Teil 59

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich ziemlich gerädert. Meine Augen brannten und fühlten sich geschwollen an. Außerdem lief meine Nase und ich hustete mehrmals.

 Die Kälte gestern hatte mir wohl eine ordentliche Erkältung eingebracht.

 Ich rollte mich im Bett herum und tastete nach Levi, aber er lag nicht neben mir.

 Verwundert setzte ich mich auf und sah mich in seinem Zimmer um. Langsam sickerten die Erinnerungen an unser Gespräch gestern zu mir durch.

 Ich hatte ihm alles erzählt. Vom Tod meiner Familie, bis hin zu dem Alkoholproblem meiner Mom und dem Zusammenbruch von mir selbst. Und Levi hatte mir angeboten bei ihm einzuziehen.
Aber das konnte er nicht ernst meinen, oder?

***

Ich täuschte mich, denn Levi hatte es sehr wohl ernst gemeint.

 Als ich am Morgen die Treppe runter gegangen war, hatte Levi mit Mercy und seinem Dad am Frühstückstisch gesessen. Es war mitten in der Woche und wir hatten Schule, deshalb hatte ich mich zunächst gewundert, aber Levi hatte seinem Dad von meiner Lage und den Geschehnissen von gestern berichtet und auch angesichts der Tatsache, dass ich ziemlich kränkelte, hatte er es für besser befunden, mich dazubehalten und Levi ausnahmsweise ebenfalls freigestellt.

 Frank und Mercy hatten frei, weil sie später einen wichtigen Termin im Krankenhaus hatten. Die Chemo würde schon nächsten Monat beginnen und bis dahin lagen noch viele weitere Termine vor dem kleinen Mädchen.

 Sie tat mir leid. Obwohl sie so tapfer und fröhlich wirkte, konnte ich mir vorstellen, wie schwer das Alles für sie war. So jung schon so schwer krank zu sein, war ein Ding der Ungerechtigkeit und Mercy hatte meinen größten Respekt für ihre Stärke.

 Frank stimmte ohne Umschweife zu, dass ich bei ihnen wohnen durfte. Ich sollte bei Levi schlafen, womit ich mich absolut zufriedengab und noch am selben Tag fuhren wir zu der Appartementwohnung, um meine wichtigsten Sachen zu holen. Meine Mutter war nicht da.
Vermutlich hielt sie sich in einer Kneipe auf. Ich hinterließ ihr eine Nachricht und hoffte, dass sie sie finden würde. Wenn sie sich bis morgen nicht gemeldet hätte, würde ich zu ihr fahren.

 Thalia schrieb mir, ob alles okay sei und ich antwortete, dass ich alles in der Schule erklären würde.

 Levi und ich verbrachten einen ruhigen Tag miteinander. Er schaffte Platz in seinem Kleiderschrank und bezog mir eine zweite Decke. Dann sahen wir gemeinsam einen Film an.
Gegen Nachmittag zwang ich ihn, etwas Mathe zu lernen, weil sein Test in etwas weniger als einer Woche Anstand und gegen Abend kochten wir zusammen. Mercy und Frank kamen erst spät zurück und waren uns dankbar, für das Essen. Wir aßen jedoch alle nur wenig, weil jeder etwas erschöpft und müde war und der Tag vergings so schnell, das wir alle, ehe man sich versah, im Bett lagen.

 Und ich schlief so schnell und beruhigt ein wie lange nicht mehr.

 Mein Rücken drückte sich an Levis Brust und sein Arm schlang sich um meine Taille. Irgendwann in der Nacht verwickelten sich sogar unsere Beine ineinander, sodass wir fast eins wurden.

***

Am nächsten Morgen in der Schule, hatte ich fast den Eindruck, Levi wollte mich nicht gehen lassen. Es hatte schon zum zweiten Mal geklingelt, aber immer noch hielt er mich an der Taille fest und drückte mich an sich.

 Ich lachte und drückte ihn zaghaft von mir weg.

 „Levi, der Unterricht fängt schon an."

 „Na und?" nuschelte er in mein Haar.

SnowwhiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt