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Der Rest unseres kleinen Wochenendtrips ging viel zu schnell rum.

Kaum waren wir richtig angekommen und hatten alle meine Freunde einmal gesehen, saßen Lu und ich schon wieder in der Bahn in Richtung Ferse. Beziehungsweise nach Fichtelshof, weil das das einzige Dorf in der Umgebung mit einem Bahnhof war.

Und auch das schien noch in weiter Ferne, da kein normaler Zug direkt in Fichtelshof hielt. Da musste man erst noch umsteigen. Verstehen konnte ich das schon, ich meine, wer wollte denn auch nach Fichtelshof? Oder wie Anni es letztens sehr schön formuliert hatte: „Hier willste nichtmal tot überm Zaun hängen"

Sie hatte die grandiose Fähigkeit, Sachverhalte sehr anschaulich zu beschreiben.

Luises Wange lag an der inzwischen schon fast gewohnten Stelle auf meinem Kopf, während meiner auf ihrer Schulter ruhte.

Am vorherigen Abend hatten wir noch viel zu lange mit Manu und Emmy in einem kleinen Park gesessen und gequatscht. Da waren wir auch auf die Idee gekommen, Lu wenigstens nochmal den Dom zu zeigen, damit wir uns als gute Fremdenführer bezeichnen konnten.

Also hatten wir uns viel zu früh am Montag morgen im Dom rumgetrieben. Emmy hatte sich den Arsch abgelacht, Nina, die aus irgendeinem Grund auch dabei war, hatte die ganze Zeit blöde Witze gemacht und ich hatte nach Anzeichen für den göttlichen Zorn, der uns alle unumgänglich treffen würde, gesucht, aber wenigstens Luise war begeistert gewesen. Allein dafür hatte es sich gelohnt.

Wenn ich schon nicht mit ihr alleine sein konnte, wollte ich sie wenigstens dabei beobachten, wie sie mit großen Augen ein Gebäude bestaunte, dessen Eigentümer ein sonderbarer Kult mit Hang zu Skandalen und Homophobie war.

Nichtmal wirklich geküsst hatten wir uns. Mehr als ein kleines Küsschen auf die Wange war nie drin gewesen, weil entweder Manu, seine Mutter oder ganze Massen an Menschen um uns herum gewesen waren. Es nervte mich. Jetzt war es zwar okay sie zu küssen, immerhin waren wir ein Paar, aber es gab nie einen passenden Zeitpunkt. Kein Moment Ruhe, in dem wir einfach mal Zweisamkeit genießen konnten. Selbst nachts hatten wir immer Manus Schnarchen im Ohr gehabt, während wir auf der Luftmatratze gelegen hatten.

Da war ich froh wieder nach Hause zu können.

Nicht so viele Menschen und sehr viele Orte an denen meilenweit nichts war... und vor allem: mein Bett. Mit richtiger Matratze und einer kuscheligen Decke, anstatt der dünnen Fleecedecke, die wir bei Manu bekommen hatten. Das Ding war wirklich grausam gewesen. Das entsprach mehr einer Foltermethode als einer Decke.

Dass ich mich jemals auf dieses Kaff freuen würde, hätte ich auch nie gedacht. Mein Ich von vor zwei Monaten würde mich nun schlagen - oder vor den nächsten Zug schubsen.

Mein Kissen regte sich.

Dann ein müdes Schmatzen.

„Wo sind wir?", fragte sie verschlafen und hob den Kopf an. Die Mühe machte ich mir nicht.

Weil ich absolut keine Ahnung hatte, wo wir waren, gab ich die naheliegenste Antwort: „Im Zug"

Sie gähnte: „Und wo ist der Zug?"

Scheinheilig grinsend antwortete ich: „Auf den Schienen"

„Blöde Kuh", kicherte sie und pikste mir in die Seite.

Als ich nicht demonstrativ versuchte, nicht zu reagieren, pikste sie mich wieder.

Erfolglos versuchte ich dem Schlag auszuweichen und zickte lachend: „Hör auf!"

„Soll ich aufhören?", fragte sie lachend und machte weiter. Warum mochte ich sie nochmal?

Ich versuchte eine neue Attacke abzuwehren, scheiterte aber erneut: „Ja! Das ist sexuelle Gewalt!"

Von heteronormativer Hölle und einem Ziegenmädchen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt