55

351 29 2
                                    

„Du kannst auch echt noch ein wenig hier bleiben", versuchte ich Luise zu überreden, die grade verträumt durch meine Haare strich.

Sie zuckte leicht mit den Achseln: „Irgendwann muss ich eh wieder nach Hause"

„Du musst nicht, wenn du nicht willst", meinte ich und sah zu ihr auf. Mit meinem Kopf auf ihrem Schoß gammelten wir seit dem Frühstück im Bett rum.

Ganz abgesehen davon, dass es wirklich sehr angenehm war, Luise bei mir zu haben, wollte ich auch einfach nicht, dass ihr wieder was passierte. Sie spielte es zwar runter und meinte, dass sowas eine absolute Ausnahme wäre und ihr Vater das ja garnicht gewollt hätte, aber dennoch war es passiert und es konnte wieder passieren.

„Doch muss ich", meinte sie sanft „Ich muss wieder zu meinen Pferdchen und ich muss Ben packen helfen"

Ich seufzte. Müssen, müssen, müssen. So ein Dreck.

Träge grabbelte ich auf meinem Nachttisch nach dem Buch und hielt es ihr vor die Nase: „Hier"

Ohne dem auch nur eines Blickes zu würdigen, meinte sie entschuldigend: „Ich les nicht so gerne"

„Schande!", meinte ich entsetzt „Dann wirds höchste Zeit das zu ändern! Das musst du lesen!"

Wieder wedelte ich mit dem Buch vor ihrer Nase rum.

Seufzend nahm sie es mir schließlich doch aus der Hand und las skeptisch den Titel vor: „Einen Scheiß muss ich?"

Ich nickte: „Die Antwort auf alle Fragen im Leben"

„Wenn du meinst", schnaubte sie belustigt „Dann muss ich das Buch auch nicht lesen"

Hexe.

Auf meinen absoluten Todesblick hin, küsste sie mich nur kurz. Hatte ich schonmal erwähnt, dass ich die Ernstnahme meines Hasses forderte?

„Jetzt küss mich wenigstens richtig, wenn du schon meine Bücher nicht magst!", jammerte ich und angelte nach ihrem Gesicht.
Lachend beugte sie sich wieder zu mir runter.

In dem Moment, als unsere Lippen eigentlich aufeinander treffen sollten, rief meine Mutter von unten: „Mila!"

Ein Nachteil an einem Haus: Es musste sehr viel lauter und nerviger Geschrien werden, um jemanden zu erreichen.

Ich ließ den Kopf genervt nach hinten sacken: „Jaha!"

„Frank und ich wollen einkaufen! Braucht ihr noch was?", schallte es durchs ganze Haus.

Hätte sie mir nicht einfach eine Whatsapp schreiben können?

Anscheinend nicht.

Fragend sah ich zu Luise. Die schüttelte den Kopf.

„Nein!", brüllte ich zurück. Zu Lu meinte ich: „Alter, geht die mir manchmal auf den Sack"

Sie lächelte schüchtern: „Ich find deine Mutter nett"

„Du findest alle nett", murrte ich, was sie nur kurz zum Lachen brachte.

Wohlig seufzend machte ich es mir wieder gemütlich. Von mir aus könnten wir auch einfach so bleiben.

Lu krauelte zwar weiter abwesend durch meine Haare, meinte aber trotzdem: „Ich sollte langsam echt wieder nach Hause gehen"

Ich stöhnte genervt. Ich konnte sie echt nicht davon abbringen.

„Wenn du meinst"

Belustigt fragte sie: „Soll ich dich jetzt richtig küssen?"

Dramatisch fasste ich mir an die Brust und setzte mich ein wenig auf: „Ich bitte darum"

Von heteronormativer Hölle und einem Ziegenmädchen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt