Teil 47

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Levi blieb nicht mehr lange. Was er mir hatte sagen wollen, hatte ich ihn nicht mehr gefragt.
Ich brauchte lange bis ich einschlief und am nächsten Morgen wurde ich schon um sieben Uhr von einer Krankenschwester geweckt, weil meine Werte geprüft werden mussten.

 Tatsächlich fühlte ich mich an dem Tag noch ausgelaugter als zuvor. Der Schlafentzug der letzten beiden Nächte und meine körperliche Verfassung machten mir deutlich zu schaffen.

 Thalia kam um zehn Uhr vorbei. Wir spielten eine Runde Mensch Ärgere dich nicht aus ihrer Spielesammlung, die sie mitgebracht hatte. Danach redeten wir eine Weile und als bei mir das Mittagessen kam, ging Thalia in die Kantine, sodass ich anschließend noch ein wenig schlafen konnte.

 Auch der Arzt machte noch eine letzte Untersuchung und verkündete mir dann offiziell, dass ich um 18 Uhr entlassen werden könnte.

 Und am Nachmittag kam nicht nur Thalia, sondern auch Saw und Oliver. Levi tauchte erst gegen Abend auf und irgendwie wirkte er ein bisschen geschafft, aber ich machte mir keine weiteren Gedanken.

 Die Jungs waren echt süß. Vor allem Sawyer hatte sich ziemliche Sorgen um mich gemacht und umarmte mich feste, als er mich sah. Dass ich dabei Schmerzen hatte schien er jedoch kaum zu bemerken.

 Oliver war da schon vorsichtiger. Er grinste mich schief an und reichte mir nur die Hand. Und auch die schüttelte er nur so leicht, als habe er Angst, mir sonst wehzutun.

 Sie hatten mir auch eine Packung Kekse und eine Tafel Schokolade mitgebracht. Ich freute mich so sehr über ihren Besuch und ihre Aufmerksamkeit, dass ich beinahe ignorieren konnte, dass Clea und Milo beide nicht einmal angerufen hatten. Aber leider nur beinahe, denn ich hatte wirklich erwartet, dass sie vorbeikommen und mich abholen würden. Selbst ein Anfruf hätte mir schon genügt, aber stattdessen herrschte Funkstille.

 Thalia gegenüber sprach ich meine Enttäuschung nicht an. Ich war mir nicht sicher, inwieweit ich sie mit diesen Dingen belasten sollte, schließlich wollte ich auch nicht, dass sie zwischen zwei Stühlen stand.

 Um 18 Uhr wurde ich tatsächlich entlassen. Da weder Meine Mom noch jemand anderes auftauchte, um mich abzuholen, wurde ich mehr oder weniger gezwungen in Sawyers Auto zu steigen.

 Ich durfte mich, wie immer wenn ich mit den Jungs fuhr, auf den Beifahrersitz setzen. Levi und Olli stiegen hinten ein. Sawyers Auto war deutlich größer als das von Levi. Und es war auch schöner. Es sah nicht so alt aus und das Innere roch nach frischem Leder.

 Thalia fuhr nicht mit uns. Sie war mit dem Auto ihrer Eltern hergekommen und, weil sie ihrem Vater versprochen hatte, Abends in der Eisdiele zu helfen, hatte sie sich vor knapp zwei Stunden verabschiedet.

 „Dann hau mal raus, wohin es geht." Sagte Sawyer gut gelaunt und warf mir einen Seitenblick zu.

 Mir ging es mittlerweile fast schon wieder wie neu. Die Schwellungen waren noch deutlich zu spüren und ich hatte weiterhin Kopfscherzen. Der Arzt hatte gesagt, ich müsse für die nächsten zwei Tage, also bis einschließlich Montag im Bett bleiben und sollte mich nicht viel bewegen, wegen meiner Gehirnerschütterung. Gegen die Schmerzen hatte ich Tabletten und gegen die Schwellungen eine Salbe bekommen. Auch kühlen sollte ich meine Wunden regelmäßig.

 „Brookie?" hakte Saw besorgt nach. „Ist alles okay bei dir?"

 Ich warf einen Blick in den Rückspiegel, wo Levi meinen Blick erwiderte. Er sah mich aufmerksam an und schien auf meine Antwort zu warten.

 „Alles gut." Bestätigte ich.

 Sawyer wirkte erleichtert und Levi lehnte sich ein Stück zurück.

 „Sollen wir dich nach Hause fahren?"

 Ich nickte langsam. Nach Hause. Dieses Wort passte für mich nicht ganz, zu der kleinen Appartementwohnung, in der ich mit meiner Mom lebte. Ein leichtes Unbehagen breitete sich in mir aus. Wenn ich ehrlich war, wollte ich nicht mehr dorthin. Nicht, wenn ich meine Mom dort vorfinden würde wie immer. Betrunken oder dabei ihren Rausch auszuschlafen.

 Levi schien mein Unbehagen bemerkt zu haben, denn er lehnte sich vor und sine Hand streifte meinen Arm.

 Sofort blitzte ein Bild vor meinem Inneren Auge auf. Der Kuss von gestern Abend.

 Wir hatten nicht die Gelegenheit gehabt, noch einmal darüber zu reden und ich hatte auch keine Ahnung, ob er es überhaupt wollte. Vielleicht sah er das Ganze auch als einen Fehler an und wollte einfach so tun als sei es nie passiert?

 Ich für meinen Teil, wollte es jedoch nicht vergessen. Der Kuss war so atemberaubend gewesen, dass ich ihn kaum noch aus dem Kopf bekam.

 „Wir müssen dich nicht nach Hause fahren. Du kannst auch mit zu mir kommen. Oder zu Sawyer." Erklärte Levi.

 Ich schüttelte den Kopf „Nein schon gut." Er ahnte etwas. Ich wusste, dass er etwas ahnte, sonst hätte er das nicht angeboten.

 „Aber Brooke, deine Mutter ist doch krank."

 Ich fuhr herum. Er wusste, dass sie Alkoholikerin war. Woher?

„Du hast gestern gesagt, sie hätte hohes Fieber." Erklärte er weiter.

 Und dann löste sich meine Panik langsam wieder auf. Der Knoten in meinem Bauch lockerte sich und die Falte in der Stirn wurde glatt.

 „Sie kann sich nicht richtig um dich kümmern. Vielleicht wäre es besser, wenn du für ein oder zwei Nächte bei jemand anderem unterkommst."

 Ich schwieg. Genau das war es, was ich wollte. Aber das konnte ich nicht laut sagen. Ich hatte das Gefühl, wenn ich es aussprach verriete ich damit meine Mom.

 Sawyer setzte den Blinker und bog in eine Seitenstraße ab. „Ich habe einen Vorschlag." Kündigte er feierlich an. „Wir übernachten heute alle bei mir. Dann können wir uns allesamt um dich kümmern, während du dich etwas ausruhst."

 Es klang eher wie ein Befehl, als nach einem Vorschlag oder einem Angebot.

 Unsicher rutschte ich auf meinem Sitz hin und her. Ich bekam bereits Kopfschmerzen.

 Jetzt mischte sich auch Oliver ein. Er lehnte sich vor uns sah mich eindringlich mit seinen blauen Augen an. „Ich glaube die beiden haben recht Brooke. Du siehst noch nicht so aus als könntest du dich um dich selbst kümmern und wenn deine Mom so krank ist, wäre es vielleicht wirklich besser, wenn du bei uns bleibst."

 Er sagte das in einem so überzeugenden Ton, dass ich schließlich nachgab und nickte.

 Oliver nickte zufrieden und lehnte sich zurück, während ich spürte, wie Levi leicht meinen Arm drückte, als sei er froh über meine Entscheidung.

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Ein Kapitel als Dank für 11K reads.
LG Kat

SnowwhiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt