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Ein wenig genervt hockten wir auf der alten Couch in Julianas relativ großen Zimmer, während sie noch durch die Gegend rannte und sich jedes Mal etwas neues ausdachte, was sie noch machen musste, bevor wir loskonnten.

Ich wartete nur auf den passenden Augenblick, um ihr zu sagen, dass sie Lu nicht so einen Müll erzählen sollte.

Lu, die auf dem Weg hierher schon wieder maximal begeistert von so gut wie allem gewesen war, lehnte sich selbstverständlich an mich, während sie dem Schauspiel interessiert zusah.

„Oh man, jetzt hätte ich fast meine Jacke vergessen"

Manu warf stöhnend den Kopf in den Nacken: „Mila, deine Freunde sind anstrengend!"

„Jetzt sind es wieder meine Freunde!", keifte ich belustigt zurück.

Irgendwann hatte es angefangen, dass Manu und ich uns aus Spaß stritten wie ein altes Ehepaar.

„Ich bin fertig", kündigte Juliana stolz an.

Wir klatschten Beifall.

Als wir grade gehen wollten, fiel ihr dann aber doch noch ein, dass sie ihre Schlüssel, ihr Handy und eine Hose, die sie sich mal ausgeliehen hatte, vergessen hatte.

Nachdem uns der Akt des aus dem Haus Gehens gelungen war, machten wir uns zu Fuß auf den Weg.

Alle paar Schritte mussten wir irgendwelchen Menschen ausweichen. Hier war das Normalität, in Ferse ein absolutes Highlight. Da eine menschliche oder auch nur menschenähnliche Lebensform zufällig anzutreffen war schon außergewöhnlich. Lu war etwas überfordert... wie schon seitdem wir aus dem Zug gestiegen waren.

„Warum grüßen die nicht?", fragte sie mich leise.

Oh man.

„Warum sollten sie?", fragte ich skeptisch.

Sie zuckte mit den Achseln: „Aus Höflichkeit?"

Ich lachte: „Du kannst hier nicht jedem ‚Hallo' sagen. Das sind zu viele"

„Ich sag ja nicht ‚hallo'. Ich würde ihnen einen guten Tag wünschen und ich würde es definitiv schaffen", erklärte sie mir stolz und grüßte de nächsten Passanten - einem Typen, der mit seinem Hund unterwegs war, freundlich. Der bemerkte das aber garnicht, weil er Kopfhörer auf hatte.

Ich prophezeite grinsend: „Das funktioniert hier nicht"

„Wird sich zeigen", behauptete sie und warf die Haare über die Schulter.

Ausnahmsweise hatte Luise sie an diesem Tag offen gelassen, sodass sie ein wenig störrisch über ihren Rücken fielen. Das einfache gelbe T-Shirt biss sich ein wenig mit ihrer Haarfarbe, aber das schien sie wie immer kein bisschen zu stören... oder sie merkte es einfach nicht. Die knapp über dem Knie endende Hose dagegen war naja, typisch für Lu. Eine etwa knielange Jeans mit aufgebügeltem Flicken an der Seite. Immerhin war sie sauber. Keine Staub-, Pferde- oder Ölflecken.

Lu lächelte mich an, als sie bemerkte, dass ich sie beobachtete, mein Mundwinkel zuckte nach oben.

Manu, der neben mir lief verdrehte die Augen und meinte genervt: „Jetzt haltet schon Händchen, als ob das jemanden juckt"

Während Juliana uns nur mit offenem Mund anstarrte, bekam Luise wieder rote Wangen.

Mein wundervoller bester Freund hatte den Braten natürlich sofort gerochen, als er am Morgen ins Zimmer gestürmt war und als er uns dann noch im Wohnzimmer gesehen hatte, war für ihn alles glasklar gewesen.

Es dauerte einen Moment, bis Juliana sich wieder gefangen hatte, aber dann rief sie: „Wusste ich es doch! Ich kenn doch meine Mila"

Ich warf ihr einen Todesblick zu: „Rede Luise keinen Mist ein"

Von heteronormativer Hölle und einem Ziegenmädchen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt