Ich half Janine den Küchentisch abzuräumen und das Geschirr zu spülen. Dann ging ich ins Bad und machte mich fertig. Als ich alle meine Sachen zusammen gesammelt hatte, ging ich zurück nach unten. Mein Vater half mir, meine Sachen im Kofferraum zu verstauen. Lilly ließ mich vorn sitzen und stieg selbst hinten ein, um sich auf dem Rücksitz niederzulassen. Sie sprach die gesamte Fahrt kein Wort. Auch mein Vater und ich redeten nicht besonders viel. Ich glaube, dass wir beide nicht über meine Mutter sprechen wollten, obwohl das gerade das Thema war, was uns gemeinsam am meisten beschäftigte. Trotzdem schoben wir es für den Moment weg und unterhielten uns über belanglosere Dinge. Als uns noch ungefähr 30 Minuten vom Internat trennten, teilte ich das Leni via Textnachricht mit. Ich nahm wahr, dass Lilly immer unruhiger wurde. Das war irgendwie echt seltsam, aber momentan hatte ich andere Sachen im Kopf.
Als wir auf den Hof fuhren, sah ich schon so viele bekannte Gesichter. Wie bei meinem Abschied, hatten sich alle versammelt, um mich zu begrüßen. Diesmal stand aber Leni ganz vorn und strahlte. Auf meinem Gesicht breitete sich sofort ein Lächeln aus. Mein Vater hatte kaum richtig angehalten, als ich schon aus dem Wagen sprang und meiner Freundin um den Hals fiel. Ich zog sie in eine feste Umarmung und genoss ihren vertrauten Geruch. Es fühlte sich an, wie 'nach Hause kommen'. Am liebsten hätte ich sie nie wieder losgelassen. Aber ich löste mich von ihr, um ihr in das hübsche Gesicht zu sehen. Wir sahen uns tief in die Augen, alle anderen Menschen um uns herum hatten wir ausgeblendet. Wir waren in unserer ganz eigenen Welt. Ich strich mit dem Daumen eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht und befestigte diese hinter ihrem Ohr. Dann legte ich meine Lippen auf ihre. Wieder einmal begann mein ganzer Körper zu kribbeln und ich zog sie näher an mich. Sie öffnete ihre Lippen und ich intensivierte unseren Kuss. Plötzlich hörte ich Floras Stimme im Hintergrund: „Lilly bist du das? Das glaub ich ja jetzt nicht."
Sofort versteifte sich Lenis gesamter Körper und sie trat einen Schritt zurück. Als ich sie direkt ansah, konnte ich Panik in ihren Augen erkennen. Sie sah zwischen Flora und mir hin und her und schien den Hof nach Lilly abzusuchen. Diese ging inzwischen auf Flora zu und sagte: „Ja ich bin's. Ich weiß, dass das jetzt sicher sehr überraschend kommt, aber als Cäcilia erwähnte, dass ihr hier seid, musste ich einfach mitkommen." Ich merkte richtig, wie es in meinem Hirn ratterte, wahrscheinlich hätte das sogar jeder hier hören können. Endlich zählte ich eins und eins zusammen. Lillys Gesicht war mir so bekannt vorgekommen, weil ich es schon einmal gesehen hatte. Damals, als das Foto aus Lenis Notizbuch gefallen war. Sie war es gewesen, deren Gesicht von einer blauen Linie aus Tinte durchkreuzt worden war. Trotzdem verstand ich noch immer nicht, was das alles zu bedeuten hatte. Ich sah Leni fragend an, in der Hoffnung, dass sie es mir erklären würde. Doch sie sah nur zu Boden. Ich griff also nach ihrer Hand und zog sie in Richtung der Anderen. Finja kam ebenfalls auf uns zu und stellte sich schützend vor ihre große Schwester. Die Stimmung war unglaublich angespannt und ich wusste nicht, was ich tun beziehungsweise, ob ich überhaupt etwas tun sollte. Ich merkte, wie verkrampft Leni noch immer war. Dennoch gefiel es mir in einer Art und Weise, dass sie meine Hand so fest drückte, dass sie sich an mir festzuhalten schien. Es war ein schönes Gefühl in dieser Situation ihre Stütze sein zu können. Ich wusste nicht, was hier passierte, aber ich wusste, dass ich Leni beistehen würde. Egal, was es war.
In kleinen Kreisen fuhr ich sacht mit meinem Daumen über ihre Handoberfläche. Sie trat einen Schritt näher an mich heran. Dann begann Flora zu sprechen: „Warum wolltest du uns wiedersehen? Wir sind doch eigentlich recht eindeutig auseinander gegangen, oder? Ich verstehe nicht ganz, was du dir von diesem Aufeinandertreffen erhoffst." Ich sah, dass sich sich Lilly, von Floras Ehrlichkeit, vor den Kopf gestoßen fühlte. „Es gibt so viel, was ich euch noch sagen möchte. Vor allem dir Leni. Ich hab so oft versucht dir zu schreiben, aber als ich dann endlich die richtigen Worte gefunden zu haben glaubte, hattest du meine Nummer blockiert. Bitte glaub mir, dass ich unglaublich bereue, was ich damals getan habe. Ich würde es sofort ungeschehen machen, wenn ich könnte. Es tut mir so leid." sagte sie mit zitternder Stimme. Auch mein Vater sah mich jetzt verwirrt an, worauf ich nur mit einem Schulterzucken reagierte. „Ich glaube nicht, dass es da noch irgendetwas zu reden gibt. Du warst unsere beste Freundin. Die einzige Freundin, die wir bis dahin außerhalb des Zirkus' hatten. Wir haben dich so gern gehabt und dir vertraut. Aber das, was du Leni angetan hast, ist einfach unverzeihlich. Leni ist die warmherzigste Person, die ich kenne und du bist ihr so in den Rücken gefallen. Sie war immer fröhlich und positiv und durch dich ist sie in so ein tiefes Loch von Traurigkeit und Selbstzweifel gefallen. Selbst wenn Leni dir jemals verzeihen sollte, einfach weil sie ist wie sie ist, werden Flora und ich das niemals können. Das solltest du wissen." schaltete sich Finja ein. Über Lillys Wangen rannen dicke Tränen und sie ging schnell zurück zum Auto. Sie stieg ein und mein Vater winkte mir noch zum Abschied. Vollkommen verwirrt und mit tausenden Fragen, sah ich meine Freundin und ihre Schwestern an.
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Mit dir ist es was Besonderes
FanfictionCäcilia ist eigentlich ein sehr verschlossener Mensch. Sie versteht es andere auf Distanz zu halten, um sich selbst zu schützen. Doch als Leni aufs Internat kommt und dann auch noch ihre Zimmergenossin wird, entwickelt sich etwas, das sie bisher noc...