Mit dir ist es was Besonderes- Kapitel 19

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Da ich wusste, dass sie nicht länger an dem Thema festhalten würde, sobald ich mich nach ihr erkundigte, fragte ich:„Und bei dir? Gibt es irgendetwas Neues?", was ihr Stichwort war, um endlich mit der Sprache herauszurücken, warum sie mich überhaupt treffen wollte. Ich hatte gleich gewusst, dass sie nicht einfach so einen Mutter-Tochter Nachmittag mit mir verbringen wollte. „Dein Vater hat seit einiger Zeit eine Affäre" brachte sie hervor. Ich musste schlucken. Auch wenn mein Vater nie Zeit für uns gehabt hatte, hätte ich nie damit gerechnet, dass er meine Mutter so hintergehen würde. Er hatte sich immer damit gerechtfertigt, all seine Energie in die Firma zu stecken. Offensichtlich hatte er jetzt aber Zeit für eine Geliebte, nicht aber für seine Familie. „Oh Gott Mama, das tut mir so leid." brachte ich leise hervor, während ich sie umarmte. „Was wirst du jetzt machen?" wollte ich wissen. „Darüber wollte ich mit dir sprechen. Ich weiß es schon etwas länger, bin aber immer davon ausgegangen, dass es nichts ernstes ist. Aber so langsam glaube ich, dass sie ihm tatsächlich etwas bedeutet und dass er mich verlassen wird, wenn wenn wir nicht etwas unternehmen."

Ich war sprachlos. Sie wirkte so gefasst und überhaupt nicht so, als ginge es gerade um die Liebe ihres Lebens, die sie brutal hintergangen hatte. Ich sah sie mit großen Augen an und sagte: „Du wusstest davon und hast nichts gesagt? Du kannst doch nicht zulassen, dass er so mit dir umgeht. Egal wie sehr du ihn liebst, dass darfst du ihm nicht durchgehen lassen." Sie überlegte kurz und antwortete dann: „Cäcilia, wenn es nur um Liebe ginge, hätten sich dein Vater und ich schon vor Jahren getrennt. Hier geht es darum, unsere Familie zusammenzuhalten, vor allem für dich und dabei ist deine Mitarbeit gefragt. Wir müssen ihm klar machen, was er verliert, wenn er sich für sie entscheidet." „Wie bitte? Für mich? Und dann willst du jetzt einen auf 'happy Family' machen, oder was?". Sie sah mich entsetzt an: „Wir waren doch eine glückliche Familie, bevor diese Person alles zerstört hat.""Mama, wach auf. Glücklich war hier schon lange keine mehr. Du hast dich nur noch über Papa beschwert und er war nie da. Er hat in den letzten Jahren nicht ein einziges Versprechen gehalten, offensichtlich nicht einmal seinen Treueschwur." legte ich ihr dar. „Dir ist aber bewusst, dass ich dann alles verliere, oder?" warf sie mir an den Kopf. „Du, genau, es geht immer nur um dich. Mach was du willst, aber ich werde dir sicher nicht dabei helfen, unsere kaputte Familie zwanghaft zusammenzuhalten, nur um den Schein zu wahren." erwiderte ich aufgebracht. „Ich hab noch Hausaufgaben zu machen. Wir sind hier fertig, oder?", was eher eine rhetorische Frage war, da ich mich schon von ihr abgewendet hatte. Vollkommen überfordert und aufgewühlt ging ich los. Wie sehr mir das alles tatsächlich zusetzte, wollte ich meiner Mutter nicht zeigen. Sie sollte nicht sehen, wie verletzlich ich war, wenn es um meine Eltern ging.

Man sollte meinen, dass ich mich nach all der Zeit damit abgefunden hätte, eben keine Bilderbuchfamilie zu haben. Aber die Wahrheit war, dass ich jeden beneidete, der unbegrenzte Aufmerksamkeit von seinen Eltern bekam. Meine Mutter war noch nie besonders gut darin, den Menschen die sie liebte, zu zeigen, wie sie ihnen gegenüber empfand und auch anderen mit Empathie zu begeben, hatte ihr schon immer Schwierigkeiten bereitet. Das hatte ich wohl von ihr. Aber mein Vater und ich hatten früher unglaublich viel Zeit miteinander verbracht. Er hatte mich immer seine Prinzessin genannt und überallhin mitgenommen, sogar zu den Treffen mit seinen Geschäftspartnern. Aber dann kam der große Durchbruch seiner Firma, was sein gesamtes Wesen veränderte. Irgendwo dort hatte ich ihn verloren. Ich verschwand in der nächsten Seitenstraße und begann zu rennen. Alle Leute machten mir Platz, durchbohrten mich aber mit ihren Blicken. Aber das nahm ich gar nicht war. Ich befand mich in einem tränengetrübten Tunnelblick. Erst als ich am Internat angekommen war, machte ich endlich Halt. Ich wusste nicht, wohin ich jetzt gehen sollte. Es gab nur eine Person, zu der ich wollte. Ich wollte ihr mein Herz ausschütten und von ihr in den Arm genommen werden. Aber genau das war die Person, die am wenigsten in meiner Nähe sein wollte. Und das war allein meine Schuld.

Mit dir ist es was BesonderesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt