Teil 24

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Wir hielten vor einem Haus im besseren Viertel Brokenhills. Es war nicht so groß wie das Haus in dem Milo wohnte aber gleichzeitig deutlich größer als das von Clea.

Die Häuser in der Straße sahen allesamt gleich aus und nach einem genaueren Blick wurde mir sogar bewusst, dass etwa vor der Hälfte der Häuser derselbe Kombi stand, nur in verschiedenen Farben. Wie von selbst zog ich die Nase kraus. Es musste furchtbar langweilig sein, so gewöhnlich zu wirken. Hier tanzte nicht einer aus der Reihe.

Sawyer trat neben mich und legte freundschaftlich einen Arm um meine Schulter, als wären wir schon seit Ewigkeiten befreundet. Seltsamerweise machte mir seine Nähe auch diesmal nichts aus. Ganz im Gegenteil. Ich fühlte mich irgendwie... geborgen. Es war seltsam so über jemanden zu denken, den ich bisher nur vom Sehen kannte, aber es war die Wahrheit.

„Beeindruckend, wie gleich hier alles aussieht, oder?" sprach Sawyer meine Gedanken aus.

Ich nickte und ließ meinen Blick zu dem Vorgarten schweifen in dem ein paar Jugendliche in unserem Alter saßen und sich lachend unterhielten. Sie alle hatten Becher mit Alkohol in der Hand, aber keiner sah aus, als müsse er sich gleich irgendwo übergeben.

„Also hab ich das jetzt richtig verstanden, dass wir hier zu einer Feier oder so gehen?" ich hob den Kopf, um in Sawyers Gesicht sehen zu können.

Er erwiderte den Blick nicht, nickte aber „Jop. Felix aus dem Footballteam schmeißt eine kleine Party."

„Ich dachte es ist nicht wirklich eine Party?"

Sawyer grinste und nahm den Arm von meinen Schultern. „Oh, es ist auch nicht SO EINE Party. Keine sturzbesoffenen Teenager und Musik, die so laut ist, dass man sich nicht unterhalten kann. Eher eine Veranstaltung allein mit den Teammitgliedern und deren Freunden."

Ich nickte „verstehe, es bleibt also immer eine eher kleine Gruppe."

„Richtig."

„Und warum bin ich dann hier?"

Er grinste auf mich herab und kniff mir in die Wange als wäre ich ein Kleinkind. „Das wirst du dann noch sehen Süße." Mit diesen Worten ging er auf das Haus zu und gesellte sich zu Oliver, der mit Levi schon vorausgegangen war.

Als Levi bemerkte, dass ich zurückgeblieben war, ließ er sich ebenfalls zurückfallen und wartete, bis ich zu ihm aufgeholt hatte.

„Bereit Snowwhite?" fragte er in einem Tonfall, den ich nicht ganz deuten konnte.

Ich kniff die Augen zusammen. „Bin mir nicht ganz sicher. Ich verstehe immer noch nicht, warum ich mitkommen sollte. Ich kenne keinen und Sawyer zufolge ist das hier eher ein Treffen in kleinerem Rahmen." 

Während ich sprach, bemerkte ich, dass er mich beobachtete und hob den Blick. Seine Augen verfingen sich mit meinen und das sanfte Braun seiner Augen wirkte im dämmrigen Licht wie flüssige Schokolade.

„Sawyer mag dich." Stellte Levi fest. Seine Stimme schwankte zwischen Zufriedenheit und Skepsis. Keine Ahnung, ob ich beleidigt sein oder mich geschmeichelt fühlen sollte. Für Levis Verhältnisse, könnte man seine Worte fast schon als Kompliment auffassen.

Ich entschied mich, gar nicht erst auf seine Worte einzugehen und wandte meinen Blick von seinem Gesicht ab.

„Du hast meine Frage nicht beantwortet." Entgegnete ich nur.

„Ich denke du wirst schon jemanden finden, mit dem du dich unterhalten kannst. Zumindest meine Freunde hast du schon um den Finger gewickelt."

Ich runzelte die Stirn. Aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, dass er versuchte meiner Frage auszuweichen, aber ich hatte auch keine Lust weiter herumzustochern also schwieg ich nur weiter. 

Wir folgten Oliver und Sawyer um das Haus herum. Ein schmaler Weg führte zu einem Garten hinter dem Haus. Obwohl es bereits Herbst war und besonders um diese Uhrzeit ein kühles Klima herrschte, saßen einige Jungs und ein paar Mädchen auf einer weitläufigen Terrasse zusammen. Auf der Wiese ein paar Meter weiter knisterte ein kleines Feuer und ab und zu sprühten wenige Funken durch die Gegend, wenn eine Windbrise die Flammen erfasste. 

Unwillkürlich schoben sich Sorgen in meine Gedanken. Was, wenn das Gras Feuer fing? Gab es hier irgendwo einen Feuerlöscher? War es nicht vielleicht möglich, dass jemand betrunkenes -oder nicht betrunkenes- ins Feuer stolperte? 

Ein Horror Szenario spielte sich vor meinem inneren Auge ab, wo ich selbst über einen Ast stolperte und geradewegs in die Flammen fiel. Meine Arme und Beine verbrannten und ich schrie vor Schmerz. Sawyer und Oliver standen mit erstarrten Gesichtern daneben und sahen zu. Ein wenig abseits grinste Levi spöttisch vor sich hin.

Ein Schauder durchlief mich und ich schüttelte diese Vision schnell ab. Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passierte, war außerordentlich gering.

„Alles klar bei dir?" fragte Levi und stieß mich mit der Schulter an. 

Genau in dem Moment, in dem wir am Feuer vorbeigingen.

Immer noch von dem Schreckensszenario in Besitz genommen griff ich instinktiv nah Levis Ärmel und klammerte mich in seinen Pulli. 

Er lachte und legte einen Arm um meine Hüfte. „Da war jetzt aber nicht ich derjenige, der sich hier an jemanden ran gemacht hat." Er sah auf mich hinab.

Ich konnte es zwar nicht sehen, aber ich spürte seinen schalkhaften Blick auf mir.

„War die keine-Annäherungs-oder-Flirtversuche-Regel nicht von dir?" 

Meine Wangen wurden heiß und ich legte meine Hände an seine Seite, um ihn von mir zu schieben. „Schubs. Mich. Nie. Wieder. In. Der. Nähe. Eines. Offenen. Feuers." Zischte ich ihm zu und legte so viel Nachdruck in meine Stimme wie nur möglich.

Ich sah wie Levi eine Augenbraue hob, als ich ihn ansah. „Hast du Angst vor Feuer?" fragte er und der altbekannte Spott kehrte wieder in seine Stimme zurück.

„Keine Angst." Gab ich mit vor der Brust verschränkten Armen zurück. „Respekt. Und das ist nichts schlechtes, weil Feuer total gefährlich ist." Vielleicht klang ich ja, wie ein Kontrollfreak, aber das war mir egal, weil ich wusste, dass ich recht hatte. 

Levi grinste abfällig, als würde er genau das von mir denken und ich schenkte ihm daraufhin lediglich einen bösen Blick. Ich verstand immer noch nicht, warum er mich überhaupt mitgenommen hatte, wenn er doch scheinbar gar keine Lust auf mich hatte.

Aber das fragte ich ihn nicht, weil ich ohnehin wusste, dass er mir nicht antworten würde.

Wir stieße sowieso gerade zu der Gruppe auf der Terrasse, wo sich Oliver und Sawyer schon auf zwei Stühlen niedergelassen hatten und mit einem der Jungen redeten, die zuvor auch mit ihnen im Diner gewesen waren.

Levi führte mich auf die andere Seite des Kreises, wo ein Lücke war und zog und zwei Stühle ran, sodass wir uns setzen konnten, dann stellte er mich ein paar Leuten vor, die ihn begrüßten. 

Ich bemühte mich um ein Lächeln und versuchte das unwohle Gefühl in meiner Magengrube zu verdrängen. Ich hasste es neue Leute kennenlernen zu müssen. 

Ich war zwar eine eher soziale Person und unterhielt mich gerne, aber in größeren Personengruppen fühlte ich mich meist unwohl. Vor allem, wenn ich kaum jemanden kannte.

Innerlich wappnete ich mich bereits für einen endlosen Abend voller Unannehmlichkeiten.

SnowwhiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt