Ich wurde von dem Klingeln meines Weckers wach. Ich fühlte mich wie gerädert. Aber ich wusste, dass es jetzt Zeit war, um aufzustehen. Während ich mir Klamotten aus meinem Kleiderschrank raussuchte, sah ich hoch zu Lenis Bett. Erst jetzt begriff ich, dass das gestern wirklich alles passiert war und es sich nicht nur um einen sehr lebhaften Traum gehandelt hatte. Mir wurde wieder bewusst, dass Leni gar nicht hier war. Ihr leeres Bett erinnerte mich daran, wie mein Leben gewesen war, bevor sie es betreten hatte. Wie trist meine Welt gewesen war, bevor sie mir einen Blick in ihre gewährt hatte. Ich konnte sie nicht verlieren. Egal, was ich da fühlte, ich würde unsere Beziehung aufs Spiel setzten, würde ich ihr davon erzählen. Dieses Risiko konnte ich einfach nicht eingehen. Ich würde mich also zusammenreißen müssen. Noch mehr, als ich es bis jetzt getan hatte. Denn offenbar waren die Blicke, die ich in Lenis Richtung verlor und die Art und Weise wie sich mein Gemüt veränderte, sobald es um sie ging, offensichtlicher als ich gedacht hatte. Ich schaute kurz auf mein Handy. Auf dem Display wurden mir drei verpasste Anrufe angezeigt, alle von meiner Mutter. Ich hatte überhaupt keine Lust, mich jetzt mit diesem Thema zu beschäftigen. Ich hatte genug eigene Sorgen. Doch viel mehr war ich froh, abgelenkt zu sein und nicht permanent an das Drama rundum meine Eltern denken zu müssen. Wieder fielen mir die Zeilen ein, die Leni geschrieben hatte.
„glaub mir der Schmerz wird schwächer
wenn du ihn teilst
& nicht länger nur auf Abstand bleibst
& nur wenn's keiner sieht mal weinst"
Ich nahm mir fest vor, Leni alles anzuvertrauen, was mir auf dem Herzen lag. Zumindest all das, was nichts mit ihr zu tun hatte. Wobei es sich dabei eher um die Minderheit handelte. Jetzt war es allerdings erstmal Zeit für die Schule.
Vor dem Internat sah ich Finja und Flora. Natürlich wollte ich unbedingt wissen, wie es Leni ging. Deshalb rannte ich schnell zu ihnen und erkundigte mich nach ihrer Schwester. Sie erzählten mir, dass es ihr den Umständen entsprechend gut ginge, sie aber noch immer viel Ruhe brauchte. Die Ärzte hatten immer wieder betont, wie viel Glück sie gehabt hatte und , dass sie einen Schutzengel dabei gehabt haben musste. Weiterhin erklärten mir die Beiden, dass Leni teilweise echt neben sich stand und viel im Schlaf vor sich hin murmelte. Besonders verständlich sei das aber nicht. Dann sagte Flora: „Du kannst sie aber trotzdem besuchen, wenn du möchtest." Finja fügte, mir zuzwinkernd, hinzu: „Sie hat nämlich schon nach dir gefragt. Und deinen Namen konnte ich bei ihrem Gemurmel auch manchmal heraushören". Mein Herz machte einen Satz. Leni hatte nach mir gefragt. Sie wollte mich sehen. Schnell maßregelte ich mich aber. Schließlich waren wir befreundet und ich an der ganzen Aktion beteiligt gewesen. Ich wollte die Beiden keines Falls wissen lassen, was ich dachte, also erwiderte ich: „Ich hab zwar nachher Staffeltraining aber danach werde ich es sicherlich noch in die Klinik schaffen." Für Leni hätte ich das Training sofort ausfallen lassen, aber dann wäre es für andere ersichtlich, wie wichtig sie mir war. „Da wird sie sich freuen." erklärte mir Finja, während wir uns gemeinsam auf den Weg zur Schule machten. Ich war völlig in meinen Gedanken versunken, nahm aber am Rande war, dass Flora ihrer kleinen Schwester etwas zuflüstern wollte. Da ihr Größenunterschied so groß war, war es nicht besonders unauffällig. Ich glaubte sie sagen zu hören: „Sie sucht sich aber auch immer die schwierigsten Fälle aus.", woraufhin Finja hinter vorgehaltener Hand antwortete: „Aber diesmal ist es anders, glaube ich." Dann sahen mich beide prüfend an. Ich hatte keine Ahnung, was sie damit meinten, beziehungsweise ob ich sie überhaupt richtig verstanden hatte. Ich fühlte mich den gesamten Schulweg seltsam beobachtet. Ich nahm mir fest vor, mich heute auf den Schulstoff zu konzentrieren. Allerdings gab es nichts, wofür ich keine Verbindung zu Leni knüpfen konnte. Es war zum Verrücktwerden.
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Mit dir ist es was Besonderes
FanfictionCäcilia ist eigentlich ein sehr verschlossener Mensch. Sie versteht es andere auf Distanz zu halten, um sich selbst zu schützen. Doch als Leni aufs Internat kommt und dann auch noch ihre Zimmergenossin wird, entwickelt sich etwas, das sie bisher noc...