„Wo ist eigentlich Tobi?", fragte Anni und stellte eine Schüssel wirklich sehr fettig aussehenden Nudelsalat auf den Klapptisch, auf dem sich schon jede Menge Brot, Saucen und Käsewürfelchen stapelten.
Ich zuckte mit den Achseln: „Keine Ahnung, vorhin war er noch da"
Das gesamte Camp roch wie ein riesiger Grill und ungefähr jedes zweite Kind hatte schon jetzt Ketchup im Mundwinkel.
Warum eigentlich? Wir hatten noch nicht einmal wirklich angefangen.
Die Antwort auf diese Frage kam uns in Form von Ben entgegen, der begeistert Ketchup auf ein Stück Brot kippte und es dann freundlich Luise anbot. Natürlich nahm sie ebenso begeistert an und hatte direkt den ersten Fleck auf ihrem Shirt.
Ich wusste, dass meine Gedanken sich zu oft wiederholten, aber die hatten hier wirklich alle einen gewaltigen Knall.
„Keine Ahnung, wo der so lange bleibt. Er wollte glaub ich eigentlich nur kurz Kim abholen", schmatzte Luise und versuchte, mit ihren beschmierten Händen möglichst nichts anzufassen.
Ich schnappte mir eine der auf dem Tisch liegenden Küchenrollen und gab ihr ein Tuch. War ja nicht mit anzusehen.
Sie schenkte mir ein dankbares Lächeln.Anni stöhnte genervt: „Dass ihr jetzt alle mit Kim abhängen müsst ist so nervig und warum sagt er dir das eigentlich und nicht mir?"
Um ehrlich zu sein, verstand ich auch nicht so richtig, warum ausgerechnet Tobi auf einmal so viel mit Kim machte, aber da konnte man sich doch auch einfach mal freuen.
Lu grinste: „Weil du nur wieder gelästert hättest, sobald er Kims Namen erwähnt hätte"
Anni schnaubte: „Der steht doch bestimmt nur auf dich"
„Ich glaube nicht", schaltete ich mich resolut ein. So weit kams ja noch.
„Woher willst du das denn wissen?", fragte Anni schnippisch „Ihr fahrt ja auch zusammen Motorrad"
Lu verdrehte die Augen: „Zum letzten Mal: Bei Tobi und mir ist wirklich garnichts"
„Hoff ich doch", murmelte ich in mich hinein.
„Was?", fragte Anni.
Schnell meinte ich: „Nichts"
Damit war das Gespräch beendet.
Als Marie laut rief, dass die ersten Würstchen fertig waren, marschierte Anni direkt mit Lu im Kielsog los. Die knuffte mir im vorbeigehen spielerisch gegen die Schulter. Ich wackelte anzüglich mit den Augenbrauen und folgte den beiden mit den Händen in den Taschen meiner Strickjacke.
Das war nun wohl oder übel unser Level. Kleine Gesten, die keiner sonst auch nur für ansatzweise verdächtig halten würde, uns beiden aber einen Schauer über den Rücken jagten.
Immerhin ein Vorteil daran, mit zwei X-Chromosomen geboren worden zu sein. Ein anderes Mädchen zu umarmen oder anzufassen war vollkommen okay und niemand würde direkt von einer Beziehung ausgehen, während ein Typ direkt als schwul abgestempelt werden würde.
Die Welt war schon verrückt.
Aber ausnahmsweise mal zu meinem Vorteil.
Eine beinahe komplett schwarze Wurst landete auf dem Pappteller, den Lu mir eben in die Hand gedrückt hatte.
„Guten Appetit", meinte ein Junge in Annis Alter stolz und verteilte weiter die schwarzen Klümpchen.
Skeptisch schnappte ich mir noch ein Brot und setzte mich auf meine Strickjacke zu Anni und Lu, die sich auf der Wiese ein Plätzchen gesucht hatten.
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Von heteronormativer Hölle und einem Ziegenmädchen
Teen FictionMila hat keine Lust. Keine Lust auf schlechtes Internet. Keine Lust auf ihre Mutter und ihren Ökotrip. Keine Lust auf nervige Dorfkinder und erst recht keine Lust auf das verdammte Dreckskaff, in das ihre Mutter sie verschleppen will. Es ist wortwö...