Teil 52

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Ich weinte nicht richtig. Mir liefen nur einzelne Tränen über die Wange, als ich mich hinter dem Schulgebäude auf einen Stein setzte. Hier war die perfekte Ecke, um von allem anderen wegzukommen.

 Plötzlich hörte ich Schritte auf dem Kies.

 „Ich möchte jetzt nicht reden Levi." Murmelte ich, ohne aufzusehen.

 „Ich bin nicht Levi." Antwortete eine andere Stimme und ich sah überrascht Oliver an.

 „Oh. Tschuldigung. Ich dachte du wärst Levi."

 Er lächelte schief. „Hab ich mir gedacht."

 Ich erwiderte sein Lächeln schwach und sah auf meine Hände.

 „Falls du mit mir reden willst, um mir zu sagen, dass ich eine miese Person bist, dann lass es bitte. Das weiß ich selbst." Murmelte ich.

 Olli blieb vor dem Stein stehen. „Darf ich?"

 Ich rückte ein Stück zur Seite, damit er sich zu mir setzen konnte.

 „Wieso glaubst du, dass ich dich für eine schlechte Person halte?"

 Ich zuckte mit den Schultern. „Weil ich gerade eben gesagt habe, dass ich einen deiner besten Freunde nicht mag. Oder weil Milo das gesagt hat."

 Oliver dachte kurz nach. „Nun, nur weil du ihn mal nicht leiden konntest, heißt das ja nicht, dass es immer noch so ist."

 Ich runzelte die Stirn. „Aber das weiß Levi nicht." Seufzend wischte ich meine Träne von der
Wange. „Dabei mag ich ihn doch. Ich will nicht, dass er denkt, ich würde ihn benutzen oder sowas."

 Ein Lachen entschlüpfte Olivers Lippen.

 „Was ist so komisch?" ich klang gereizter als beabsichtigt.

 „Naja, du gibst Levi Nachhilfe. Gegen eine kleine Bezahlung, aber du hilfst ihm. Wenn hier jemand den anderen braucht, dann ist es Levi."

 Ich schwieg.

 „Hör zu Brooke. Levi ist klar, dass du vor dieser Sache mit der Nachhilfe nicht viel von ihm gehalten hast, das ist nichts neues. Ich verstehe das. Levi kann ziemlich arrogant und herablassend wirken, wenn man ihn kennenlernt, aber so ist er nicht zu jedem und das weißt du.
Du bist das beste Beispiel dafür, dass er auftaut, wenn er glaubt, jemandem vertrauen zu können. Und jeder Blinde sieht, dass du Levi magst. Sei es nur als Freund oder mehr. Und das sieht Levi auch. Du brauchst dir also keine Sorgen deswegen machen."

 Als ich meinen Blick hob und Oliver ansah musste ich unwillkürlich lächeln.

 Alles was aus seinem Mund kam klang für mich so logisch und ehrlich. Es klang wie die Wahrheit und automatisch fühlte ich mich etwas besser. Er musste sich nicht man anstrengen.

 „Danke." Murmelte ich leise.

 Olli lachte nur „Gern Geschehen, Brooke."

***

Nach dem Gespräch mit Oliver fühlte ich mich viel besser. Da war zwar noch die Sache mit Thalia, aber Oliver hatte mir versichert, dass sich auch das klären würde. Niemand konnte etwas für seine Gefühle und das würde Thalia ebenfalls wissen.

 Ich ging also etwas beruhigter zurück in den Unterricht. Da ich Kunst hatte, konnten Olli und ich gemeinsam gehen. Ich bemühte mich wirklich die Blicke der anderen zu ignorieren, aber seit dem Vorfall von heute Mittag waren es sogar noch mehr geworden.

 Gerade als wir in den Kunstraum gingen, kam auch unser Lehrer.

 Und als er mich ansprach und erklärte, dass Direktor Reynolds mich sehen wolle, wurde ich so nervös, dass ich den Zeichenblock in meinem Arm fallen ließ.

 Ein wenig verunsichert verabschiedete ich mich von Oliver und machte mich auf den Weg zum Sekretariat. Lag es an der Sache von heute Mittag? Hatte ich damit vielleicht irgendeine Regel gebrochen?

 Diese Gedanken schwirrten in meinem Kopf herum, während ich darauf wartete, dass die
Sekretärin mir Bescheid gab, dass ich ins Büro durfte. Ich war noch nie beim Direktor gewesen und es machte mich furchtbar nervös.

 Erst als Levi ebenfalls durch die Türe des Sekretariats trat, beruhigte ich mich etwas. Wenn er auch hier war, konnte es wohl kaum um die Sache von heute Mittag gehen.

 Er lächelte mir zu, während er sich neben mich setzte. Ich erwiderte das Lächeln, erleichtert, dass ich nun nicht mehr allein war.

 „Hi." hauchte ich mehr, als dass ich es sagte.

 „Hey." Seine Augen wurden etwas wärmer.

 Ich nickte zum Büro von Mr. Reynods. „Hast du eine Ahnung, weshalb wir hier sind?"

 Levi lachte. „Du bist echt die Beste" grinste er „Erst wurdest du sexuell belästigst und dann zusammengeschlagen und jetzt sitzt du beim Direktor und erwartest wahrscheinlich eine Strafe."

 Und dann wurde es mir klar. Impulsiv schlug ich mir feste gegen die Stirn, ehe ich darüber nachdachte.

Natürlich waren wir deswegen hier. Mr Reynolds musste nach so einem Vorfall schließlich mit den Beteiligten reden. Warum mir das noch nicht früher aufgefallen war, wusste ich auch nicht.

 Dennoch war ich nervös und wippte unruhig mit dem Bein.

 Eine Warme Hand legte sich auf mein Knie und als ich zu Levi blickte, sah er mich ernst, aber sanft an. „Hey, kein Grund nervös zu werden. Du hast nichts falsch gemacht, okay?"

 Ich verzog das Gesicht. „Du bist also echt nicht sauer auf mich?"

 Mit gerunzelter Stirn strich er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Es war eine beiläufige Geste und er tat es scheinbar gleichgültig, aber trotzdem wurde ich rot. „Wieso sollte ich denn sauer auf dich sein, Snow?"

 „Wegen der Sache vorhin. Weil," es war irgendwie schwer es ihm zu erklären. „ich gesagt habe, dass ich dich nicht mochte."

 Ein Lächeln erhellte sein Gesicht. Mein Blick glitt wie von selbst zu seinen Lippen ehe ich mich wieder auf die braunen Augen konzentrierte. Irgendwann während unseres Gespräches waren wir uns näher gekommen.

 „Ich weiß, dass du mich jetzt magst. Das reicht." Sein intensiver Blick, schien in mich hinein sehen zu können. „Und außerdem" fuhr er fort „kam es mir eher so vor, als hättest du mich verteidigt. Jedenfalls hat sich das am Anfang so angehört."

 Gerade als ich den Mund aufmachte, um etwas zu sagen, öffnete sich die Türe rechts von uns und Mr. Reynolds erschien im Türrahmen.

 Schnell rückte ich ein wenig von Levi ab und stand auf. Ich konnte zwei Polizeibeamte in dem Raum hinter ihm ausmachen und meine Nervosität steigerte sich automatisch.

 „Miss Lane? Ich würde gerne kurz mit ihnen allein reden und danach kommt Mister Randalls dazu. Ist das in Ordnung für sie?"

Ich nickte rasch und warf einen letzten Blick zu Levi, ehe ich Mr. Reynolds folgte.

SnowwhiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt