Teil 3

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Am Montagmorgen verpasste ich den Bus, weil ich zu spät aufstand. Ich hatte am Sonntag bis 11 Uhr gearbeitet und weil ich noch einige Hausaufgaben erledigen musste bin ich erst spät ins Bett gekommen und habe vergessen den Wecker zu stellen.

Ich musste also zwei Kilometer zur Schule laufen, weil ich kein Auto hatte und mein Fahrrad kaputt war. Ich kam dementsprechend allerdings auch viel zu spät an und verpasste meine erste Stunde. 

Ich meldete mich im Sekretariat, um Bescheid zu geben und machte mich dann auf den Weg zu meinem Unterricht.

Ich hatte Englisch und meine Lehrerin lächelte nur nachsichtig, als ich mich bei ihr entschuldigte.

Ich war eine ziemlich gute Schülerin. Das war auch etwas, dass mich stolz machte. Außerdem war es praktisch, weil ich mit einer Stunde Nachhilfe ziemlich leicht Geld verdienen konnte. Und es gab immer jemanden, der Nachhilfe brauchte.

Als es zur Pause klingelte, warteten Clea und Milo an meinem Spind auf mich. 

„Wo hast du heute Morgen gesteckt?" fragte Milo besorgt, während Clea meine Klamotten musterte.

Als ich aufgewacht war, hatte ich nicht darauf geachtet, was ich anzog und mir einfach etwas übergeworfen. Was man mir offensichtlich wohl ansah. Meine Jeans war dreckig, weil ich sie bei der Arbeit getragen hatte und mein Shirt roch vermutlich nach Alkohol, weil ich beim Wegräumen der Flaschen heute Morgen etwas darüber gekippt hatte. Die Jacke war das Einzige, das nicht dreckig war oder übel roch.

Verlegen sah ich auf meine Füße. „Ich hab verschlafen." Murmelte ich und drängte mich an meinen Freunden vorbei zu meinem Spind. Er klemmte und Milo half mir, indem er einmal dagegen schlug. 

„Hast du gestern wieder zu lange gearbeitet?" fragte er ein wenig besorgt.

Ich nickte nur und als ich ihn ansah, runzelte er die Stirn. 

„Du weißt, dass du mich nach Geld fragen kannst." Wiederholte er sein dauerhaftes Mantra.

Ich nickte erneut und stopfte meine Bücher in die Tasche. Ich hatte jetzt eine Freistunde in der ich aber Mathenachhilfe gab.

Clea warf mir jetzt ebenfalls einen besorgten Blick zu. „Und bei mir kannst du jederzeit unterkommen, wenn du weg von Zuhause musst."

Ich kam mir vor wie eine arme Obdachlose und am liebsten hätte ich die beiden angeschnauzt, sie sollten mich damit einfach in ruhelassen. Sie wollten mir nur helfen, aber ich brauchte keine Hilfe. Ich war die letzten zwei Jahre alleine ausgekommen und ich wollte nicht, dass sie Mitleid mit mir hatten. Ich wünschte mir, dass sie mich wie einen normalen Teenager behandelten und nicht wie jemanden, auf den Zuhause jede Menge Probleme warteten.

In diesem Moment war mir alles lieber als das Mitleid von den beiden. Und als ich Levi den Gang entlang gehen sah, sah ich in ihm meine Rettung.

Ich wandte mich zu Milo. „Hast du dir jetzt eigentlich einen Anmachspruch überlegt?" fragte ich und lenkte damit vom eigentlichen Thema ab.

Etwas funkelte in seinen Augen auf als ich das sagte, aber er ließ sich auf den Themenwechsel ein.

„Ich habe zwei Sprüche, zwischen denen du wählen darfst." Verkündete er stolz und ein leichtes Grinsen huschte über sein Gesicht.

Clea neben ihm wurde ganz hibbelig und sah meinen Freund gespannt an.

„Gut, ich werde sie an Clea demonstrieren." Kündigte Milo an und räusperte sich. „Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick oder soll ich nochmal reinkommen?" er setzte ein verführerisches Lächeln auf.

Clea lachte und auch ich musste grinsen. „Gut" rief meine Freundin, „der war nicht schlecht, aber ich hoffe du hast noch einen besseren."

Milo hob eine Braue „Na schön. Du siehst aus wie mein Pferd. Darf ich auf dir reiten?" Er sah mich an „Und, wie war der?"

Clea prustete los.

„Peinlich." Lachte ich „Ich nehme auf jeden Fall den Ersten."

„Nein!" rief Clea „Du musst den zweiten nehmen." Sie sah zu Milo „Milo, sag sie muss den zweiten nehmen!"

Ich warf Milo einen drohenden Blick zu und er überlegte. „Naja, ich darf aussuchen." Sagte er langsam und ich kniff meine Augen zusammen.

„Wehe." 

Er hob die Schultern „Ich bin auch für den zweiten." Grinste er.

„Ich hasse euch!"

„Tust du nicht." Lachten beide und meine Freundin nickte zu Levi. „Bring es besser schnell hinter dich." Grinste sie.

Ich folgte ihrem Blick. Levi war jetzt nicht mehr alleine, sondern stand mit zwei Jungs zusammen die eindeutig auch zum Footballteam gehörten.

„Muss ich denn jetzt gehen?" flehte ich zu Milo, aber er schubste mich vorwärts „Jetzt oder nie."

Ich stolperte vorwärts und blieb einen halben Meter von Levi entfernt stehen. Er stand mit dem Rücken zu mir und von nahem erschien er mir beängstigend groß. Ich starrte auf seinen hellbraunen Haarschopf und wünschte mir, vom Erdboden verschluckt zu werden. 

Mit einem tiefen Durchatmen überwand ich dann meine Angst und wischte meine schweißnassen Hände an meiner Hose ab. Dann klopfte ich ihm auf die Schulter.

Zuerst dachte ich, er hätte es nicht gespürt, aber dann drehte er sich um und ich hielt die Luft an, als er mich von oben herab spöttisch betrachtete.

„Hi." Brachte ich mit quietschiger Stimme heraus. 

Er musterte mich. Sein Blick wanderte von meinen dreckigen Hosen zu dem befleckten Shirt und schließlich zu meinem Gesicht und den Haaren. Plötzlich wünschte ich mir, dass ich mir heute Morgen mehr Mühe mit meinem Outfit gegeben hätte.

„Kenne ich dich?" fragte Levi mit dieser ruhigen und angenehmen Stimme, die immer einen Hauch Spott mit sich brachte.

Ich fühlte mich bereits jetzt erniedrigt, dabei hatte er noch nicht mal etwas richtiges getan. Mein Blick huschte zu seinen Freunden und mir wurde schlecht. 

Nicht kotzen! Mahnte ich mich selbst.

„Ich bin..." meine Stimme brach. Ich schluckte und setzte nochmal an „Ich bin Brooke."

Er sah mich immer noch abwartend an „Und?"

„Ich wollte nur sagen, dass du-" Jetzt einfach raus damit. „Dass du aussiehst wie mein Pferd und ob ich auf dir reiten darf?"

Oh Gott, ich habe es getan...

Levi sah mich einen Moment lang bewegungslos an dann fing er an zu lachen und drehte sich zu seinen Kumpels, die auch anfingen. Ich wurde rot wie eine Tomate und konnte mich nicht bewegen. Ich starrte ihn einfach nur an wie ein Idiot.

Als er sich wieder zu mir drehte, blitzen seine braunen Augen amüsiert auf. „Echt nett von dir Snowwhite, aber ich bin nicht interessiert."

Ich bekam nur zur Hälfte mit, was er sagte, aber stammelte hastig eine Antwort. „Ja ne, ich auch nicht."

Er nickte mit gehobenen Augenbrauen und schob die Hände in die Hosentasche „Klar." Dann drehte er sich um und ging lachend mit seinen Freunden weg.

Ich blieb zurück und lehnte mich gegen die Spindwand neben mir, die Hände vors Gesicht geschlagen.

Milo und Clea kamen zu mir und beide konnten sich kaum halten vor Lachen. 

„Das war so erniedrigend." Stöhnte ich.

SnowwhiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt