Teil 27 - Levis Sicht

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*Levis Sicht*

Sie wollte unbedingt wissen, warum ich sie Snowwhite nannte. Vielleicht hätte ich ihr auch gerne eine Antwort gegeben, aber es gab keine. Jedenfalls hatte ich selbst keine dafür.

Als sie mich vor knapp zwei Wochen auf dem Schulflur angetippt und ich mich zu ihr umgedreht hatte, war es einfach ein Impuls gewesen, sie so zu nennen. Ich habe sie angesehen. Die schwarzen welligen Haare und die eisblauen Augen betrachtet. Ihre blasse Haut und die rosigen Lippen. Und dann hatte ich diesen Namen im Kopf.

Außerdem war Schneewittchen das Lieblingsmärchen meiner kleinen Schwester. Mercy liebte Märchen und Disneyfilme und von allen war Schneewittchen ihr liebstes. 

Zuvor auf dem Flur hatte ich meinem Bedürfnis, sie Snowwhite zu nennen einfach nachgegeben. Ich hatte nicht darüber nachgedacht, schließlich war Brooke ja nur eines von hunderten Mädchen an meiner Schule und auf den ersten Blick schien sie nicht einmal herausstechend hübsch. Damals hatte ich ihr nicht sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt, aber dennoch hatten ihre grau-blauen Augen bereits dort verlockend auf mich gewirkt. Irgendwie traurig und glücklich zugleich. Je mehr ich sie kennenlernte, desto interessanter und attraktiver wirkte sie auf mich.

Nach diesem Tag, war sie mir öfters aufgefallen. Auf dem Flur oder dem Parkplatz. Im Unterricht.

Sie hatte eine seltsame Wirkung auf mich und ich war erpicht darauf, herauszufinden, warum.

Das wir in Philosophie in eine Gruppe eingeteilt wurden, kam für mich ziemlich gelegen, aber ich hatte mir mehr aus dieser Arbeit erhofft. 

Und jetzt würde sie mir Nachhilfe geben. Und aus irgendeinem Grund freute es mich. Das war seltsam. Ich kannte sie ja nicht einmal richtig. Dennoch fühlte es sich richtig an. Natürlich war mir klar, dass sie mich nicht leiden konnte, aber es war mir egal. Ich war davon überzeugt, dass sie nur einen Schubser brauchte, um zu erkennen, dass ich nicht nur der oberflächliche Kerl aus der Schule war. 

Außerdem hatte mich bisher immer jeder gemocht. Es war eine wunderbare Herausforderung Brooke dazu zu bringen es ebenfalls zu tun und außerdem hatte ich das Gefühl bereits Fortschritte gemacht zu haben.

Denn als ich ihr einen Seitenblick zuwarf, bemerkte ich dass sie lächelte während sie aus dem Fenster sah.

Zu schade, dass wir bereits bei der Adresse angekommen waren, die sie mir genannt hatte. 

Es war ein schlechtes Viertel. Obwohl Brokenhills eine kleine Stadt war, hielt sich in dieser Gegend die Kriminalitätsrate doch hoch. Ich hatte nicht gewusst, dass sie hier wohnte. Woher auch? Aber das Wissen, sie hier in dieser heruntergekommenen Gegen zurücklassen zu müssen, bereitete mir ein unwohles Gefühl.

Am liebsten hätte ich den Motor wieder gestartet und ihr angeboten mit zu mir zu kommen, aber sie schien sich so bereits schon zu schämen und ich wollte es ihr nicht noch schwerer machen. Außerdem hatte sie die Beifahrertüre schon geöffnet und war halb aus dem Wagen gestiegen.

„Soll ich dich noch reinbringen?" fragte ich aus einem inneren Impuls heraus.

Vielleicht hoffte etwas in mir, dass sie ja sagen würde, denn als Snow den Kopf schüttelte war ich ein wenig enttäuscht, aber ich versuchte es zu überspielen und schlug einen lockeren Tonfall an. „Okay, dann sieht man sich. Ich schreibe dir wegen der Nachhilfe."

Sie nickte wieder nur stumm und schlug dann die Autotür hinter sich zu.

Ich folgte ihr mit dem Blick, bis sie vor dem klotzigen Backsteingebäude stand. Es sah ziemlich heruntergekommen aus. Der Putz war bereits fast komplett abgeblättert und die Gardinen in den Fenstern waren entweder zerfleddert oder stark vergilbt. Jedenfalls soweit ich das in der Dunkelheit erkennen konnte. 

Ich löste meinen Blick von Brooke, als sie vor der Türe stehen blieb und begann in ihrer Tasche zu kramen. 

Dann griff ich nach meinem Handy in der Mittelkonsole und entsperrte es. Ich öffnete meinen Chat mit ihr und tippte eine Nachricht. Nachdem ich auf Senden geklickt hatte, hob ich wieder den Blick und sah zu ihr. 

Snows Gesicht wurde nur von dem Licht ihres Displays erhellt, dass sie aus der Tasche gezogen hatte. Die Leuchte über ihr flackerte nur ganz schwach.

Sie schien sich die Nachricht mehrmals durchzulesen, denn es dauerte, bis sie ihren Blick zu mir anhob. Sie sah zwar nur unbestimmt in die Richtung meines Autos, aber dennoch hatte ich das Gefühl, sie könnte mich sehen. Als würde sie nicht den Levi sehen, den sie sonst sah, sondern den wahren Levi. Den Levi, den ich vor jedem außer meiner Familie und meinen Freunden versteckte.

Irgendwann löste sie den Blick wieder von mir und schloss die Türe auf. Erst als sie im Haus verschwunden war, fiel mir auf, dass ich angefangen hatte zu lächeln.

Snow war etwas Besonderes. Ich wusste nicht, was es war, aber sie war anders und das gefiel mir. 

„Da ist wohl jemand verliieebt!" lallte plötzlich eine tiefe Stimme dicht an meinem Ohr. 

Unwillkürlich zuckte ich zusammen und drehte mich um.

Sawyer schlief nicht mehr und hatte sich unbemerkt vorgebeugt. Er stützte seinen Kopf auf die Lehne des Beifahrersitzes und grinste mich schief an.

Ich schüttelte nur den Kopf und kniff die Augen zusammen. „Laber keinen Scheiß, Mann." 
Widersprach ich. „Du weißt genau, was der Grund dafür war, dass ich sie mitnehmen wollte."

„Wegen Mercy." Saw presste die Lippen aufeinander und nickte ernst, was lustig aussah, weil er dabei schielte. 

Sawyer betrunken zu erleben, war jedes Mal furchtbar anstrengend, aber auch unheimlich amüsant.

„Genau. Ich muss wissen, ob ich ihr vertrauen kann." Bestätigte ich.

Mein Kumpel beugte sich weiter zu mir vor. „Uuuunnndd?" hakte er nach.

Ich hob die Schultern „Ich denke sie ist in Ordnung."

triumphierend reckte er eine Faust in die Luft. „Ich wusste, dass ich nicht der Einzige bin, der sie großartig findet!" 

Ich lachte „Vielleicht gibt sie dir auch Nachhilfe, wenn du sie fragst." Sagte ich spaßeshalber, aber eigentlich wollte ich nicht, dass er das tat. Und das schien Saw selbst auch zu wissen, denn er schielte mich mit anzüglichem Grinsen an.

„Keine Sorge Bro. Sie gehört dir." Das Zwinkern, dass er hinter seine Worte setzte veranlasste mich dazu, ihm gegen die Schulter zu boxen.

„Schnall dich an du Idiot." Knurrte ich nur.

Ein Murren kam zur Antwort ehe er sich zurücklehnte und meinem Befehl gehorchte.

Noch als ich den Motor startete, wanderte mein Blick noch einmal an der Fassade des Gebäudes hoch, in dem Snow verschwunden war. Genau in diesem Moment ging im neunten Stock ein Licht an und eine Silhouette zeichnete sich dort ab.

Mein Blick blieb an dem Fenster hängen und erst als Saw sich von hinten vernehmbar räusperte riss ich meinen Blick los und fuhr die Straße entlang, zurück ins Herzstück von Brokenhills.

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Wie fandet ihr das Kapitrl aus Levis Sicht? Soll ich davon noch weitere Schreiben oder eher nicht?

SnowwhiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt