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Gelangweilt saß ich auf einem Stapel Paletten in Tobis selbsternannter Werkstatt... wie öfters in letzter Zeit. Er war der Meinung, dass ich an einem so schönen Tag nicht in meinem Zimmer hocken und mit Rico Autorennen spielen sollte. Spielverderber. Fand Rico auch: Seitdem ich offline gegangen war, trudelten im Sekundentakt wüste Beschimpfungen von ihm ein, was Tobi aber relativ wenig juckte. Der schraubte gut gelaunt am Roller seiner Cousine rum, weil das Licht kaputt war.

„Kannst du mir die Glühbirne da drüben geben?", fragte er, als er die Abdeckung abnahm.

Ächzend kletterte ich von dem locker hüfthohen Stapel runter und gab ihm die Leuchte, darauf bedacht nicht über das staubige Kabel zu stolpern, das zwar momentan keinen bestimmten Zweck erfüllte, aber dennoch einfach immer dalag.

„Bist du nicht eigentlich Landwirt oder so?", fragte ich gelangweilt. Warum er ständig alle Gefährte von Freunden und Verwandten reparieren musste, erschoss sich mir nicht ganz und ohne seinen geliebten Blaumann wirkte er auch ein wenig fehl am Patz. In der kurzen Arbeitshose hätte ich ihn mehr eher auf einem Traktor vorstellen können.

Er zuckte mit den Achseln: „Die Ausbildung hab ich. Vaddern will, dass ich den Hof übernehme"

„Du aber nicht?", schlussfolgerte ich.

„Keine Ahnung. Lieber würd ich natürlich irgendwas anderes machen, aber ich hab kein Bock auf den Stress mit der Familie"

Ich verzog mich wieder auf meine Paletten und trank einen Schluck von der Cola, die sicherlich schon seit Jahren ihr trauriges Dasein in der Werkstatt gefristet hatte, ehe ich mich ihr erbarmt hatte.

„Und du machst lieber dein ganzes Leben was worauf du eigentlich keinen Bock hast, als einmal Stress mit deinem Vater zu haben?", fragte ich. Das war eine Diskussion die ich vor einigen Jahren sehr ausführlich mit mir selbst geführt hatte. Selber glücklich sein und dafür den Traum meiner Eltern von ihrem kleinen Mädchen zerstören oder einfach weitermachen und mich dabei weiter kaputt machen.

Im Endeffekt hatten sie es akzeptieren müssen. Besonders meinem Vater war es schwergefallen und meine christlich-konservative Oma aus Amerika leugnete demonstrativ meine Existenz, seitdem ich mich geweigert hatte, zu meinem vierzehnten Geburtstag das Kleid zu tragen, das sie mir geschickt hatte. Für mich war das nur von Vorteil. So musste ich mir wenigstens nicht ihre Schimpftiraden darüber anhören, dass Krankenversicherungen böser Sozialismus wären.

Meine Großmutter mütterlicherseits hatte nur mit einem: „Wenn du so glücklich bist, Bubele" reagiert und meine Mutter war darüber wahrscheinlich noch überraschter gewesen als ich.

Tobi hatte kurz innegehalten.

Im Licht, das durch die Ritzen in den Wänden fiel, tanzten die Staubpartikel.

Nachdenklich drehte er sich zu mir um: „Wenn du das so sagst, hört sich das an als wäre ich ein übelstes Weichei"

Ich zuckte mit den Achseln: „Bist du ja vielleicht auch"

„Hast du mich grade beleidigt?", fragte er belustigt und wischte sich die Hände an einem Tuch ab, das definitiv dreckiger war, als seine Hände.

Vorsichtig meinte ich: „Das war nicht böse gemeint?"

„Und wie dann?", fragte er etwas herausfordernd und stellte sich direkt vor mich. Wollte er mir Angst einjagen? Falls ja, funktionierte es nicht. Immerhin war ich durch meinen Sitzplatz auf den Paletten ausnahmsweise mal zumindest ein Stück größer als er.

Ich wich ein wenig seinem Blick aus: „Aufmunternd?"

Er lachte kurz auf, wuschelte durch meine Haare und fragte dann: „Hat dir schonmal jemand gesagt, dass du echt schlecht im Aufmuntern bist?"

Von heteronormativer Hölle und einem Ziegenmädchen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt