19. Tian (Die Wand zwischen uns)

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Tim

Seit 3 Tagen liege ich hier. Hier bedeutet Krankenhaus. Ich hatte einen mentalen Zusammenbruch und bin die Treppe runtergeflogen. Zum Glück war meine Mutter da und hat den Krankenwagen gerufen. Der Arzt sagt, dass ich mich noch 2 Tage schonen muss, ehe ich wieder nach Hause darf. Mama ist gerade gegangen, da sie noch einen Termin hat, weshalb es ziemlich still ist.

Plötzlich höre ich wie nebenan ein Bett ins Zimmer geschoben wird. Die Wände sind hier ziemlich dünn, weshalb ich jedes Wort, dass nebenan gesagt wird, verstehe.

„Der Anfall ist ziemlich stark gewesen! Ich würde ihn gerne zur Beobachtung hier behalten. Bringen Sie bitte die nötigen Medikamente her. Oh, Herr Zimmermann. Sie sind aufgewacht. Wie geht es Ihnen?“, fragt der Arzt gerade.

Es ist also ein Mann der eingeliefert wurde. Der Name Zimmermann kommt mir seltsam bekannt vor. Es kann sein, dass meine Mum den Namen mal erwähnt hat.

„Den Umständen entsprechend – Du Arschloch! –“, antwortet eine sehr leise Stimme gefolgt von einem lauten Schrei.

Hat der Typ gerade ernsthaft den Arzt beleidigt? Was denkt der sich?

„OK. Ich würde Sie zur Sicherheit hier lassen für 1 oder 2 Tage. Ist das für Sie in Ordnung?“, fragt der Arzt ohne auf die Beleidigung einzugehen.

Wieso macht das dem Arzt nichts aus? Bin ich gerade einfach zu dumm, um das zu verstehen?

Ich höre wie drüben die Tür ins Schloss fällt und sehe wie eine Minute später die Tür bei mir aufgeht. Der Arzt tritt ein und läuft auf mein Bett zu. „Wie geht es Ihnen, Herr Lehmann?“, fragt er mich. Ich seufze und antworte: „Besser als gestern.“ Mein Gegenüber schmunzelt leicht über meine Reaktion, da er weiß das ich Krankenhäuser hasse. Versteht das nicht falsch, ich möchte Rettungssanitäter werden, aber selbst im Krankenhaus zu liegen ist scheiße!

„Das ist sehr schön. Sie machen gute Fortschritte.“, lächelt der Arzt, schreibt etwas auf und wendet sich danach wieder dem gehen zu. Ich will den Mund aufmachen, um ihn nach dem Patienten nebenan zu fragen, überlege es mir aber doch anders. Wenn ich ihn hören kann, kann er mich auch hören.

Mittlerweile ist Abend. Ok, eigentlich ist es mitten in der Nacht. Ich kann nicht schlafen, da der Typ nebenan die ganze Zeit irgendwelche Beleidigungen und sinnlose Sätze rumbrüllt. Kann der nicht endlich leise sein?!

Ich schlage wütend an die Wand hinter mir, da ich extrem müde bin. Kurz ist es still bis ich ein leises, zaghaftes klopfen höre. Hat dieser Typ gerade allen ernstes zurück geklopft? „ – Klopf klopf, wer ist da? Die Gisela ist es nicht! –“, schreit er auch schon wieder los.

Wütend schlage ich die Decke zurück, reiße mir die Infusion aus der Hand und laufe mit wackeligen Beinen zur Tür. Oha. Ich hätte nicht so schnell aufstehen sollen. Trotzdem reiße ich die Tür auf und laufe die drei Meter zu der Tür nebenan, nur um diese aufzureißen.

„Sagen Sie mal, was soll dieser Krach? Ich will verdammt nochmal schlafen und nicht Ihrem albernen Geschrei-“, schreie ich los, unterbrechen mich allerdings, als ich den Mann genauer musterte. Wir sind in etwa gleich groß. Er hat ebenfalls dunkle Haare und eine leicht gebräunt Haut. Seine Augenfarbe kann ich nicht erkennen, allerdings sehe ich seine Gesichtszüge, die sich so versorgen haben, dass er ängstlich und verschreckt aussieht. Das ist er wahrscheinlich auch. Immerhin bin ich quasi mit der Tür ins Zimmer gefallen.

„S-sorry. I-ich kann n-nichts dafür.“, stottert der Mann ängstlich. „Aber du schreibst hier doch die ganze Zeit rum.“, unterbrechen ich ihn, nun allerdings in einer normalen Lautstärke. „Ich habe Tourette!“, sagt er sofort.

„Tourette? Mit Koprolalie, oder?“, frage ich nach. Ein ehemaliger Klassenkamerad hat Tourette. Ich saß neben ihm, weshalb mein Buch oder meine Federtasche öfters Mal auf dem Boden landete. Daraufhin habe ich mit dem Syndrom beschäftigt und recherchiert.

Gewitter im Kopf - OSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt