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Träge lag ich auf einem uralten Holzliegestuhl, den ich in dem kleinen Schuppen hinterm Haus gefunden hatte und ließ die Sonne auf mich runterbrennen. Hier draußen war es zwar schon abnormal warm, aber das Haus hatte sich in eine Art Sauna verwandelt. Hier konnte man immerhin noch auf einen kühlen Luftzug hoffen - auch wenn es eigentlich hoffnungslos war.
Schatten gab es auch kaum. Darum hatten die Menschen große Häuser, Klimaanlagen und Dächer erfunden: für Schatten und Kälte, aber das war - wie so vieles - noch nicht bis zur Landbevölkerung durchgedrungen.
Eigentlich wollte ich hier Youtube schauen, aber der WLAN Empfang reichte nicht his in den Garten und ich würde mich nicht freiwillig zurück in diese höllische Sauna von einem Haus bewegen.
Am Gartenzaun hockte meine Mutter und grub ein Loch. Keine Ahnung warum oder wieso, sie grub einfach ein Loch. Vielleicht einen Meter groß. Manmanman, hatte die an ihrem freien Tag nichts besseres zu tun?
Müde schloss ich die Augen, doch trotzdem war die Sonne viel zu hell.
Das Klappern von Hufen auf dem Asphalt hörte ich erst spät, doch es störte mich auch nicht.
Erst als ich ein fröhliches „Hey", hörte, öffnete ich meine Augen.
Und wer saß da auf dem großen hellbraunen Pferd? Luise. Natürlich war es Luise, sonst kam ja keiner auf die Idee mit einem Pferd durch die Gegend zu reiten. Dafür gab es schließlich Autos und Fahrräder und... Füße oder so. Und das auch noch bei der Hitze!
„Na", begrüßte ich sie und setzte mich auf.
Meine Mutter sah interessiert von ihrem Loch auf, sagte aber noch nichts.
„Ist viel zu heiß, oder?", fragte Luise und wischte sich über die Stirn. Das Pferd schien das genauso zu sehen, denn es schwitzte ziemlich.
„Jap, ich will sterben", seufzte ich und kam zum Zaun. Meine Mutter stellte sich ungefragt zu mir. Man warum musste sie immer so peinlich sein?
Genauso ungefragt stellte Lu sich vor: „Guten Tag, ich bin Luise!"
Mein Mutter lächelte und stellte sich auch vor. Dann fragte sie: „Und das Pferd?"
„Das ist Rosi", meinte Luise lachend.
„Das ist aber ein schöner Name", sagte meine Mutter verwundert. Luise grinste nur, ehe sie sich wieder mir zuwandte: „Also warum ich eigentlich hier bin: Hannes meinte, er würde mich und Anni morgen mit nach Kükensbrück nehmen und ich wollte fragen, ob du vielleicht mit willst"
„Und was kann man da so machen?", fragte ich. Soweit ich das verstanden hatte, war auch Kükensbrück nicht wirklich eine Welthauptstadt und ob ich so wirklich Lust hatte durch ein genauso kleines Dorf zu latschen, wusste ich auch nicht.
„Also da gibts ne Eisdiele und den Imbiss, ist zwar auch nicht so groß, aber irgendwas kann man immer machen", sagte sie achselzuckend. Noch bevor ich antworten konnte, meinte meine Mutter hektisch: „Mila würde sich riesig freuen!"
Wie ich es hasste, wenn sie für mich antwortete, ich war alt genug, um für mich selber zu reden!
„Okay, super!", freute sich Lu „Wir holen dich dann morgen so gegen eins ab, ist das in Ordnung?"
„Ja, klar", antwortete ich.
Ein Trecker hielt mitten auf der Straße vor unserem Haus. Luise lenkte ihr Pferd auf den Seitenstreifen, um Platz zu machen.
Der Motor ging aus, die Glastür öffnete sich und ein älterer Mann streckte seinen Kopf raus.
Laut fragte er Luise: „Habt ihr eigentlich noch euren alten Düngerstreuer?"
„Ja klar", antwortete die.
„Könnt ich mir den mal ausleihen? Vaddern will seine Kuhweide wieder in Schuss bringen"
Lu überlegte kurz: „Wenn der an euren Trecker passt, klar. Musst aber nochmal Opa fragen"
„Gut, danke", meinte der alte Mann, ehe er wieder mit seinem Trecker weiterfuhr. Komischer Typ - wie alle hier.
Mama sah das wohl als Einladung, noch ein wenig weiter zu quatschen: „Und ihr habt also Landwirtschaft?"
„Ja, mein Vater hat einen Milch- und Fleischbetrieb"
Da war meine Mutter sofort Feuer und Flamme: „Also Kühe?"
Lu nickte.
„Habt ihr auch einen Hofverkauf mit frischer Milch? Das wäre so schön direkt und frisch", begeisterte sich meine Mutter.
Da fing die Blonde auf dem Pferd an zu lachen. Meine Mutter verstand wohl den Witz an der Sache nicht. Ich schon - zumindest so halb.
Meine Mutter dachte ja immernoch, dass hier alles Öko, Bio und natürlich war, weil das hier halt das Land war, aber naja, irgendwo mussten auch Billigfleisch und Milch herkommen.
Immernoch breit grinsend sagte Luise: „Ne, das geht gleich alles in die Molkerei"
„Und wie viele Kühe habt ihr?", fragte meine Mutter, die so langsam zu begreifen schien, dass es hier nicht nur fröhliche Bio-Weidekühe gab.
„Puh, ich glaub so um die 250 Milchkühe, aber so genau weiß ich das nicht. Ich bin da nicht so ganz drin", sagte Luise achselzuckend. Etwas schockiert sah meine Mutter sich um. Das fand ich dann wiederum sehr lustig. Willkommen in der abgefuckten Realität, Mama!
„Naja, ich muss dann auch wieder weiter. Ich muss noch Diedl und Monster machen", verabschiedete das Dorfmädchen sich und ritt weiter. Was auch immer das schon wieder zu bedeuten hatte.
„Bis morgen!", rief sie noch über die Schulter.

Von heteronormativer Hölle und einem Ziegenmädchen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt