Teil 11

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Milo öffnete mir eine halbe Stunde nachdem ich losgegangen war die Türe. Ich hatte unterwegs meinen Haustürschlüssel verloren und war total in Panik geraten. Zwei Mal, war ich die Strecke nochmal gegangen ehe ich ihn schließlich unter einem kleinen Vorsprung am Bordstein entdeckt hatte.

Ich fror ein wenig und drängte mich erleichtert an meinem Freund vorbei ins Warme. Man spürte jetzt von Tag zu Tag deutlicher, dass der Winter Brokenhills bald unter einer frostigen Schneedecke begraben würde.

Milo sah mir sofort an, wie sehr ich fror und bot mir eine seiner dicken Strickjacken an, die ich dankend annahm.

Milos Mom und Dad waren nicht da, wie so oft am Wochenende und ich fragte mich zum widerholten Mal, wie Milo es alleine in diesem Riesenhaus aushielt, wenn seine Eltern geschäftlich unterwegs waren.

Tatsächlich ähnelte das Haus in dem mein bester Freund wohnte, vielmehr einer Villa. Eine große Eingangshalle, die so groß war wie unsere gesamte Wohnung, bildete den Zugang zu einem großen Esssalon, einem Zimmer für abendliche Veranstaltungen und eine große Küche, die jedoch lediglich vom Personal benutzt wurden (ja, es gab Personal). Die Decke war bis in die erste Etage offen und in der Decke war eine Glaskuppel eingelassen. Eine breite Treppe führte hinauf in den ersten Stock.

Milo ging vor und ich folgte ihm mit etwas Abstand. Obwohl ich mich mittlerweile an den ganzen Prunk gewöhnt hatte, durchfloss mich dennoch jedes Mal ein ehrfürchtiges Gefühl, wenn ich über den feinen Teppich die Treppen hochging. Man fühlte sich wie eine Prinzessin in diesem Palast.

Milo drehte sich halb zu mir um und wartete am oberen Treppenabsatz. 

„Trödel nicht so Brooke." Drängte er und ich streckte ihm bloß die Zunge raus.

„Du kennst mich, wenn ich noch schneller gehe stolpere ich womöglich und fliege die Treppe runter. Am Ende musst du mich noch Mund zu Mund beatmen." Die letzten Worte purzelten unüberlegt aus meinem Mund und ich hoffte, dass Milo nicht sah, wie ich rot wurde.

Aber zu meiner Überraschung ging er sogar auf meine Worte ein. Locker und amüsiert, als wäre es keine große Sache, sagte er: „verlockende Vorstellung."

Ich blieb stehen und wurde noch röter, wenn das überhaupt möglich war. „Was?" platzte es aus mir heraus.

Milo grinste und zwinkerte mir zu „Ich meine nur, es gäbe Schlimmeres."

Ich nickte. Mein Mund öffnete sich, aber kein Ton kam raus. Wieder machte mein Magen ein paar Purzelbäume und mir wurde sogar ein wenig schwindelig. Das letzte war neu.

„Also was ist jetzt?" Milo nickte auffordernd zu mir „Bist du da festgewachsen, oder was?"

Ich schüttelte den Kopf, um die Gedanken wieder freizubekommen „Nein, ich komm ja schon." Mit diesen Worten überbrückte ich die letzten Treppenstufen und ging dann neben Milo her. Wir mussten den Gang rechts nehmen, um zu Milos Zimmern zu kommen. 

Er hatte ein Zimmer für seine ganzen Lernsachen und die Bücher und Unterlagen von der Firma seines Dads, die er einmal übernehmen sollte und ein anderes für den Rest. Mit Bett, Soundanlage und jeder Menge teurem Kram. Er besaß sogar eine Vitrine in dem ausschließlich teurer Alkohol stand, dabei war Milo nicht mal so der Trink-typ. Jedenfalls trank er selten mehr als ich. Wobei ich auch kein Maßstab war.

Man sollt meinen, aufgrund der Vorgeschichte meiner Mom, würde ich mich weitestgehend von Alkohol fernhalten, aber so war ich nicht. Zwar war ich niemand der jedes Wochenende feiern ging und sich komplett abschoss, aber dennoch war ich oftmals schon gut dabei. Wenn auch immer so, dass ich noch bei klarem Verstand war. Ich wurde eben nur etwas ausgelassener.

Milo schlug die Richtung zu seinem 'Nicht-lern-Zimmer' ein und ich folgte ihm ein wenig verwundert.

„Ich dachte wir wollten lernen?"

Milo nickte und hielt mir die Türe auf, damit ich vor ihm in sein Zimmer gehen konnte. „Wollen wir auch, aber Clea kommt erst gegen vier."

Verwirrt bleib ich stehen „Aber du hast doch gesagt, ich kann sofort kommen, oder habe ich was falsch verstanden?"

Mein bester Freund schüttelte den Kopf „nein, aber mir war langweilig also habe ich dich eben früher eingeladen."

Ich schüttelte abwesend den Kopf und versuchte die Hoffnung in mir beiseitezudrängen, die mir ins Ohr flüsterte, dass Milo vielleicht mehr Zeit mit mir alleine hatte verbringen wollen.

Verlockendes Angebot. Seine Worte hallten in mir nach.

Ein wenig unschlüssig blieb ich in der Mitte des Raums stehen und sah Milo an. Er legte den Kopf zur Seite und runzelte die Stirn „Ist was?"

„Hm?"

„Hast du etwas?" er kam ein wenig näher und sein Blick wirkte besorgt. „Du schaust so komisch."

Ich schüttelte schwach den Kopf und sah zu ihm hoch „Oh, nein. Alles prima." Unbehaglich wich ich einen Schritt zurück und sah weg, aber ich spürte Milos Blick noch auf mir. 

„Also, was machen wir?"

Endlich drehte er sich um und ging zu dem breiten Sofa am anderen Ende seines Zimmers. 

„Wir könnten einen Film schauen oder sowas." Schlug er vor und beugte sich bereits zur Fernbedienung. 

Ich schlenderte zu ihm und setzte mich in gebührendem Abstand neben ihn auf die Couch.

Milo startete eine Komödie und ich kam mir ein wenig befangen vor, während ich neben ihm saß. Ich hatte das Gefühl, dass er einmal ein wenig näher an mich heranrückte, als er sein Gewicht verlagerte, konnte mir aber nicht ganz sicher sein, ob es absichtlich war oder nicht.

Die Zeit verging aus irgendeinem Grund schleichend langsam und immer wieder warf ich Blicke auf die Uhr. Irgendetwas war seltsam. Milo verhielt sich anders, ich wusste nur nicht warum und inwiefern.

Der Film neigte sich gerade dem Ende zu, als Milo sich schließlich räusperte. 

Mein Blick schoss automatisch zu ihm hinüber und er grinste verschmitzt. Aber dennoch sah ich das unsichere Funkeln in seinen Augen.

„Also, wie war überhaupt das Projekt mit Levi?" er setzte eine unbeteiligte Miene auf, aber ich hörte wie angespannt seine Stimme war.

Ich kniff die Augen zusammen „Wir haben uns gestern getroffen, um es vorzubereiten, aber ich habe nahezu alles alleine gemacht. Ich meine, er hat seinen Teil erledigt, aber ich denke da werde ich trotzdem morgen nochmal drüber schauen müssen."

Milo nickte und schwieg.

Ich beugte mich zu ihm und stieß ihn an „Warum fragst denn du?"

Er hob abwehrend die Schultern „Nur so."

Ich hob meine Augenbrauen und grinste „Einfach nur so, hm? Kann es vielleicht sein, dass du ein wenig eifersüchtig bist?" die Worte kamen direkt aus mir heraus, aber sie kamen mir aus irgendeinem Grund gar nicht so dumm und albern vor, wie gedacht. Stattdessen ließen sie mich irgendwie mutig und selbstbewusst fühlen.

Ertappt sah Milo zu mir auf und zog die Nase kraus. „Ich würde es nicht direkt Eifersucht nennen, aber wie er dich letztes Mal auf dem Gang angesehen hat, gefällt mir gar nicht." Gab er zu.

Erstaunt runzelte ich die Stirn „Wie hat er mich denn angesehen?"

„Keine Ahnung." Wehrte mein bester Freund ab „Als wärst du ein Stück Kuchen, das er verschlingen will." Er kratzte sich am Nacken.

Ein Kichern stahl sich meine Kehle hoch „Ach, so sieht er doch jedes Mädchen an. Für ihn sind wir doch alle nur jemand mit dem er bei der nächsten Party seinen Spaß haben kann."

„Schon, aber trotzdem finde ich es nicht gut. Was wenn du seine nächste Eroberung sein sollst?"

„Das glaubst du doch wohl selbst nicht." Schnaubte ich und lehnte mich zu meinem Glas Cola vor, dass ich mir irgendwann zwischendurch geholte hatte. „Und außerdem; bei Clea hat es dich doch auch nicht gestört."

„Das ist etwas anderes" schoss er zurück und die Antwort kam so schnell, dass ich ihn überrascht anstarrte. „Clea hat Erfahrung mit sowas und sie weiß, wie sie damit umgehen muss. Du bist anders. Du bist unschuldig und wenn er dich... wenn er dir wehtut, dann könnte ich mir nicht verzeihen, dich nicht gewarnt zu haben."

Mein Körper wurde warm bei seinen Worten. Mein Blick fing seinen auf und ich verlor mich in dem intensiven Blick seiner blauen Augen. 

„Du denkst du musst mich beschützen?" murmelte ich und spürte, wie ich leicht anfing zu lächeln.

Milo hob wieder die Schultern. „Ja, naja. Du bist meine beste Freundin und du bist mir nun mal wichtig. Ich mag dich und ich will nicht, dass du verletzt wirst."

„Das hast du schonmal gesagt." Mein Lächeln wurde breiter.

Und als Milo dann zu mir herüberrückte und meine Hand in sine nahm, breitete sich eine Gänsehaut auf meinem gesamten Körper aus.

Ich war immer noch von seinem Blick gefangen. Sein Daumen stich behutsam über meinen Handrücken.

Tief in meinen Gedanken, speicherte ich diesen Moment ab und schloss ihn in eine sichere Ecke in meinen Kopf.

Plötzlich klingelte es und das klangvolle Läuten ließ uns gleichermaßen zusammenzucken.

Wir fuhren auseinander und erst jetzt realisierte ich wirklich, was gerade passiert war. Irgendetwas war zwischen uns passiert. 

Als ich meinen Blick zum Fernseher schweifen ließ, merkte ich, dass der Fernseher gerade den Abspann des Films abspielte.

Milo räusperte sich und stand auf, während er sich an mir vorbei drängte, vermied er es mich direkt anzusehen.

„Das muss Clea sein. Ich gehe aufmachen. Wenn du magst, kannst du schonmal rüber gehen." Er deutete zum Studierzimmer und ich nickte nur.

***

Der Rest des Tages war ein wenig unangenehm. Milo wich meinem Blick aus und ich traute mich kaum, ihn anzusprechen. Seit der Situation hatte sich etwas zwischen uns verändert und auch Clea schien die drückende Stimmung zu bemerken, denn sie warf ab und zu misstrauische und verwirrte Blicke zwischen uns hin und her, sagte oder fragte jedoch nichts.

Schließlich ging ich früher nach Hause als geplant und hoffte einfach, dass am Montag in der Schule wieder alles normal wäre.


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hiii!
Also erstmal wollte ich allen einen dank aussprechen, die immer so liebe Kommentare schreiben und für meine Geschichte Voten. ich bin immer so glücklich, wenn euch mein buch gefällt.
An der Stelle möchte ich aber auch kurz mitteilen, dass ich wahrscheinlich alle zwei Wochen oder so auch Sonntags ein Kapitel hochlade, da ich mittlerweile schon einiges vorgeschrieben habe.
Schönen Restsonntag!


SnowwhiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt