Teil 42

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Nach dem Vorfall mit den Mädchen setzte sich Thalia für den Rest des Abends an den Tresen und wenn ich nicht gerade damit beschäftigt war, Bestellungen aufzunehmen und anschließend zu den Tischen zu bringen, unterhielten wir uns über alles Mögliche. Es machte echt spaß, mit ihr zu reden und die Zeit, die ich mit ihr verbrachte, verging wie im Flug.

Einmal überlegte ich, ob ich mit ihr über Milo sprechen sollte, aber dann fiel mir ein, dass sie ja auch in diese Geschichte verwickelt war. Schließlich ging sie mit Milo aus. Also ließ ich es doch bleiben. Und weil Thalia ja die ganze Zeit am Tresen blieb, hatte ich auch keine Möglichkeit mit Riley darüber zu sprechen.

Und so blieb ich mit meinen Zweifeln weiterhin alleine.

Thalia fuhr mich nach meiner Schicht nach Hause, weil ich ja mit dem Bus gekommen war und fragte mich noch einmal wie es mir nach dem Vorfall mit Jackson ging.

Irgendwann kamen wir auch auf Levi zurück und Thalia fragte mich ziemlich über meine Gefühle für ihn aus. Dabei konnte ich ihr ja schlecht sagen, dass ich nicht für Levi Interesse hegte sondern für Milo. Wobei ich mir da auch nicht mehr ganz sicher sein konnte.

Überhaupt war ich mir in letzter Zeit bei nur sehr wenigem sicher. Ob Milo und Clea wirklich die Freunde waren, die ich brauchte. Ob die Freundschaft zwischen Thalia und mir halten würde.
Und am wenigsten konnte ich wirklich sagen, was ich für Levi empfand, denn dass ich mich rein körperlich zu ihm hingezogen fühlte, ließ sich nicht bestreiten.

Meine Gefühle waren aktuell einfach ein totales Chaos.

Als ich mich von Thalia verabschiedet hatte und die Türe zu unserer Wohnung öffnete, schlug mir ein beißender Geruch entgegen. Sofort rümpfte ich die Nase. Ich wusste genau, was der Gestank zu bedeuten hatte.

Meine Mom hatte noch mehr getrunken als sonst und lag vielleicht noch irgendwo auf dem Boden in ihrer eigenen Kotze. Das wäre jedenfalls nicht das erste Mal gewesen.

Seufzend und plötzlich auch unheimlich müde und erschöpft machte ich mich auf die Suche nach meiner Mutter. Ich musste nicht lange suchen, denn ich hörte das Wasser in der Dusche laufen.

Ein wenig ängstlich lief ich ins Bad und fand meine Mom am ganzen Leib zitternd und mit geschlossenen Augen in der Dusche hockend vor.

Erschrocken lief ich zu ihr rüber und schaltete das Wasser ab.

„Mom!" rief ich ängstlich und packte sie grob bei den Schultern. „Mom, was machst du da? Wach auf!"

Ich dachte schon sie würde die Augen nicht mehr öffnen, als sie sich plötzlich regte. Ich konnte nicht verhindern, dass mir ein erleichtertes Seufzen entwich.

Mein Puls beruhigte sich langsam und ich ließ meine Mom einen Moment los, um Handtücher aus dem Schrank zu nehmen. Sie trug noch ihre Kleidung und ich musste sie erst ausziehen, ehe ich ihren frierenden Körper in die Handtücher wickeln konnte.

„Mom." Murmelte ich immer wieder den Tränen nahe „Mom, was machst du nur?"

Ich war mir nicht sicher, was ich von ihrem Zustand halten sollte. Wusste nicht, ob sie mit Absicht unter der Dusche eingeschlafen war oder einfach nur vergessen hatte das Wasser auszustellen und es nicht weiter geschafft hatte.

„Brooke?" nuschelte meine Mutter, als ich ihr unter die Arme griff und sie aus der Dusche hievte.

„Ja." Antwortete ich im Flüsterton. „Ich bin's."

„Oh Brooke. Du bist alles was ich habe."

Dabei scheine ich dir ja nicht genug zu sein. Spottete eine Stimme in meinem Kopf bitter, aber ich verdrängte sie
„Ich weiß Mom."

Während ich sie mehr aus dem Bad trug als das ich sie stützte nuschelte sie immer wieder, wie lieb sie mich habe und wie wichtig ich ihr sei. Ich fragte sie nicht, ob die Sache mit der Dusche ein Selbstmordversuch gewesen war. Die Angst vor der Antwort war zu groß.

Ich wusste nur, dass ich ab jetzt alle Räume abschließen und alle Gegenstände verstecken würde, mit denen sie irgendwie versuchen könnte, sich selbst etwas anzutun.

Nachdem ich meine Mutter ins Bett gebracht und in mehrere Decken gepackt hatte, blieb ich noch eine Weile in dem Zimmer sitzen, auch wenn es unglaublich stank. Ich wollte sicher gehen, dass sich ihr unterkühlter Körper wieder erholen konnte.

Einmal spielte ich mit dem Gedanken, dass es vielleicht doch besser wäre, einen Krankenwagen zu rufen, nur um sicher zu gehen, dass es ihr auch wirklich gut ginge, aber den Gedanken verwarf ich schnell wieder. Mehr als einmal hatte ich gesehen, wie Kinder ihren Eltern weggenommen wurden und wenn jemand sah unter welchen Umständen ich hier lebte, würde ich in ein Heim gesteckt werden. Das wollte ich auf keinen Fall.

Es mochte egoistisch klingen, aber es war eben auch die Wahrheit.

Erst gegen fünf Uhr morgens, hatte ich das Gefühl, dass es meiner Mutter so gut ging, dass ich sie allein lassen und selber schlafen gehen konnte.

SnowwhiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt