In mir stieg ein kleines Feuerwerk der Selbstzufriedenheit auf. Mein Gaydar war perfekt. Ich hatte recht gehabt! Von Anfang an! Wenn ich nicht in ein Becken mit vergammeltem Wasser geworfen worden wäre, würde ich fast sagen, dass heute ein guter Tag war.
Ich lachte kurz auf: „Wusste ich es doch"
„Was?", fragte Jenny verwirrt.
„Mein Gaydar merkt sowas"
„Dein was?", fragte Lu nach.
Ich grinste selbstgerecht: „Ich rieche Abweichungen von der Heteronormativität zehn Kilometer gegen den Wind"
Hinnerks Hirn, das sich schon vor ein paar Momenten aufgehängt hatte, lief wieder an: „Tobi, du hast was?"
Der grinste breit: „Amerika war wild und im Endeffekt ist es doch scheißegal, mit wem, solange alles nice und chillig ist"
Hinnerk schien in seinen tiefsten Überzeugungen erschüttert: „Alter... als ob"
Ich grinste breit, noch immer stolz auf mein vorzügliches Früherkennungssystem.
Kim neben mir sah aus, als ob bei ihm die Sicherung rausgesprungen wäre und auch Lu wirkte sichtlich verwirrt.
Jenny fragte an mich gewandt: „Und du weißt sowas weil...?"
„Weil ich die größte Lesbe auf diesem Planeten bin", meinte ich stolz. Wenn ein Moment für öffentliche Bekenntnisse gab, dann ja wohl diesen.
Ben, der sich nur kurz eine natürlich unangerührte Flasche Wasser vom Tisch klaute, sah mich komisch an und rannte dann direkt weiter.
Hinnerk und Jenny sahen sich ein wenig fassungslos an und blickten dann hilfesuchend zu Tini.
Die zuckte nur grinsend mit den Achseln: „Bi"
Warum hatte ich das nicht geahnt?
Mein Gaydar ließ vielleicht doch nach. Luise und Tini... beide übersehen. Grade bei Frauen sollte das doch funktionieren!
Tobi hielt ihr wortlos die Faust zum einschlagen hin.
Verwirrt huschte Antons Blick zwischen den beiden hin und her.
Für mich war der ungläubige Blick der wenigen verbliebenen Heterosexuellen am Tisch unbezahlbar. Das hier war besser als jede Comedyserie.
Als der fragende Blick auf Nadine traf meinte die: „Ich würd jetzt auch nicht mit nem Mädchen zusammen sein, aber rumgeknutscht hab ich auch schonmal..."
Das wurde ja immer besser.
Diesmal wurde sich nicht lange aufgehalten und das suchende Auge Mordors aka. Hinnerk und Jenny legte sich auf Kim, der direkt nochmal um zwei Größen zu schrumpfen schien und „Pan und trans" nuschelte.
„Was fürn Ding?", fragte Jenny wenig sensibel. Diese Stufe der zwischenmenschlichen Kommunikation war hier echt noch nicht unbedingt angekommen.
„Ist egal", nuschelte Kim, doch als keiner Anstalten machte, den Blick abzuwenden, atmete er tief durch, fuhr sich durch die Haare und meinte: „Pan heißt, dass man auf Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht steht und trans heißt, dass... ähm man... dass das biologische Geschlecht nicht das Geschlecht ist, dass man... naja, sein will"
Hinnerk fasste das Gestammel stumpf zusammen: „Also willst du ein Typ sein?"
Mit gesenktem Kopf nickte Kim. Lu legte einen Arm um ihm und strich ihm aufmunternd über den Rücken.
Unter Tinis Noch-ein-Wort-und-du-bist-Pumafutter-Blick wagte keiner mehr als ein „Okay, krass" hervorzubringen. Für Jenny und Hinnerk waren das alles wohl ohnehin schon viel zu viele Informationen auf einmal.
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Von heteronormativer Hölle und einem Ziegenmädchen
Teen FictionMila hat keine Lust. Keine Lust auf schlechtes Internet. Keine Lust auf ihre Mutter und ihren Ökotrip. Keine Lust auf nervige Dorfkinder und erst recht keine Lust auf das verdammte Dreckskaff, in das ihre Mutter sie verschleppen will. Es ist wortwö...