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Leicht wackelig auf den Beinen, versuchte ich meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen.

Vielleicht sollte ich einfach nie wieder rennen. Das wäre definitiv besser.

War ja klar, dass sowas passieren musste.

Ich hatte nicht einfach einen lustigen Tag. Sowas passierte mir ganz einfach nicht. Irgendwas musste immer sein. Und wenn es kein blöder Spruch oder ein Streit mit irgendwem war, dann stieß ich mir mindestens den kleinen Zeh oder so.

Immerhin hatte sich die böse Befürchtung, die sich kurz in meinem Kopf materialisiert hatte, nicht bewahrheitet.

Tobi hatte sich nicht nur bei mir eingeschleimt, um mich doch noch nachträglich der Dorftaufe zu unterziehen. Das war meine erste Befürchtung gewesen, als wir auf den sandigen Weg abgebogen waren.

Es wäre ein perfekter Plan gewesen. Das kleine labile Emo-Kiddie anlocken mit Nettigkeit und eine kleine Ausfahrt ankündigen, nur um es dann ahnungslos in ein Güllesilo zu schubsen.

Das war wirklich eine Sache, auf die ich gut verzichten konnte.

Zumindest aus heutiger Perspektive. Mein zwölfjähriges Ich wäre wahrscheinlich mit ausgebreiteten Armen in die Scheiße gesprungen, um endlich wirklich dazugehören zu können, aber jetzt? Nun wäre es kein lustiges Aufnahmeritual mehr gewesen, sondern nur eine neue Möglichkeit für Hannes, mich zu demütigen. Wenn irgendjemand anders als Hannes und Hinnerk Zeremonienmeister gewesen wären, hätte es sich wahrscheinlich ganz anders dargestellt. Und bei meinem Glück würde ich innerhalb weniger Sekunden an den Gasen sterben. Immerhin waren das Unfälle, die regelmäßig in landwirtschaftlichen Betrieben geschahen. Dazu gab es sogar Studien. Studien, die ich damals noch nicht gekannt hatte, aber jetzt schon. Das hatte meine Begeisterung damals dann scho; etwas geschmälert.

Aber zumindest für heute war ich sicher.

Dennoch erschreckte es mich, wie groß meine Angst besonders vor Hannes noch immer war, auch wenn von seiner Seite aus seit Jahren kaum mehr als blöde Sprüche und ein paar alberne Streiche gekommen waren.

Früher hatte er mich in der Schule auch öfter mal durch die Gegend geschubst, aber das war wohl mehr jugendlichem Hormonbüffeltum zuzuschreiben, als wirklicher Boshaftigkeit. Allgemein war ich mir relativ sicher, dass Hannes wenig wirklich böse meinte, sondern einfach nur nicht merkte, was für ein Arsch er manchmal war... und trotzdem ließ ich mich jedes Mal wieder von ihm einschüchtern. Das war echt schon traurig.

Ratlos setzte ich mich in den kläglich kleinen Schatten von Tobis Quad. Früher oder später würde der hier sicherlich vorbeikommen. Immerhin musste er auch irgendwie nach Hause kommen.

Er hatte mir tatsächlich geholfen. Sich gegen seine Freunde gestellt, um mir zu helfen.

Wenn ich nicht so verdammt pessimistisch wäre, würde ich fast wieder so etwas wie Glauben an die Menschheit gewinnen. Wie gesagt: wenn. So entwickelte ich nur so langsam Glauben in einzelne Individuen, von denen ich nicht sicher sagen konnte, ob sie überhaupt menschlich waren.

„Ach hier bist du", stellte Tobi fest.

Ich grunzte: „Wo sollte ich sonst hin?"

Er zuckte mit den Achseln: „Keine Ahnung. Nach Hause?"

„Ich bin verdammt faul. Denkst du wirklich, dass ich mir die Mühe mache und kilometerweit laufe?", fragte ich schlecht gelaunt.

Tobi nickte: „Das ist ein Argument"

Als es kurz still wurde, sagte ich leise: „Danke"

Ausweichend meinte er: „Du hast schon genug Scheiße durchgemacht... auch wegen uns. Da muss das jetzt nicht auch noch sein"

Von heteronormativer Hölle und einem Ziegenmädchen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt