Ächzend und ungelenk hangelte ich mich an einem umgekippten Baum hoch, der zur Hälfte im Wasser lag.
Meine Kondition beim Schwimmen war früher definitiv besser gewesen. Mein Shirt klebte ekelhaft an mir und ich versuchte den nassen Stoff irgendwie von meiner Haut abzuzupfen.
„Ergibst du dich etwa schon?", fragte Tobi und stemmte sich wesentlich eleganter hoch.
„Egal was, solange ich mich nichtmehr bewegen muss"
Er grinste: „Na dann"
Damit schubste er mich unvermittelt hinten über zurück ins Wasser.
Pisser.
Nach Luft ringend tauchte ich wieder auf und warf ihm aus dem hüfttiefen Wasser einen bösen Blick zu.
Tobi grinste schadenfreudig: „Soll ich dir hochhelfen?"
„Fick dich, das sollst du", murrte ich und kletterte wieder auf den Baumstamm, wenn auch mit einem gebührenden Sicherheitsabstand.
Eine unangenehme Stille breitete sich aus und ich wusste nicht, wie ich sie brechen sollte. Aus irgendeinem Grund versuchte Tobi wieder mit mir befreundet zu sein und ich wusste nicht so recht, wie ich damit umgehen sollte.
Irgendwie befürchtete ich, dass er es wahrscheinlich nicht ernst meinte oder das alles Teil eines gemeinen Plans war, um mich am Ende wieder wie ein Esel dastehen zu lassen. Außerdem: Warum? Aus Mitleid, Langeweile? Alles nicht so prickelnd.
„Willst du eigentlich deinen Namen behalten oder sollen wir einen anderen benutzen?"
Und wieder überraschte Tobi mich. Es hatte mich ja schon maximal gewundert, dass er sich ansatzweise mit lgbtq auskannte und jetzt auch noch respektvoller Umgang mit Namens- und Pronomenkram? Nicht schlecht Herr Specht, wie mein Vater sagen würde (er liebte deutsche Sprichwörter und Redewendungen). Mich wiederum wunderte es nur, wie lange Tobi gebraucht haben musste, um sich das alles zu merken. Buchstaben waren noch nie so sein Ding gewesen.
Ich hob meinen Blick von meinen Fingern und zuckte mit den Achseln: „Ich find Kim okay. Ist relativ neutral. Bin auch zu unkreativ, um mir was anderes auszudenken"
Die Frage hatte Rico mir auch schon gestellt. Ich hatte ein wenig mit Namen rumprobiert, aber hatte nichts gefunden, bei dem ich mich angesprochen fühlte, also hatte ich es bei meinem Spitznamen belassen. Solange mich keiner Kimberly nannte, war ich schon zufrieden.
Tobi grinste: „Wie Kim Jong Un"
„Alter", murrte ich und musste wiederwillig lächeln „Der Witz ist älter als deine Mom"
„Deine Mom ist älter als deine Mom"
Ich seufzte: „Merkste selber, ne"
Einen Moment lang ließ Tobi sich die Sonne genüsslich ins Gesicht scheinen, dann fragte er: „Was läuft da eigentlich bei Lu und Mila?"
„Hä?", fragte ich.
Er zog eine Augenbraue hoch: „Hab selten jemanden so geiern sehen, wie Mila"
„Meinst du?", fragte ich. Es war wohl relativ offensichtlich, dass Mila nicht wirklich straight war, aber dass sie auf Lu stehen sollte, war mir noch nicht aufgefallen. Ich kannte sie aber auch kaum. Wir hatten uns ein paar Mal im Lager getroffen und ihr komischer bester Freund hatte mich mal blöd von der Seite angequatscht, aber das wars auch schon.
„Ja, mein ich", beharrte Tobi.
Ich schnaubte.
„Was?", fragte er.
DU LIEST GERADE
Von heteronormativer Hölle und einem Ziegenmädchen
Teen FictionMila hat keine Lust. Keine Lust auf schlechtes Internet. Keine Lust auf ihre Mutter und ihren Ökotrip. Keine Lust auf nervige Dorfkinder und erst recht keine Lust auf das verdammte Dreckskaff, in das ihre Mutter sie verschleppen will. Es ist wortwö...