Teil 38

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Ich musste mir für die gesamten restlichen sechzig Minuten Unterricht anhören, wie Thalia kryptische oder anzügliche Bemerkungen in Bezug auf Levi und mich machte.

Ich war dementsprechend genervt als ich nach Miss Scones Schlussworten meine Sachen zusammenpackte.

Thal verabschiedete sich mit einem Nicken in Levis Richtung und einem darauffolgenden Zwinkern von mir, was ich nur mit zusammengezogenen Augen kommentierte. Aber meine neue Freundin schien mein Unmut nicht zu interessieren, sie verließ weiterhin grinsend den Klassenraum und ließ mich griesgrämig zurück.

Als ich gerade meine letzten Sachen in der Tasche verstaute, bemerkte ich aus dem Augenwinkel, dass Levi an meinem Tisch stehengeblieben war und sich dagegen lehnte, während er dabei zusah, wie ich mein Buch verstaute. Hoffnungslos, denn die Nähten der Tasche waren bereits so überspannt, dass ich Glück hatte, wenn überhaupt noch meine Mappe rein passte.

Weil es mir unangenehm war, wie Levi mich beobachtete, ließ ich mein aussichtsloses Unterfangen schließlich bleiben, steckte mein Mäppchen nur in die Seitentasche, die eigentlich für eine Wasserflasche gedacht war und hielt das Buch kurzentschlossen im Arm.

Als ich zu Levi aufsah, lächelte er amüsiert. „Ich kann schauen, ob es noch in meinen Rucksack passt." bot er hilfsbereit an.

Es überraschte mich, dass er so zuvorkommend war, obwohl es mich nicht hätte wundern sollen. Bisher hatte Levi mich fast immer gut behandelt. Er war sogar ziemlich nett gewesen, wenn man bedachte, dass er einen viel schlimmeren Ruf hatte. Meinen Vorurteilen zufolge hätte Levi ein totales Arschloch sein müssen. Stattdessen war er überaus anständig. Klar, er war ein wenig nervig und hatte mich anfangs herablassend behandelt (was ich ihm angesichts des Anmachspruchs nicht mal verübeln konnte), aber alles in allem, entsprach er gar nicht dem Bild, das ich vorher von ihm gehabt hatte.

„Wieso schaust du so Snowwhite?" er lächelte schief, was mir eine Röte ins Gesicht steigen ließ.

„Tu ich doch gar nicht" gab ich zurück und sah demonstrativ weg. Gleichzeitig warf ich mir mit Schwung den Rucksack über die Schulter, wobei ich jedoch das Gleichgewicht verlor und ins Straucheln geriet. Gerade noch rechtzeitig fing ich mich an einem der Tische ab und verknackste mir nur das Handgelenk, statt mit dem Gesicht nach vorne auf den Boden zu klatschen.

Levi, der instinktiv eine Hand ausgestreckt und mich am Arm gefasst hatte, lachte verhalten. Ich hingegen fand die Situation alles andere als lustig, weil sie mir ein wenig peinlich war.

„Vielleicht sollte ich deine Bücher lieber liegen lassen und dich tragen, bevor du dir noch etwas brichst." Zog er mich auf.

Ich zog eine Grimasse und strich mir die wirren Haare aus dem Gesicht. „Haha." Trotzdem schlich sich ein leichtes Lächeln in mein Gesicht. Und Levi sah es natürlich, denn er grinste nun zufrieden darüber, mich zum Lachen gebracht zu haben.

„So Snow," fing er wieder ein neues Thema an, nachdem wir gemeinsam den Philosophieraum verlassen hatte und nebeneinander den Flur entlanggingen. „Wo gehen wir hin, zum Lernen?"

Ich sah ihn an „Zu dir, oder etwa nicht."

Er hob die Schultern. Plötzlich wirkte sein Blick nicht mehr so unbekümmert wie zuvor und seine Augen verloren an Glanz, sodass das Braun stumpf wirkte. Automatisch blieb ich stehen und betrachtete sein Gesicht besorgt. Es interessierte mich, was ihn belastete, obwohl ich mir einredete dass es anders wäre.

Auch Levi war ein paar Meter weiter stehen geblieben, als ihm auffiel, dass ich nicht mehr neben ihm war. Nun drehte er sich um und spähte mit gerunzelter Stirn, durch die vereinzelt herumlaufenden Schüler. Als er mich sah, kam er gegen den Strom auf mich zu und blieb dicht vor mir stehen. Seine Schultern waren auf der Höhe meines Gesichts und ich musst den Kopf in den Nacken legen, um ihn richtig ansehen zu können.

SnowwhiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt