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Wortlos schloss ich sie in die Arme und strich ihr beruhigend ein paar Haare aus dem Gesicht. Erst nach ein paar Sekunden, in denen sie dastand wie eine Eisstatue, kam wieder Leben in ihren Körper und sie erwiderte die Umarmung.

Ich schob sie auf eine Armlänge Abstand.

Für ihre Verhältnisse war der Zopf sogar noch recht ordentlich. Das Top, das sonst immer in ihrem Zelt im Camp rumgelegen hatte, trug sie nur zum Schlafen. Also musste sie zumindest schon kurz davor gewesen sein, ins Bett zu gehen.

Sie hatte Gänsehaut an den Armen. Und das obwohl es auch nachts noch verdammt warm war. Ihr Handgelenk war rot, fast konnte man einen Handabdruck erkennen. Als ich über ihrem Oberarm strich, zuckte sie zurück. Noch eine langsam blau werdende Stelle.

Die Jogginghose hatte ein Loch am Knie, aber das konnte genauso gut auch schon älter sein. Eine Mischung aus Wut und Mitleid rauschte durch meine Adern.

„Mila, wer ist da de... Luise?"

Meine Mutter war in den Flur getreten.

Schnell befreite sie sich von meinen Händen an ihren Schultern und trat einen Schritt zurück: „Entschuldigung, ich wollte nicht... also ich kann auch..."

„Was ist denn passiert?", fragte Mama direkt besorgt.

Nervös kratze Lu über ihren Gips und sah sie sich kurz panisch um, dann: „Ich bin die Treppe runtergefallen"

Fassungslos sah ich sie an. Na klar. Darum stand man mitten in der Nacht bei der Freundin auf der Matte und sah aus, als hätte man grade den Sensenmann persönlich gesehen: Weil man die Treppe runtergefallen war.

Ich wusste, dass ihre Entscheidung, ihre Familienangelegenheiten soweit möglich für sich zu behalten stand, also nahm ich nur beruhigend ihre Hand. Die wahre Geschichte müsste sie mir wohl später erzählen.

Auch meine Mutter schien der ganzen Sache absolut nicht zu trauen, spielte aber fürs erste mit.

Frank hatte den Trubel an der Haustür wohl auch wahrgenommen und kam aus dem Wohnzimmer geschlurft.

Unter dem prüfenden Blick der beiden schrumpfte Lu gleich nochmal ein paar Zentimeter. Die beiden wussten, dass sie log.
Ganz davon abgesehen, dass es recht offensichtlich war, hatten beide auch Berufe, in denen sie mit Opfern häuslicher Gewalt zu tun hatten.

„Mila, warum ist da Blut an deiner Hand?", fragte Frank.

Verwundert sah ich auf unsere verschränkten Hände.

Lu sah mich erschrocken an und zuckte zurück. Woher?

Bevor ich auch nur einen klaren Gedanken fassen konnte, wurden wir auch schon von meiner Mutter in die Küche bugsiert und Luise wurde mehr oder weniger gezwungen, sich hinzusetzen.

In sich zusammengesunken hockte sie auf der Bank.

Schnell setzte ich mich neben sie und strich beruhigend über ihren Rücken. Auf ihrem Hinterkopf war ein roter Fleck zu erkennen. Da musste ich reingefasst haben, als ich sie umarmt hatte.

Meine Mutter fragte aufgeregt: „Sollen wir dich ins Krankenhaus fahren?"

Schnell schüttelte Lu den Kopf: „Nein!"

Fast erinnerte sie an ein in die Ecke getriebenes Tier. Die Augen voller Angst, böses ahnend. Es tat weh, sie so zu sehen.

„Dann vielleicht zu einem Arzt?", fragte Frank ruhiger.

„Ist schon okay", murmelte Luise „Mir gehts gut"

Sie konnte echt nicht gut lügen, wenn es nicht grade darum ging, mich zu foltern.

Von heteronormativer Hölle und einem Ziegenmädchen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt