67. Kapitel

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Zappelnd und unruhig hockte Aaron neben mir im Englisch Kurs. In zehn Minuten würden wir uns dann auf den Weg ins Krankenhaus machen.

Unter dem Tisch griff ich sanft nach seiner verkrampften Hand und streichelte mit meinem Daumen seinen rechten Handrücken. Dankbar und gleichzeitig verzweifelt sah er mich an und drückte hilfesuchend meine Hand etwas fester.

"Ich halte es gleich nicht mehr aus", flüsterte er mir nervös zu.

"Nur noch ein bisschen. Noch fünf Minuten, dann können wir schon unsere Schulsachen zusammen packen."

"Das schaff ich nicht", kam es entschlossen von ihm.

Eilig packte er seine Sachen zusammen und stand dann einfach auf. Stur ging er durch das Klassenzimmer, am Lehrer vorbei und aus der Türe raus.

Verdutzt und böse sah ihn der Lehrer an und ich dackelte ihm einfach eilig nach. Mit einem kurzen:"Sorry", lief ich zügig am Lehrer vorbei und rannte im Flur dann Aaron nach.

Überrascht sah er mich an.

"Du hättest sitzen bleiben sollen. Du kriegst noch Ärger, geh lieber wieder zurück."
"Vergiss es. Du hast mich gestern darum gebeten mitzukommen. Also mach ich das jetzt auch. Na komm", meinte ich und griff nach seiner Hand.

Ich fing an zu laufen und zog Aaron schmunzelnd hinter mir her, bis er mich einholte und wir vor seinem Auto zum Stehen kamen.

Aufgeregt versuchte er seinen Schlüssel im Zündschloss hinein zu stecken, was allerdings nicht so gut klappte. Gerade als ich ihm dann anbieten wollte, ob ich lieber für ihn fahren sollte, fragte er mich schon.

"Ich kann gerade nicht fahren. Kannst du?"

Ich nickte und schnell tauschten wir die Plätze. Anfangs war es immer ein bisschen ungewohnt mit so einem Auto zu fahren, aber nach der Zeit gewöhnte man sich ganz gut daran.

Leicht schief parkte ich vor dem Krankenhaus auf einem gepflasterten Parkplatz und stieg wieder aus.

Aaron's Gesicht war mittlerweile kreidebleich geworden und ich hatte schon Angst, dass er jeden Moment umfliegen würde.

"Komm her", meinte ich noch und zog ihn in meine Arme. Sofort nahm er mein Angebot für eine Umarmung an und drückte fest meinen Oberkörper. Ich spürte wie sein ganzer Körper zitterte und ich strich ihm sanft seinen Rücken auf und ab.

"Ich bin bei dir. Alles wird gut."

"Danke", hauchte er in meinen Nacken.

Als wir uns voneinander lösten, waren seine Wimpern ganz nass und ich gab ihm einen zärtlichen Kuss.

"Ich liebe dich."

"Ich liebe dich auch, Sky."

Lächelnd sah ich ihn dann an und nach einem weiteren Kuss, gingen wir dann ins Gebäude.

Wir wanderten auf das Krankenzimmer von seinem Vater zu und klopften vorsichtig an. Aaron's Mom hockte schlafend neben dem Bett von seinem Vater und hielt seine Hand.

Aaron ging vorsichtig auf sie zu und rieb seine Hand über ihren Rücken, um sie zu wecken. Verwirrt hob sie ihren Kopf an und sah ihren Sohn an. "War der neue Arzt schon da?" Sie schüttelte nur seufzend den Kopf und rieb sich ihre Augen wach.

Sein Vater war mittlerweile gar nicht mehr ansprechbar und konnte auch schon nicht mehr laufen. Ich war total überfordert mit der Situation. Ich wusste einfach nicht was er hatte oder ob er wirklich in die Psychiatrie sollte. Nur warum alles so schlagartig? Konnte man den von einem auf den anderen Tag psychisch krank werden?

"Wo ist Oktavia?", fragte dann Aaron, seine Tante Lina, welche gerade aus dem Badezimmer kam. "Bei Oma. Wir müssen erstmal schauen, was jetzt die Ergebnisse sind, dann können wir weiterschauen, wie wir es ihr sagen."

Aaron nickte verstehend und seine Augen suchten hilflos nach meinen. Ohne ein weiteres Wort kam er zu mir und nahm meine Hände in seine.

"Willst du solange etwas spazieren gehen?", fragte ich ihn dann.

Doch dann kam schon der Arzt zu uns ins Zimmer und meine Frage war nun definitiv uninteressant geworden. Unbewusst drückte Aaron meine Hand jetzt noch fester, bis es schon schmerzte. Doch das war mir egal. Er brauchte jetzt eine Stütze, an der er sich festhalten konnte.

Der Arzt warf uns allen einen mitfühlenden Blick zu und nun setzte sogar mein Herz aus.

"Ich weiss ihr musstet lange darauf warten, aber jetzt sind die Ergebnisse da und meine Vermutung hat sich bestätigt", fing der Arzt an.

"Sagen Sie es schon", kam es kratzig von der Frau des Patienten.

"Setzen Sie sich doch", forderte uns der Arzt auf. Aaron schnappte sich eilig einen Stuhl und zog mich schnell zu sich auf den Schoß. Ich verschränkte unsere Finger wieder miteinander und drückte ihm einen Kuss auf eine seiner Handrücken drauf.

"Ich habe eine Erklärung für Sie. Ich glaube, dass seine rechte Gehirnhälfte gravierend geschädigt und entzündet ist. Ein Defekt im Gehirn. Wenn eine Gehirnhälfte nicht funktioniert, dann wird die visuelle Wahrnehmung einseitig. Was Paul mit einigen praktischen Tests bestätigt hat. Das heißt wir können Schizophrenie oder eine bipolare Störung ausschließen. Das heißt, was verursacht diese Entzündung? Nach seiner Operation, als wir ihm ein kleines Stück vom Gehirn entnehmen konnten, wussten wir dann mehr. Das Ergebnis hat dann eindeutig gezeigt, dass es Antikörper gegen den NMDA-Rezeptor gibt."

"Was ist das? Dieser MDA-Rezeptor?", fragte Aaron gleich.

"Das ist eine Autoimmunkrankheit bei der Antikörper sehr wichtige Rezeptoren im Gehirn gezielt angreifen"

"Und das bedeutet jetzt?", fragte Lina nach.

"Um es ganz einfach zu erklären", setzte der Arzt an.

"Paul's Gehirn brennt."

Meinung zum Kapitel?

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Was haltet ihr von der Krankheit von Aaron's Dad?

Übrigens habe ich mich gestern sehr über die vielen Kommentare im letzten Kapitel gefreut:)

Bei silent souls hab ich jetzt auch schon wieder ein neues Kapitel angefangen zu schreiben, da wird wahrscheinlich auch demnächst was kommen^^

Eure
Melli♡

AaronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt