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Müde drehte ich mich auf die andere Seite.

Von draußen konnte ich immernoch lautes Lachen, Lallen und Musik hören. Lu war - genau wie alle anderen - rotzbesoffen und hatte mich wohl ein wenig vergessen... ganz abgesehen davon hatte ich auch nicht wirklich Interesse daran, mich mit einer Truppe Besoffkis rumzuschlagen, die mich alle am Liebsten ärgerten.

Hey Kimi, wenn ichs nicht besser wüsste, hätt ich dich fast für nen Kerl gehalten.

Auch wenn Hannes mich damit wohl eigentlich ärgern wollte, hatte er mehr oder weniger das Gegenteil bewirkt.
Ich fuhr durch meine neue Frisur.
Lu hatte ihre Aufgabe gut gemacht. Ich hatte zwar gewusst, dass meine Haare nach meinem kleinen Nervenzusammenbruch mit nachfolgendem Bastelscherenmassaker echt scheiße aussahen, und dank meinen zwei linken Händen, wurde es auch mit Mamas Haarschere nicht besser.

Wenn Lu nicht versprochen hätte, mir zu helfen, wäre Glatze meine nächste Option gewesen.

Der Binder drückte.

Ich sollte ihn zum Schlafen echt ausziehen, vor allem weil im Zelt gefühlte 20.000 Grad herrschten, aber naja... ich wollte ganz einfach nicht. Ich mochte nicht, was ich dann sehen musste. Ich wollte es ganz einfach nicht.

Manchmal kam ich mir vor wie ein kleines bockiges Kind, wenn ich so in meinem Bett lag und versuchte zu vergessen, was unter viel zu weiten Pullis und engen Bindern steckte. Brüste. Nervige, eklige und vor allem... falsche Brüste. Sie waren einfach nicht richtig. Sie nervten, passten nicht zu mir. Ich hasste sie, jede einzelne Fettzelle, jedes noch so kleine Stück der Milchdrüsen.

Wozu hatte ich die? Ich wollte eh nie ein Kind kriegen.

Ein lautes Johlen ertönte von draußen.

Ey, Kimi verpiss dich! Das ist nichts für Mädchen.

Danke Hannes.
Idiot.

Er mochte mich noch nie. Schon als wir als Kinder Fußball gespielt hatten, wollte er mich nie anspielen. Tobi hatte zu mir geschossen. Und Hinnerk und Anton auch.

Aber jetzt hassten sie mich alle. Hannes war nur der Anfang gewesen. Als Kinder war ich einer von ihnen gewesen. War teil ‚Der Jungs' gewesen, aber mit der Pubertät kam die Unzufriedenheit mit meinem Körper, damit kamen die Depressionen und auch wegen den ewigen Sticheleien besonders von Seiten der Geschwister Nieshus hatte ich mich von den anderen abgewandt und mich lieber in mein Zimmer verzogen.

So wie ich mich nun lieber vorzeitig in mein Zelt verkrümelte.

Warum hatte Mama nochmal drauf bestanden, dass ich in Zeltlager ging? Soziale Kontakte, Freunde finden mimimi.

Die Luftmatratze knatschte, als ich mich auf die Seite drehte. Hmmm, Zeltwand, sehr interessant.

Wie betrunken war Lu wohl schon? Ich hätte sie nicht allein lassen sollen, auch wenn die Neue wohl ein Auge auf sie hatte. Sie versuchte mir zu helfen und ich ließ sie alleine.

Lu war es immer egal, wie sehr ich am Arsch war. Wie schlecht gelaunt oder anstrengend ich war. Wenn es nötig war, erklärte sie mir Deutsch auch noch ein zehntes Mal oder saß einfach die Pause über stumm neben mir, während ich meine Depressionen schob. Sie war vielleicht der liebste Mensch in dieser ganzen abgefuckten Gegend. Ich fragte mich, warum sie dann mit Leuten wie den Nieshus Geschwistern zu tun hatte. Man sah ja was dabei rauskam.
Schreierei und Beleidigungen.

Wenn Anni mich beleidigte konnte ich es wenigstens verstehen. Ich war wirklich seltsam, aber Lu hatte immer nur das Beste im Sinn. Na gut, mich nervte das auch manchmal, einfach weil ich manchmal nur wenig mit ihr anzufangen wusste, wenn sie über ihre Pferde, irgendwelche Klatschgeschichten oders übers Kochen redete, aber sie war nett und das war schon mehr als das was die meisten Menschen mir entgegen brachten.

Von heteronormativer Hölle und einem Ziegenmädchen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt