Teil 18

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Die Villa am Waldrand war noch viel größer als das Haus von Milos Eltern.

Sie erstreckte sich über vier Stockwerke und war fast so breit, wie die Hälfte des Wohnblocks in dem ich lebte. Ich fragte mich wirklich, wer so viel Platz brauchte. Es musste doch sicherlich dutzende Zimmer geben.

Allerdings schien ich die Einzige zu sein, die staunend stehen geblieben war, denn die anderen waren unbeeindruckt weiter gegangen und ich musste laufen, um sie wieder einzuholen. Dabei stolperte ich beinahe über einen Ast am Boden, konnte mich jedoch gerade noch so an einem Baumstamm links von mir abstützen, wobei ich mich jedoch an etwas schnitt.

Wie schaffte Clea es nur, mit diesen hohen Schuhen über den holprigen Boden zu schreiten als wäre es der rote Teppich und sich dabei nicht auf die Nase zu legen?

Fluchend zog ich die Hand zurück und betrachtete sie während des Weitergehens. Dreck und Harz klebte an ihnen und ich versuchte unauffällig es irgendwo abzuwischen, allerdings eher erfolglos. Milo, Clea und Thalia waren am Hauseingang stehen geblieben und redeten mit einem Typen der am Eingang stand und sie zu begrüßen schien.

Als ich zu den dreien aufgeholt hatte warf Thalia mir einen kurzen Seitenblick zu und als sie bemerkte, wie ich auf meiner Handfläche rumdrückte runzelte sie die Stirn. 

„Bei dir alles klar?" fragte sie ein wenig desinteressiert und eher als würde sie sich bemühen nett zu mir zu sein als aus wirklichem Interesse. 

Dennoch war ich schon positiv davon überrascht, dass sie überhaupt bemerkte, dass ich etwas hatte.

„Ach ich glaube ich habe bloß einen Splitter in meiner Hand." Sagte ich und deutete auf die Stelle, wo ein kleiner schwarzer Stachel zu sehen war. Ich hielt die Hand unter das Licht des Vordachs und versuchte den Splitter mit den Finderspitzen herauszuziehen, aber es gelang mir nicht und Thalia griff nach meinem Arm „Hör auf damit, so machst du es nur schlimmer."

Gerade als sie das sagte, ließ der Typ am Eingang uns vorbei und wir beide folgten Clea und Milo, die sich lachend vor uns unterhielten.

„Drinn lassen kann ich ihn ja aber auch nicht." Stellte ich murmelnd fest.

„Wir suchen gleich eine Pinzette."

Ich sah Thalia an. Und sie erwiderte meinen Blick. „Was?" fragte sie ein wenig patzig.

Ich grinste „Du bist netter als ich dachte."

Die einzige Antwort, die ich darauf bekam, war ein Schnauben. 

Ich wollte noch etwas sagen, aber Milo drehte sich zu uns um und sein Blick wanderte kurz zwischen uns hin und her eher er Thalias Hand nahm und sie neben sich zog. Clea hatte sich bereits einem anderen Typen zugewandt und mir blieb nun die Wahl. Entweder, ich verzog mich allein irgendwohin oder ich schloss mich einem meiner Freunde an.

Da ich ahnte, dass es nicht lange dauern würde, bis Clea mich komplett allein stehen lassen würde, entschied ich mich dafür, das dritte Rad bei Milo und Thalia zu spielen. Ehrlich, ich hatte keine Ahnung, warum ich immer wieder mitkam auf diese Partys. Am Ende saß ich eh angetrunken und allein an der Bar oder in irgendeiner Ecke und beobachtete Leute. 

Ich folgte den beiden also einfach eine Zeit lang und stellte mich dazu, ohne mich richtig am Gespräch zu beteiligen. Den Splitter in meiner Hand versuchte ich zu ignorieren und hielt dabei nach einem Badezimmer Ausschau, wo ich möglicherweise eine Pinzette finden könnte.

Nach einer Zeit, in der wir bei einer Gruppe Jungs gestanden hatten, von denen ich keinen kannte und mit denen eigentlich nur Milo redete, fasste Thalia mich am Arm. Sie sagte etwas zu Milo, dass ich wegen der Party Musik nicht verstand und zog mich dann hinter sich her. Ich war ein wenig verwirrt und folgte ihr einfach widerstandslos in ein Badezimmer.

Sie schloss die Tür hinter uns ab und deutete auf das Klo. Ich setzte mich auf den geschlossenen Klodeckel und sah zu, wie sie in den Schränken über dem Waschbecken stöberte. Sie nahm ein paar Sachen heraus und stellte sie vor sich hin. Dann schien sie gefunden zu haben wonach sie eigentlich suchte.

Sie drehte sich zu mir um und ich begriff, dass sie eine Pinzette in der Hand hielt.

Ich war immer noch vollkommen perplex und verwundert, dass sie sich überhaupt noch erinnerte, dass ich ja eine Splitter in der Hand hatte, dass ich gar nicht begriff, dass Thalia nach meiner Hand griff und sich mir gegenüber hinhockte. 

„Was machst du da?" fragte ich verwirrt und mit Sicherheit auch ziemlich Begriffsstutzig.

„Na wonach sieht es denn aus?" gab Thalia spöttisch zurück. „Ich ziehe deinen Splitter." Mit einem heftigen Ruck zuckte sie mit dem Arm zurück und ich spürte einen leichten Schmerz in meiner Handinnenfläche. Ein wenig Blut quoll aus der Wunde, wo gerade noch der Splitter gewesen war. Ich sah zur Seite. Blut konnte ich nicht ausstehen. Davon wurde mir schlecht.

Thalia kicherte ein wenig. „Du kannst kein Blut sehen?" kommentierte sie meinen Blick, während sie mit einem Tuch das Blut abwischte und anschließend ein Pflaster draufklebte.

„Nein." Gab ich zurück.

Sie lachte wieder leicht, sagte aber nichts.

Ich beobachtete sie dabei, wie sie zum Waschbecken ging, sich die Hände wusch und anschließend im Spiegel betrachtete.

„Was guckst du so?" fragte sie als sie meinem Blick im Spiegel begegnete.

Ich hob die Schultern. „Keine Ahnung, irgendwie benimmst du dich seltsam."

„Wieso?"

„Du hast meinen Splitter gezogen, obwohl du mich scheinbar nervig findest und jetzt stehst du da, als würdest du Zeit schinden wollen."

Sie drehte sich um und lehnte sich gegen das Waschbecken. „Naja, um ehrlich zu sein stehe ich nicht so auf diese Art von Partys."

Ich hob die Brauen „'Diese Art von Partys'?"

„Ja naja du weißt schon." Sie deutete auf die Luxuriöse Badewanne neben mir und den ganzen teuren Schnickschnack überall „Partys von reichen und arroganten Typen."

Ich lachte „Dir ist aber klar, dass du mit einem dieser Typen ausgehst oder?"

Wenn ich mich nicht täuschte huschte da gerade tatsächlich ein Lächeln über ihre Lippen. „Das weiß ich, danke." Aber dann schüttelte sie ernst den Kopf. „Nein, im Ernst. Ich mag Milo, aber solche Veranstaltungen halte ich nur schwer aus. Jedes Mal sehe ich wie diese ganzen Leute mit ihrem Geld umgehen. Teure Teppiche werden vollgekotzt, Möbel in den Pool geworfen und nie macht auch nur einer einen Muchs. Die haben schließlich genug Geld, um einfach neues Zeug zu kaufen. Und Mommy und Daddy schieben ihnen ja ohnehin alles in den Arsch." Sie schien sich richtig in Rage zu reden.

„Was?" fragte sie als sie meinen Blick bemerkte.

„Najaa." Fing ich gedehnt an „ich dachte du wärst auch eine dieser reichen Kids." Gab ich zu.

Ein trockenes Lachen folgte „Nur weil ich zu den beliebten an der Schule gehöre, heißt das nicht, dass ich auch bin wie sie. Meine Eltern sind nicht stinkreich, sondern normalverdienende Leute und wir leben in einem gewöhnlichen kleinen Haus."

Wir schwiegen eine Weile, dann räusperte ich mich. „Ich hasse solche Partys auch."

Thalia grinste mich an und ich grinste zurück.

Das war der Moment, in dem ich entscheid, dass ich Thalia mochte. Auch wenn sie manchmal ein wenig arrogant wirkte, hatte ich das Gefühl, dass wir uns gut verstehen könnten und ich fand sie auf eine besondere Art und Weise sympathisch.

SnowwhiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt