Ein wenig wie tot lag ich auf meinem Bett. Doch diesmal eher weniger aus grundloser Depression, sondern weil ich nachdachte. Krankhaft. Es würde mich nicht wundern, wenn mein Kopf sich aus Überlastung spontan selbst entzünden würde.
Zum einen musste ich verarbeiten, dass die Sommerferien vorbei waren - was nebenbei bemerkt schon Grund genug für einen kleinen Zusammenbruch war - und alles was in den ersten Tagen passiert war. Nicht, dass etwas schlimmes geschehen war, ganz im Gegenteil. Bis jetzt kam ich gut durch. Frau Weimann war eine Art Alt-Hippie und hatte die Liste mit allen Spitznamen an die anderen Lehrer weitergegeben. Ein paar Leute starrten mich zwar von Zeit zu Zeit wissend an, aber gesagt hatte bis jetzt noch keiner was.
Es war zwar klar, dass das nicht auf ewig so bleiben würde, aber erstmal war alles gut... wenn man mal davon absah, dass Lu und Mila durchgehend am rumturteln waren und mich somit immer wieder an meine unklare Beziehung zu Tobi erinnerten.
Womit wir auch schon bei der zweiten Sache wären, die mein Kopf zeitnah zum explodieren bringen könnte.
War ich vielleicht einfach ein wenig dumm und jeder andere Mensch kam mit zwei Sachen gleichzeitig klar, während bei mir einfach nicht genügend Speicherplatz war? Steile These. Da sollte ich auch mal genauer drüber nachdenken.
Aber zurück zu meinem eigentlichen Problem: Tobi. Nein anders: Ich.
Tobi war nicht das Problem. Er war vielleicht ein wenig nervig, mit seinem Drang, mich ins gesellschaftliche Leben zu integrieren, aber er war definitiv nicht das Problem. Er war cool, sah gut aus, war unglaublich nett, konnte praktisch alles reparieren. Er schaffte es, das praktisch jeder sich in seiner Gegenwart wohlfühlte... also zumindest war das bei mir so.
Ich war das Problem. Wir hatten uns nicht mehr gesehen, seitdem er mich am ersten Schultag gefahren hatte. Dann war er gleich weiter, um für ein paar Tage seine Großmutter zu besuchen.
Er hatte mich geküsst, bevor wir ins Auto gestiegen waren. Schon zum zweiten Mal. Diesmal etwas länger, sanfter.
Doch das warme Gefühl wurde, sobald der sanfte Druck von meinen Lippen verschwand, von einer Welle aus Selbstzweifel und Überforderung weggespült.
Was sollte ich denn tun? Mit Luise zu reden stellte sich seit neustem noch viel schwieriger heraus, als sowieso schon, weil sie ganz einfach kaum noch alleine anzutreffen war. Außerdem wusste ich auch schon, was sie mir sagen würde. So sehr wie sie grade auf Wolke sieben schwebte, würde sie mir nur erzählen, wie toll es doch wäre, wenn ich ne Liebesgeschichte schieben würde.
Ne danke, das redete ich mir selber schon ein. Leider.
Wie sollte denn auch nur irgendwas zwischen uns laufen, wenn mir mein blödes Unterbewusstsein jedes Mal, wenn er nett zu mir war erzählte, was für eine minderwertige Ratte ich doch war.
Solange er bei mir war, war alles gut. Nur alles danach wurde schwierig und das gefiel mir überhaupt nicht.
Immerhin hatten meine Eltern nicht aus dem Fenster geschaut, als wir losgefahren waren. Sonst hätte ich mir Tage - nein Wochenlang ihre blöden Sprüche anhören können.
Mein Handydisplay leuchtete auf.
Tobi rief an.
Fuck.
Der war mit Sicherheit schon auf dem Weg hierher.
So wie ich ihn kannte, rief er nur aus einem Restgefühl von Höflichkeit an, stand aber eigentlich schon fast vor meiner Haustür.
Ich sollte das klären. Es wäre unfair, einfach nichts zu sagen. Tobi mochte mich und ich ihn auch irgendwie. Ich sollte ihn nicht einfach weiter in Unwissenheit versauern lassen.
DU LIEST GERADE
Von heteronormativer Hölle und einem Ziegenmädchen
Teen FictionMila hat keine Lust. Keine Lust auf schlechtes Internet. Keine Lust auf ihre Mutter und ihren Ökotrip. Keine Lust auf nervige Dorfkinder und erst recht keine Lust auf das verdammte Dreckskaff, in das ihre Mutter sie verschleppen will. Es ist wortwö...