Teil 58

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Levi hielt mich eine lange Zeit im Arm. Er spendete mir nicht nur Wärme sondern auch Geborgenheit. Bei ihm fühlte ich mich sicher.

 Nach einiger Zeit, war mein tiefgefrorener Körper genügend aufgetaut, dass ich meine Zehen wieder ohne Probleme bewegen konnte. Lediglich meine Nase lief noch und mein Kopf schmerzte ein wenig von den Nachwirkungen der Kälte.

 „Möchtest du mit mir drüber reden?" flüsterte Levi an meinem Ohr. Seine Stimme klang ruhig. Er drängte mich nicht, es ihm zu erzählen. Es war nur ein Angebot.

 Langsam drehte ich mich zu ihm um. Levi lockerte seinen Griff um mich dabei nur leicht, so als hätte er Angst, ich würde ihm sonst irgendwie entgleiten.

 „Es... es ging um meine Mom." Murmelte ich und wich dabei seinem Blick aus.

 Er wusste ja schon, was sie hatte. Schließlich hatte er, als ich bei Sawyer gewesen war, Sachen bei mir geholt.

 Er zögerte und ich wusste, dass er an genau dasselbe dachte.

 „Sie trinkt, oder?"

 Ich nickte und sah ihm diesmal doch in die Augen „Ja. Und zwar viel zu viel."

 Levi ging zu meiner Überraschung nicht weiter auf seinen Besuch bei uns zuhause ein, also übernahm ich das Reden.

 Plötzlich glaubte ich, dass es gut wäre, mit jemandem darüber zu reden und wenn ich es nicht mit ihm konnte, mit wem dann.

 „Na schön. Ich fange von vorne an." Stieß ich mit einem Seufzen aus. „Vor etwa zwei Jahren waren mein Dad und mein kleiner Bruder Troy auf den Philippinen. Mom und ich sind zuhause geblieben. Es sollte ein Männerurlaub sein. Nur mein Bruder und mein Dad. Schon als wir die beiden am Flughafen verabschiedet haben, hatte ich ein ungutes Gefühl. Ich glaube ich habe meinen Dad sogar gebeten, doch nicht zu fliegen, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Ich war schon Tage davor furchtbar eifersüchtig auf Troy gewesen, weil er alleine mit Dad in den Urlaub durfte und ich mit Mom zuhause bleiben musste. Ich liebte meine Mom, aber ich war auch schon immer Papa Kind gewesen. Mein Dad hörte nicht auf meine Bitten, dazubleiben. Vielleicht dachte er, es wäre meine kindliche Eifersucht gewesen." Ich spürte, wie sich mein Blick bei der Erinnerung daran leerte. Ich sah die Geschehnisse vor meinem inneren Auge ablaufen, wie einen Film.

 „Letztlich flogen sie also. Und sie meldeten sich jeden Tag bei mir und Troy erzählte begeistert, wie schön es war. Am vierten Tag wurde ich so wütend, dass ich ihn anschrie. Ich schrie meinen Bruder an, dass diese Reise mir hätte gehören müssen, weil ich die Älteste war und wäre er nicht da gewesen, dann müsste ich jetzt nicht alleine zuhause hocken. Danach habe ich aufgelegt, ohne ihn zu Wort kommen zu lassen." Tränen füllten jetzt meine Augen. Ich redete nie mit jemandem über diesen Tag.

 „Meine Mutter hat danach ziemlich viel mit mir geschimpft und ich musste in mein Zimmer, bis ich bereit war, mich bei Troy zu entschuldigen. Ich habe sie daraufhin nur angeschrien, dass ich sowieso lieber bei Dad wäre. Das hat sie verletzt. Und dann bin ich in mein Zimmer gegangen und habe geweint. Ich habe mich selbst bemitleidet, weil ich ja so missverstanden wurde, aber in Wahrheit, war ich selber schuld gewesen. Irgendwann am späten Nachmittag, habe ich mich bei Mom entschuldigt und dann wollte ich meinen Bruder anrufen, aber an das Handy von meinem Vater ging keiner dran. Wir versuchten es im Laufe des Tages mehrere Male, aber nichts geschah." Ich schauderte.

 „Später am Abend hörten wir es in den Nachrichten. Es hatte ein Erdbeben gegeben. In der Nähe von dem Ort, wo Troy und mein Dad sich aufgehalten hatten. In den Nachrichten nannte man eine Nummer bei der man sich melden konnte, falls man jemanden vermisste oder so, also riefen wir sofort dort an. Aber man sagte uns, der Ort, an dem die beiden gewesen waren, sei weit genug entfernt gewesen, dass man sich leicht hätte in Sicherheit bringen können. Es wäre dort nicht so gefährdet gewesen. Nur konnten wir sie lange danach immer noch nicht erreichen. Die ganze Nacht blieben wir wach. Riefen abwechselnd beim Hilfeservice und auf dem Handy von meinem Dad an. Erst in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages, erfuhren wir was mit unserer Familie los war."

SnowwhiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt