Sie fragte, ob wir ein Stück gehen könnten, während sie mir den Rest der Geschichte erzählte. Ich stimmte zu und wir erhoben uns aus dem Gras. Gemeinsam gingen wir in den Wald. Wir schwiegen eine Weile, bis Flora sich dazu durchrang fortzufahren. „Lilly war außer sich, als sie erfuhr, dass Leni sie verlassen würde. Leni versuchte ihr klar zu machen, dass daran nun einmal nichts zu ändern sei und dass sie das mit der Entfernung schon hinbekommen würden. Aber Lilly ließ sich gar nicht beruhigen. Sie forderte meine Schwester immer wieder auf, zu bleiben. Auch dort gab es nämlich ein Internat, in das sie hätte ziehen können. Aber Leni würde uns niemals verlassen, was sie auch Lilly gegenüber deutlich machte. Daraufhin begann diese sie zu beleidigen. Sie sagte, dass sie ja sowieso nie Gefühle für Leni gehabt habe und dass sie ihr das alles nur eingeredet hätte. Das stimmte natürlich alles nicht, aber ich glaube sie war einfach nur verletzt und enttäuscht und konnte damit nicht umgehen. Jedenfalls beendete sie das, was zwischen den Beiden gewesen war und ließ meine kleine Schwester einfach stehen. Die Person, für welche sie Gefühle hatte, so zu erleben, brach ihr das Herz. Aber Leni wäre nicht Leni, würde sie sich davon unterkriegen lassen. Sie blieb stark und ging auch am nächsten Tag wieder zur Schule. Dort wartete dann die böse Überraschung." erklärte sie. Ich sah sie erwartungsvoll an. Ich konnte mir nicht erklären, was Lilly sich dabei gedacht hatte. Ehrlich gesagt hätte ich sie nicht so eingeschätzt. Sie hatte mich so freundlich empfangen und mir alles gezeigt. Aber was ich da so hörte, ließ mich an meinem ersten Eindruck zweifeln. Es war ja nichts Neues, dass der erste Eindruck oftmals trügt.
Umso erwartungsvoller fieberte ich jetzt Floras weiteren Ausführungen entgegen. „Blöderweise ging Leni an diesem Tag allein zur Schule, da ich erst zur zweiten Stunde hatte und sie schon zur ersten. Alles schien ganz normal zu sein. Als Lenis Deutschlehrer die Tafelflügel öffnete, stand dort in Großbuchstaben geschrieben: 'LENI FREYTAG IST EINE EKELHAFTE LESBE. PASST AUF, DASS SIE SICH NICHT AUCH NOCH AN EUCH VERGREIFT, SO WIE SIE ES MIT MIR GEMACHT HAT. SO ETWAS ABNORMALES GEHÖRT BESTRAFT.' Erst war es totenstill, aber dann setzte das Getuschel ein. Leni war wie vom Donner gerührt und völlig bewegungsunfähig. Als sie dann realisiert hatte, was da eigentlich stand, rannte sie aus dem Klassenraum und schloss sich auf der Toilette ein. Ich weiß das alles nur aus ihrer Erzählung, deswegen kenne ich keine genaueren Details, nur das du das weißt. Als ich dann in der Schule ankam, nahm ich wahr, wie alle über Leni redeten. Ich hörte, was sie für feindselige Kommentare über meine kleine Schwester abließen und ich wurde so unfassbar wütend. Allerdings wusste ich auch, dass Leni das alles mitbekommen haben muss und machte mich auf die Suche nach ihr. Schließlich fand ich sie auf der Mädchentoilette. Sie konnte sich kaum halten weil sie so sehr weinte. Immer wieder kamen andere Mädchen rein und unterhielten sich über das, was sie gehört hatten. Sie fragten sich, ob Leni sie in der Umkleide vor dem Sportunterricht schon begafft hatte. Sie sprachen darüber wie unsicher sie sich jetzt fühlten und dass sie das nicht von ihr erwartet hätten. Ich war so unglaublich wütend auf all diese Idioten und ich wollte meine Schwester einfach nur beschützen. Ich schickte jeden Einzelnen mit der Drohung weg, dass sie es bereuen würden, noch ein schlechtes Wort über meine Schwester zu verlieren. Sie wirkten echt eingeschüchtert. Nachdem ich eine halbe Ewigkeit auf Leni eingeredet hatte, machte sie endlich die Tür auf und ich konnte zu ihr. Ich nahm sie in den Arm und hielt sie einfach nur fest. Ich wusste, dass sie es nicht länger hier aushalten würde, also brachte ich sie nach Hause, sobald sie sich wieder auf den Beinen halten konnte. Ich sagte unseren Eltern bescheid und sie kümmerten sich um sie. Ich dagegen ging zurück in die Schule. Irgendwie wusste ich sofort, dass es Lilly gewesen sein musste. Ich machte eine riesige Szene auf dem Schulhof und ließ alle wissen, wie ekelhaft und menschenverachtend ihr Verhalten war. Niemand wagte es ein Wort zu sagen. Ich ging auf Lilly zu und scheuerte ihr Eine mit meiner flachen Hand. Natürlich war das nicht in Ordnung von mir. Gewalt ist niemals eine Lösung. Für mich war dies allerdings eine emotionale Ausnahmesituation und ich verlor etwas die Kontrolle. Ein Lehrer, der gerade Aufsicht hatte, hatte die ganze Aktion gesehen und ich wurde sofort zum Direktor gerufen. Aber das war mir egal. Noch am gleichen Tag wurde ich suspendiert." fuhr sie fort. Flora hatte recht gehabt. In mir breitet sich eine unfassbare Wut aus. Diese Welt war einfach so unglaublich ungerecht. Ich konnte nicht glauben, dass irgend jemand Leni, der liebenswertesten Personen überhaupt, so etwas Furchtbares antun würde. Ich konnte diese Menschen einfach nicht verstehen. Aber vor allem verabscheute ich das Verhalten meiner Halbschwester. Ich war so wütend, dass ich voller Wucht gegen einen morschen Baum trat. Dieser begann gefährlich zu Wanken und schließlich zu fallen. Ich sah entsetzt nach oben, wo er auf mich zuggerauscht kam...
DU LIEST GERADE
Mit dir ist es was Besonderes
FanfictionCäcilia ist eigentlich ein sehr verschlossener Mensch. Sie versteht es andere auf Distanz zu halten, um sich selbst zu schützen. Doch als Leni aufs Internat kommt und dann auch noch ihre Zimmergenossin wird, entwickelt sich etwas, das sie bisher noc...