Teil 34

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Es war mir lieber etwas Mathe zu machen, anstatt die ganze Zeit darüber nachdenken zu müssen, was passiert wäre, wenn Levi Jackson nicht aufgehalten hätte.

 Ich wollte mich einfach nur ablenken. Und scheinbar schien Levi das zu verstehen, denn er widersprach nicht, auch wenn er ein wenig zweifelnd aussah.

 Ich musste ehrlich sagen, dass mir diese nette Seite, die er mir gezeigt hatte, gefiel, aber dennoch war es seltsam, dass er nicht mehr versuchte mit mir zu flirten oder mich aufzuziehen. Ich wünschte mir gleichzeitig, dass er mich wieder normal behandelte.

 Zu meinem Glück musste ich aber auch sagen, dass seine zuvorkommende Art auch nicht allzulage hielt. Zwar verhielt er sich immer noch etwas vorsichtiger, aber eben nicht so übersensibel wie zuvor.

 Allerdings konnte das auch an seinen Problemen in Mathe liegen, denn als er mir gesagt hatte, dass er dringend Hilfe in Mathe brauchte hatte ich nicht damit gerechnet, dass er die Hilfe SO dringend nötig hatte.

 Zuerst hatte ich mir seine letzte Klausur angeschaut und ich muss ehrlich sagen, dass es schon fast wehtat, sich seine Lösungen anzuschauen – wenn denn welche dastanden.

 Wir würden wohl ganz am Anfang anfangen müssen. Und wir müssten uns öfters treffen, als ich zunächst angenommen hatte.

 Nachdem ich ihm ein und dieselbe Matheaufgabe zum sechsten Mal erklärt hatte und er immer noch nichts verstanden hatte, wurde ich langsam so frustriert, dass ich meinen Kopf mit einem vernehmbaren Seufzen auf meine Arme legte.

 Auch Levi schien mittlerweile nur noch wenig motiviert zu sein.

 „Du musst doch einfach nur das machen, was du in der Beispiel Aufgabe auch machen musst." Stieß ich resigniert hervor.

 „Aber die habe ich doch auch nicht verstanden."

 „Weil du nicht richtig zuhörst."

 „Vielleicht erklärst du einfach schlecht." Gab er genervt zurück.

 Ich hob den Kopf und funkelte ihn aus zusammengekniffenen Augen an. Von der harmonischen Stimmung vorher war nichts mehr zu spüren. Stattdessen lag in der Luft nun eine greifbare Spannung und wäre ich gewalttätig veranlagt, hätte ich ihm jetzt wohl eine runtergehauen, aber weil ich nun mal nicht so war, beließ ich es bei meinem bösen Blick.

 „Ich habe diese Sachen schon hunderten vor dir erklärt und noch nie hat jemand so lange gebraucht um das zu verstehen. Wenn es also an etwas liegt, dann an deinem Verständnis und ganz sicher nicht an meiner Erklärung." Konterte ich.

 Levi schnaubte und klopfte mit seinem Stift auf das Papier.

 Nach einigen Minuten des Schweigens hatte ich mich langsam wieder beruhigt. „Vielleicht sollten wir es für heute einfach dabei belassen." Gab ich nach und warf dabei einen Blick auf mein Handy. Es war schon fünf vor sieben und im Nachhinein war es gut, dass ich meine Schicht im Diner für heute abgesagt hatte. Selbst eine spätere Schicht hätte ich heute nicht mehr geschafft. Die Ereignisse nach der Schule hatten mich mehr mitgenommen als ich gedacht hatte. Und das Adrenalin hatte an meinen Kräften gezehrt.

 Am liebsten hätte ich mich sofort ins Bett fallen lassen und wäre eingeschlafen. Der Gedanke daran, auch noch Essen machen und den Müll oder das erbrochene meiner Mom wegmachen zu müssen, versetzte mir ein unwohles Gefühl. Alleine der Gedanke alleine raus zu gehen ließ das Blut in meinen Adern lauter rauschen. Vor allem in dieser Dunkelheit.

 „Möchtest du noch etwas essen, bevor du gehst? Mercy und mein Dad müssten bald da sein." Bot Levi ab.

 Ich überlegte einen Moment. Das Angebot endlich einmal etwas Vernünftiges zu essen, dass ich nicht selbst zubereitet hatte, war verlocken, aber ich wollte mich nicht aufdrängen oder sowas. Ich hatte noch nie bei jemand anderem als Milo und Clea gegessen, es erschien mir also irgendwie ein wenig intim, mit ihm zu essen, weshalb ich letztendlich ablehnte.

 „Danke, aber meine Mom hat bestimmt auch gekocht." Bedankte ich mich mit einer Lüge und ignorierte meine schwitzigen Hände. Dieser verräterische Körper.

 Er nickte mit einem Schulterzucken und deutete Richtung Türe. Ich folgte der Aufforderung und verließ sein Zimmer.

 Als wir beide unten im Flur ankamen, nahm auch Levi seine Jacke von der Garderobe.

 „Was machst du da?" fragte ich während ich mir meine Schuhe anzog und sah zu ihm auf.

 Er runzelte die Stirn „Ich fahre dich. Ich dachte das wäre dir lieb, nach dem was du heute erlebt hast."

 Sofort erfasste mich wieder die Scham bei dem Gedanken, er könne sehen, wo ich wohnte, aber dann fiel mir ein, dass er mich ja schon einmal heimgefahren hatte und Dankbarkeit ersetzte die Scham. Ich hätte es wirklich lieber, wenn ich gefahren würde, als bei der Dunkelheit die halbe Stadt zu durchqueren. Noch einmal hätte ich wahrscheinlich nicht das Glück, dass jemand da war, der mich retten konnte.

 Obwohl ich froh war, dass Levi angeboten hatte mich zu fahren, versuchte ich nicht zu erleichtert zu wirken.

 „Interessant wie nett du sein kannst." Sagte ich sarkastisch.

 Ich hatte das Gefühl es wäre gut, die alte Atmosphäre zwischen uns wiederherzustellen. Was heute passiert war, hatte uns irgendwie näher zusammengebracht und das wollte ich rückgängig machen.

 Levis Blick war genau das, was ich mir erhofft hatte. Spöttisch. Er grinste mich mit der Spur von Herablassung an, die ich sonst vom ihm kannte. „Von mir aus kannst du auch zu Fuß gehen."

 „Zu spät, jetzt hast du es schon angeboten." Zuckersüß lächelte ich ihn an.

 Sein Blick verweilte ein wenig länger auf meinem Gesicht und ich spürte schon, wie mir die Röte in die Wangen stieg, da wandte er sich wieder ab und nahm einen Schlüssel vom Schlüsselbrett.

 „Gib's doch einfach zu, Snow." Er hielt mir die Türe auf.

 „Was denn, Levi?"

 „Na, dass du total gerne Zeit mit mir verbringst."

Ich stieß ein trockenes Lachen aus „Träum weiter Randalls."

SnowwhiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt