Teil 6

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Am nächsten Tag hatte ich ebenfalls meine letzten beiden Stunden mit Levi. Diesmal nicht Mathe sondern einen Zusatzkurs in Philosophie. 

Zugegeben nicht mein liebster und eindeutig auch nicht mein bester Kurs. Egal wie sehr ich mich bemühte, ich bekam einfach keine bessere Note als eine 3+ in dem verdammten Fach.

Um ehrlich zu sein verstand ich meistens auch nur die Hälfte von dem was Kant oder einer der anderen großen Philosophen sagte. Allerding war ich auch hier nicht die einzige die eher vor sich hindöste, als zuzuhören. Nur die supermotivierten Schüler meldeten sich.

Ich saß in Philosophie tatsächlich nur einen Platz vor Levi in der vorletzten Reihe. Er saß dort neben einem der Typen, die letztes Mal auf dem Flur auch dabeigestanden hatten, als ich den peinlichsten Moment meines Lebens erlebt hatte. Ich verzog das Gesicht bei der Erinnerung und drehte mich gleichzeitig halb zu Levi um.

Obwohl ich mich bemühte, es diskret und wie zufällig aussehen zu lassen endete es im Endeffekt damit, dass ich mir halb den Hals verrenkte und der Kumpel von Levi mich mit hochgezogenen Augenbrauen und einem anzüglichen Grinsen ansah. Dann drehte er sich auch noch zu Levi, der wiedermal auf sein Handy im Schoß gestarrt und mich nicht beachtet hatte.

Der andere Typ sagte etwas zu ihm, dass zu leise war, als dass ich es hören konnte, aber Levi hob daraufhin den Blick und sah mich direkt an. Eigentlich wollte ich mich sofort wieder umdrehen und mir wieder einmal wünschen im Erdboden versinken zu können, aber etwas in seinem Blick hielt mich davon ab.

Für einen Moment glaubte ich, erneut dieses Sorgenvolle etwas in seinem Gesicht zu entdecken, aber dann wurden seine Augen wieder ausdruckslos und kalt. Das flüssige braun schien sich zu verhärten. 

Er starrte mich nur Böse und wieder mit unverhohlenem Spott an, sodass ich rot anlief und mich dann doch rasch umdrehte.

Dummerweise hatte meine Tischnachbarin in genau dem Moment, ihre Thermoskanne neben ihrem Heft abgestellt und als ich mich wieder zur Tafel drehte, stieß ich mit dem Ellenbogen dagegen.

Ich versuchte noch, mich selbst irgendwie in Sicherheit zu bringen, aber es war schon zu spät. Die Flasche fiel von der Tischkannte und landete in meinem Schoß. Die heiße Flüssigkeit, welche ich als Tee identifizierte, verteilte sich als dunkler Fleck auf der schönen Bluse, die Milo mir gekauft hatte und meine hellblaue Hose wies jetzt einen nassen Fleck, direkt zwischen meinen Beinen auf.

„Verdammt Brooke! Pass doch auf!" fauchte meine Tischnachbarin Thalia – ja DIE Thalia, die auf die Milo stand und mit der er ausging.

Ich spürte wie mir warm wurde und Hitze in meine Wangen stieg. Vor mir hörte ich Gekicher und aus dem Augenwinkel sah ich, dass Levis Kumpel mich abfällig angrinste. Haha dachte ich nur und wischte mir missmutig übers Gesicht, weil sich Spritzer darauf verteilt hatten.

Miss Scone hatte ihren Vortrag über die verschiedenen Stellungnahmen in Hinblick auf den Tod unterbrochen und sah, wie der Rest des Kurses zu mir. In ihrem Blick stand Mitleid und sie lächelte nachsichtig.

„Oh Brooke Schatz, magst du dich vielleicht auf der Toilette sauber machen gehen?" fragte sie in ihrer gutmütigen Stimme und kam mit ihren altmodischen Absatzschuhen zu mir herüber geklappert. Sie zog eine Packung Taschentücher aus einer Tasche an ihrem Kleid und reichte sie Thalia, dessen Notizen einige Tropfen des Tees abbekommen hatten.

„Sorry." Murmelte ich, als Thalia mich mit mörderischem Blick anstarrte. 

Sie sagte nichts mehr und ich stand langsam auf, bemüht niemanden anzusehen. Meine weiße Bluse klebte jetzt eher durchsichtig an meiner Haut und ich war mir ziemlich sicher, dass man meinen BH sehen konnte. Außerdem sah der Fleck auf meiner Hose verdammt aus, als hätte ich mir in die Hose gemacht.

Ohne ein weiteres Wort eilte ich aus dem Raum und als ich die Klassenzimmertüre hinter mir schloss lehnte ich mich daneben gegen die Wand und schloss einen Moment lang die Augen. Tief ein und ausatmen. Mahnte ich mich selbst. Das kann jedem mal passieren, wirklich jedem... auch wenn die meisten nicht so ein Pech hatten, wie ich.

Gerade als ich mich zusammenraffen und Richtung Waschräume gehen wollte, öffnete sich die Türe neben mir und sofort stellte ich mich aufrechter hin und wischte mir kurz übers Gesicht, um den bemitleidenswerten Ausdruck in meinem Gesicht zu verbergen. Das war zumindest etwas, dass ich wirklich beherrschte.

Ich starrte die Person an, die gerade aus dem Raum gekommen war. Und es war ausgerechnet Levi.

Er blieb stehen und sah mich an, den Blick unergründlich und kalt.

Oh Gott, vielleicht wollte er mich wegen des Starrens ansprechen...

„Ich hab dich nicht angestarrt weißt du." Sprudelte es aus mir hinaus, ehe ich es mir anders überlegen konnte.

Er runzelte die Stirn und schnaubte abfällig. 

Ich wurde rot und plapperte einfach weiter. „Ich meine, ich habe mich nur gestreckt. Du siehst zwar gut aus und so, aber ich bin keine von diesen Mädchen, die irgendwelche Jungs angaffen."

Konnte es eigentlich noch schlimmer werden?

Levi ließ seinen Blick über meinen Körper gleiten, wie vor zwei Tagen auf dem Flur und ich verschränkte automatisch die Arme vor der durchsichtigen Bluse, aber dennoch klebte sie an meinem Bauch und gab den Blick frei auf meine nackte Haut. Und sein Blick blieb tatsächlich länger dort hängen als nötig gewesen wäre.

Als er wieder in mein Gesicht sah, war ein spielerischer Ausdruck auf sein eigenes getreten und hatte der Kälte Platz gemacht.

„Für mich hat es ziemlich gewirkt, als hättest du mich angestarrt." Gab er gelassen zurück. „Erst das auf dem Gang letztens und jetzt das? Was soll ich denn da denken Snowwhite?"

Mein Mund klappte auf und ich wusste nicht was ich sagen sollte. „Ich..." stammelte ich. Warum hatte ich das Gefühl, als würde Levi Randall gerade mit mir flirten?

Völlig perplex starrte ich ihn erneut wieder nur an.

„Ich glaube du wolltest zu den Toiletten." Erinnerte er mich spöttisch und sein Blick wanderte erneut zu meinem Bauch.

Ich nickte und drehte mich um, Richtung Waschräume, ohne etwas zu sagen, aber dann fiel mir doch noch etwas ein. 

Ich bleib stehen und wandte mich ihm wieder zu. Er lehnte an der Wand, sein Handy in der Hand und starrte konzentriert darauf.

Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen. „Also eigentlich warst DU ja gerade derjenige, der seine Augen nicht von MIR nehmen konnte." Sagte ich mir mehr Selbstvertrauen, als ich mir selber zugetraut hätte.

Bevor ich wegging, bemerkte ich noch das flüchtige Lächeln, das über Levis Gesicht zuckte.


SnowwhiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt