2

530 34 5
                                    

Ich lehnte meinen Kopf gegen die kühle Glasscheibe.

Seit einer gefühlten Ewigkeit saß ich in diesem verfluchten Auto und fuhr meiner persönlichen Hölle entgegen.

Seit einer halben Stunde hatte ich kein Netz mehr, was mir eindeutig zeigte, dass wir unserem Ziel näher kamen.
In den zwei Wochen, in denen ich nun schon von dem Umzug wusste, hatte sich meine Einstellung nicht unbedingt gebessert. Eher hasste ich dieses verdammte Dorf noch mehr.

Als ich Manu davon erzählt hatte, hatte er das Dorf erstmal gegoogelt und wir hatten eine Ewigkeit gebraucht, um dieses Kaff überhaupt zu finden.

Wir konnten erst garnicht glauben, dass diese kleine Häuseransammlung sich Dorf schimpfen durfte. Es waren vielleicht fünfzehn Häuser, deren Dächer allesamt ziemlich bemoost aussahen. Eine Landstraße führte in ein noch kleineres Dorf, und von da gab es einen Abzweig, der zu einem Dorf bestehend aus vier Häusern führte. Inzwischen war ich schon froh, dass wir nicht DA hin zogen.

Der nächste größere Ort war mit dem Auto zwanzig Minuten weit weg. Zu Fuß - das meinte zumindest Google Maps - konnte es locker ein paar Stunden dauern. Ja, Manu und ich hatten sehr viel Zeit auf Maps verbracht. Was Manu dazu sagte? Er meinte, dass ich froh drüber sein sollte, dass das Dorf selbst für eine Kirche zu klein war, da sie mich sonst wohl wahrscheinlich verbrannt hätten.

Idiot.

„Sieh mal Schatz, wie schön!", meinte Mama zufrieden und zeigte nach draußen.

Ich stöhnte genervt: „Ja Mama, toll. Bäume"

Frank war schon letzte Woche vorgefahren, um alles vorzubereiten.

Eigentlich wollte sie ja schon mit ihm herkommen (natürlich ohne mich vorher zu fragen), aber nach einem riesigen Streit, gab sie mir noch eine Woche. In dieser ersten Ferienwoche hatte ich hauptsächlich mit Manu in seinem Zimmer gehockt und über Dorfmenschen und meine Eltern gelästert. Am Abend waren wir dann entweder feiern gewesen oder bei Carlos, der in seiner Wohnung Gras anbaute.

Im Grunde hatten wir einfach das getan, was ich in Zukunft nicht mehr machen könnte, oder zumindest nur noch, wenn ich Manu besuchte. Wir hatten uns nämlich versprochen, uns so oft es eben ging zu besuchen.

Also begann die zweite Woche der Sommerferien mit einer unglaublich langen Fahrt in Richtung Ende der Welt. So langsam wurde ich echt melodramatisch. Aber mögen mich doch die Höllenfeuer verschlingen!

„Wie lange dauerts noch?", fragte ich genervt. Meine Bluetooth-Kopfhörer hatten schon nach kurzer Zeit den Geist aufgegeben, da ich vergessen hatte, sie aufzuladen. Mein Handy lief auch nur noch auf den letzen Prozent.

CandyCrush wirkte sich nicht besonders gut auf meinen Akku aus.

„Vielleicht noch ein paar Minuten. Dürfte nicht mehr lange dauern", meinte Mama zufrieden und drehte das Radio lauter.

Country Roads.

Ernsthaft? Wollte mich das verfickte Universum eigentlich komplett verarschen? Ich hatte ausnahmsweise mal Lust auf ACDC. Highway to Hell wäre passend.

Mama bremste auf Schritttempo ab und ich sah mich um. Wieder so ein Trecker?

Nein. Ich musste tatsächlich zwei Mal hinsehen. Ein kleines dreckig braunes Pony trottete an uns vorbei. Es zog eine wirklich abenteuerliche Konstruktion hinter sich her, auf der ein Mädchen in einer riesengroßen dreckigen Jacke saß. Sie nickte uns dankbar lächelnd zu und trieb das zottige Pony mit einem kleinen Stock an.

Ich sagte: „Ich wusste ja, dass die hier zurückgeblieben sind, aber dass deren Entwicklung im Mittelalter stehen geblieben ist..."

„Ach komm, die sah doch ganz nett aus. Vielleicht wohnt sie hier ja und ihr werdet Freundinnen", meinte meine Mutter glücklich.

Ich verdrehte die Augen: „Die sieht aus wie dreizehn und außerdem: Nein"

„Sei doch nicht immer so negativ", wies Mama mich zurecht.

„Ich bin nur realistisch"

Mama lachte nur über meine schlechte Laune.

„Siehst du da hinten die Häuser?", fragte sie mich dann.

Ich stöhnte: „Ich bin nicht blind"

„Da ist es"

Mir wurde beinahe schlecht. Ich bekam einen Kloß im Hals. Ich hatte gewusst, was da auf mich zukam, aber es jetzt zu sehen, war nochmal schlimmer.

...

Ich holte Quinn aus dem Kofferraum.

Sie kläffte mich fröhlich mit dem Schwanz wedelnd an und sprang um mich herum, ehe sie neugierig umherlief und sich die Gegend ansah.

Der Garten sah ziemlich trostlos aus mit den verwelkten Blumen und der löchrigen Hecke. Der Rasen war etwas mehr bräunlich als grün.

So sah also mein neues Leben aus. Zumindest für die nächsten Jahre.

„Geh doch mal mit Quinn Gassi. Sie muss bestimmt mal", forderte Mama mich auf, während sie Frank umarmte und ich schnappte mir ein paar Tüten aus dem Handschuhfach.

Die hatten wir dort schon gelagert, bevor wir überhaupt einen Hund holten. Einfach nur zur Vorbereitung.

„Quinnie, komm, komm, komm!", rief ich und sofort kam der kleine Wirbel auf mich zu und sprang kläffend an mir hoch.

Während ich auf die Menschenleere Straße ging, tollte sie um mich herum.

Sie freute sich wohl ziemlich darüber hier zu sein - ganz im Gegensatz zu mir.

Von irgendwo hörte ich ein lautes Brummen und es roch nach Mist. Also nach Scheiße... Hammer.

Von heteronormativer Hölle und einem Ziegenmädchen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt