Teil 5

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Am Dienstagmorgen holte Milo mich ab, weil wir beide erst zur zweiten Stunde hatten. Seit Anfang des Schuljahrs hatten wir es uns zur Tradition gemacht vor dem Unterricht dienstags gemeinsam Frühstücken zu gehen. Meistens lud er mich ein und auch heute bezahlte er für mich.

Wir aßen im Diner, weil es eigentlich das einzige Café in der Stadt war. Wenn man in ein richtiges Restaurant wollte, dann musste man in die nächste größere Stadt fahren. Hier gab es nur eine einzige Straße, mit einem Blumenladen, einem kleinen Trödelgeschäft, einer Buchhandlung, diversen anderen kleinen Geschäften mit secondhand- oder Demoware und das Diner.

Im Sommer war die schmale kleine Einkaufsstraße lebendig und Sonnendurchflutete. Im Diner sah man häufig ein paar Touristen, die einen Tagesausflug in unsere Kleinstadt machten.

Aber jetzt im Herbst, wo die sonst grünen Bäume kahl und der Wind eisig kalt war, war selten etwas los. Höchstens im Café sah man Menschen, weil sie sich hier mit Freunden trafen oder Zuflucht vor den plötzlich auftauchenden starken Windstürmen suchten.

Ich erinnerte mich an ein Mal im Winter, wo das Diner wegen eines Schneesturms die ganze Nacht über geöffnet bleiben musste, weil niemand raus konnte. Ich war bis in die frühen Morgenstunden mit den Gästen eingeschlossen gewesen. So etwas war in Brokenhills durchaus nicht ungewöhnlich zu den kalten Jahreszeiten.

Milos und mein Frühstück war ausgiebig und lang. Wir redeten über alles Mögliche und ich erfuhr, dass Milo momentan mit einem Mädchen namens Thalia ausging. Ich kannte sie vom sehen und musste zugeben, dass sie ausgesprochen hübsch war. Klein, dunkle Haare und unglaublich große braune Rehaugen.

Ich bemühte mich, mir meine Eifersucht nicht anmerken zu lassen und tat, als würde ich mich für meinen Freund freuen, was ich ja auch tat, nur eben nicht so, wie ich mich hätte freuen sollen. 

Er sollte glücklich sein, aber dennoch tat es weh, ihn mir mit einem anderen Mädchen vorzustellen.

Es klingelte gerade zur Pause, als Milo seinen Truck auf dem Schulparkplatz in eine Parklücke lenkte.

Er war der beste Einparker ganz Brokenhills, das schwor ich auf meine heißgeliebte Salamipizza.
Wir stiegen gemeinsam aus und Milo reichte mir zuvorkommend, meinen Rucksack.

Ich bedankte mich und ging dann neben ihm her zum Denkmalstein.

„Hey Brooke?" fragte Milo mich und ich sah zu hm hinauf.

„Ja, Milo?" murmelte ich und wurde rot, bei dem intensiven Blick mit dem mich seine blauen Augen betrachteten. 

„Ich habe mir überlegt, dass ich dich trotzdem ins Eden einlade." 

Ich blieb stehen. „Obwohl ich die Wette verloren habe?" fragte ich und meine Stimme war etwas schriller als beabsichtigt.

Er lachte und legte einen Arm um meine Hüfte, wie er es so oft tat „Ja, du hast es verdient."

Ich runzelte die Stirn, als ich mich wieder in Bewegung setzte „Hast du Mitleid?"

Diesmal war es Milo, der stehen blieb. Er sah mich ernst an und legte seine Hände an meine Schultern „Nein. Ich finde es einfach nur toll, wenn ich dich mit solchen Kleinigkeiten glücklich machen kann.

Das ist aber keine Kleinigkeit. Wollte ich sagen, aber stattdessen nickte ich „Okay. Danke." Ich umarmte ihn kurz, dann wich ich ein Stück zurück. Sein Geruch war betörend.

„Brooke!" rief eine bekannte stimme hinter mir und ich riss meinen Blick von Milos Gesicht, um mich zu meiner besten Freundin zu drehen.

Sie kam grinsend und winkend, mit einem Kaffeebecher in der Hand auf uns zugeeilt. Sie blieb vor uns stehen und ließ ihren Blick über meinen Körper wandern. „Du hast die neuen Sachen an." Stellte sie erfreut fest.

Und tatsächlich hatte ich mir heute Morgen mehr mühe bei meinem Outfit gegeben. Was nicht zuletzt auch daran lag, dass ich erstens, nicht verschlafen hatte und zweitens, mit Milo frühstücken gewesen war. Ich hatte mir die dunkelblaue Mom-Jeans mit den Löchern am Oberschenkel und am Knie, und das Schulterfreie Oberteil angezogen, dass wir gestern gekauft hatten.

Auch Milo betrachtete mich jetzt prüfend und ich wand mich unter seinem Blick „Ich finde, heute steht es dir noch viel besser als gestern." Sagte er und ich wäre am liebsten dahingeschmolzen vor Freude.

***

Meine letzte Stunde an diesem Tag war Mathe und ich musste mich echt konzentrieren, um nicht einzuschlafen.

Es war nicht so, dass Mathe mir keinen Spaß machte, oder ich schlecht darin war, aber mein Lehrer redete so monoton, dass es eigentlich unmöglich war NICHT einzuschlafen.

Ich war auch nicht die Einzige, der es so ging. Alle anderen kritzelten ebenfalls gelangweilt auf ihren Blöcken herum oder hatte ihren Kopf in die Hand gestützt.

Ich ließ meinen Blick über die Schüler schweifen und mein Blick blieb an Levi hängen, der die Schultern gebeugt hatte und dennoch irgendwie alarmiert wirkte.

Ich hatte zuvor nie wirklich auf ihn geachtete, aber jetzt wurde mir aus irgendeinem Grund deutlich bewusst, wie angespannt er wirkte. Ob es mir nur auffiel, weil ich ihn direkt ansah? Oder war er immer so unruhig?

Ich beobachtete ihn noch eine Weile und bemerkte, dass er auf etwas in seiner Hand starrte. Sein Handy. Mein erster Gedanke war, dass er mit einem Mädchen schrieb, dass er ins Bett bekommen wollte, aber dann fragte ich mich, ob es vielleicht tatsächlich etwas ernstes war, worüber er sich sorgen machte.

Konnte es nicht vielleicht sein, dass Levi Randall, der beliebteste und heißeste Typ der Schule und männliches Flittchen, erste Probleme hatte?

Aber dann hob er den Kopf als hätte er gespürt, dass ich ihn anstarrte und warf mir einen überheblichen Blick, mit einem spöttischen Zug um den Mund zu.

Nein. Levi Randall war einfach nur ein Arsch, der wahrscheinlich nicht einmal richtig wusste, was wahre Probleme überhaupt waren. Das einzige, worüber er sich sorgen machte, war bestimmt ein Mädchen, bei dem seine Masche einfach nicht zog.

Ich wandte meinen Blick ab und versuchte, mich wieder auf den Unterricht zu konzentrieren, aber in einer Ecke meines Hirns, blieb der Gedanke, dass Levi vielleicht ein Geheimnis hatte und meine Neugierde erwachte.

SnowwhiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt