Teil 9

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„Ich dachte schon du lässt mich sitzen Snowwhite." Begrüßte Levi mich und sah mich aus seinen Haselnussbraunen Augen an. Seine vollen Lippen hatte er zu dem Anflug eines Lächelns verzogen und in einer beiläufigen Bewegung ließ er das Buch, in dem er noch vor wenigen Sekunden gelesen hatte, in die Tasche neben sich gleiten. Ich versuchte noch, zu erkennen, was es war, aber ich konnte es nicht schnell genug lesen.

Ich zog meinen Rucksack auf den Schoß und zog Block, Laptop und Stifte heraus ehe ich antwortete „Tja, eigentlich hatte ich dasselbe von dir erwartet."

Er gab ein schnaubendes Geräusch von sich, was mich dazu veranlasste den Kopf zu heben und ihn wieder anzusehen.

Fragend zog ich meine Augenbrauen nach oben, aber Levis Blick blieb ungerührt auf mein Gesicht geheftet. Ich hatte fast das Gefühl, er sähe in die tiefen meines Herzens hinein. Als könnte er jedes Geheimnis, jedes Gefühl sehen.

Unbehaglich schlang ich meine Arme um den Oberkörper und fröstelte ein wenig, als sich der nasse Stoff meines Pullovers gegen meine Haut drückte. 

„Sicher, dass du die ganze Zeit in dem nassen Teil hier rumsitzen willst?" fragte Levi plötzlich und nickte zu meinem Yale-Pulli.

Ich hob nur die Schultern „Besser als nur im T-Shirt. Der wird schon wieder trocknen."

„Hast du keine Wechselsachen im Auto?"

Ich funkelte ihn an „Nicht jeder hat das Glück, von seinen Eltern ein Auto in den Arsch geschoben zu bekommen." Fauchte ich gereizter als notwendig gewesen wäre.

Levi hatte nur eine ganz normale Frage gestellt, das war kein Grund gleich auszuflippen. Ein wenig verlegen öffnete ich den Reißverschluss meines Federmäppchens und kramte meinen Füller heraus.

Ich spürte seinen nachdenklichen Blick immer noch auf mir. Seit ich mich an den Tisch gesetzt hatte, hatte er mich angesehen und langsam fragte ich mich, ob vielleicht etwas mit meinem Gesicht nicht stimmte. Hatte ich was im Gesicht?

Gereizt schnalzte ich mit der Zunge und warf ihm einen genervten Blick zu.

„Fangen wir jetzt an oder was?" 

Er hob nur gleichgültig die Schultern und lehnte sich zurück. „Klar, was soll ich machen?"

Ich seufzte. Ich hatte erwartet, dass Levi nicht das Ruder in dieser Sache übernehmen würde. Eigentlich hatte ich sogar erwartet, er ließe mich alles alleine machen.

„Hast du den Text dabei, den wir behandeln sollen?" fragte ich.

Levi schüttelte den Kopf, wobei ihm seine dunkelbraunen Haarsträhnen in die Stirn fielen.

Aber ich hatte bereits damit gerechnet „Na schön. Das habe ich mir gedacht, also habe ich ihn für dich kopiert." Ich schob ihm zwei Blätter über den Tisch und er beugte sich vor. Als er die Blätter zu sich zog, legte er seine Hand auf meine und ich war mir ziemlich sicher, dass diese Berührung gezielt gewesen war. Zwar zog er sie zurück, aber der neugierige und irgendwie erwartungsvolle Blick mit dem er mich unter den dichten Wimpern hindurch ansah, ließ meine Alarmglocken schrillen.

Ich war keines von den Mädchen, mit denen Levi machen konnte was er wollte, auf solche Maschen fiel ich nicht herein und das versuchte ich ihm auch so deutlich wie möglich zu machen, als ich meine Augen warnend zusammenkniff.

Ich sah seine Mundwinkel zucken als er den Blick abwandte und sich den Text ansah.

„Wir haben Karl Marx?" fragte er und obwohl es wohl mehr eine rhetorische Frage gewesen war, nickte ich. 

„Miss Scone hat gesagt, wir sollen zum einen ihn selbst als Menschen und Philosophen darstellen und zum anderen seine Sichtweise zur Emanzipation im Allgemeinen und schließlich auf die Juden bezogen. Ich nehme an, du hast den Text noch nicht gelesen?" hakte ich nach und als er mit einem schiefen (unheimlich attraktiven) Lächeln den Kopf schüttelte, nickte ich. „Schön, dann holst du das jetzt einfach nach. Ich informiere mich in der Zeit ein wenig über die Bedeutung des Textes aus Sicht anderer Philosophen. Ich nehme an du hast einen Laptop dabei?" jetzt nickte er „Gut, dann kannst du nach dem Lesen, etwas zu Marx selber raussuchen. Schreib einfach alles raus, was du findest und schick es mir dann einfach, damit ich es in die PowerPoint übernehmen kann. Alles verstanden?"

SnowwhiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt