache ich mir jeden Tag. Es tut so weh zu sehen, wie sie alles aufgeben, was sie sich aufgebaut haben. Nur meinetwegen. Aber es aus deinem Mund zu hören, konnte ich einfach nicht ertragen." brachte Leni hervor. Ich konnte nicht fassen, was ich da hörte. Doch bevor ich noch weiter darüber nachdenken konnte, setzte Flora zu einer Antwort an: „Aber das hab ich doch nicht ernst gemeint. Du bist doch nicht Schuld daran. Hätte ich gewusst, dass du das wirklich glaubst, hätte ich das niemals gesagt. Allgemein hätte ich es nicht sagen sollen. Es tut mir furchtbar leid. Du kennst mich besser als jeder andere und weißt, wie oft ich schon Dinge gesagt habe, die ich nicht so meine. Bitte verzeih mir und lass uns diese schwierige Zeit zusammen durchstehen." Leni begann zu strahlen. „Meinst du das ernst? Du gibst dem Einstein eine Chance?" fragte sie. Flora nickte und erwiderte: „Ich kann sehen, wie gut es euch hier gefällt und dass ihr hier glücklich seid. Und wenn ihr das seid, kann ich das auch. Solange wir zusammen sind natürlich." Dieses Gespräch ging mir unglaublich nah, obwohl ich gar nicht beteiligt war. Aber irgendetwas sagte mir, dass ich in Zukunft noch öfter in dieser Runde sein würde. Es fühlte sich gut an ein Teil von etwas zu sein, zu etwas dazu zu gehören, besonders wenn es mit Leni zu tun hatte. Gerade als sie sagte: „Okay, dann komm ich jetzt runter." und sich umdrehen wollte, rutschte sie mit einem Fuß ab und begann zu fallen. Mir entfuhr ein spitzer Schrei.
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Mit dir ist es was Besonderes
FanfictionCäcilia ist eigentlich ein sehr verschlossener Mensch. Sie versteht es andere auf Distanz zu halten, um sich selbst zu schützen. Doch als Leni aufs Internat kommt und dann auch noch ihre Zimmergenossin wird, entwickelt sich etwas, das sie bisher noc...