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Inzwischen hatten wir nur noch etwas mehr eine Viertelstunde bis zum Schulbeginn und immer mehr Schüler:innen strömten an uns vorbei.

Auch wir betraten schließlich das Backsteingebäude und wurden von typischem Funktionslinoleum und selbstgemalten Bildern empfangen. An einer Art schwarzem Brett hing ein Banner mit der Aufschrift „Herzlich Willkommen". Schon jetzt hatte irgendwer Geschlechtsteile auf das Papier gekritzelt. Ich hätte schwören können, dass es die Jungstruppe von vorhin gewesen sein musste.

Luise studierte kurz den Gebäudeplan und zog uns dann zielstrebig in eine Richtung.

„Woher weißt du, wo wir hinmüssen?", fragte ich. Immerhin waren wir in einem komplett fremden Gebäude, ohne auch nur die geringste Ahnung, in welchen Raum wir mussten. Meine Theorie wäre gewesen, einfach zu warten, bis uns irgendwer sagte, was wir tun sollten.

Sie schenkte mir ihr breitestes Lächeln: „Insiderinfos"

Sehr hilfreich.

Vor einer Klasse mit dem Türschild 11c bleib sie stehen. Unglaublich. Ich hätte mich erstmal verirrt, einen mittelschweren Nervenzusammenbruch gehabt und dann für mich entschieden, dass Schule nichts für mich war.

Sie atmete tief durch, kratzte über den Gips und sah dann erwartungsvoll zu mir.

„Ernsthaft? Jetzt wirst du schüchtern?", fragte ich sie belustigt. Sie sah mich aus großen Augen an.  Eine kleine Strähne hatte sich in ihr Gesicht verirrt. Ich lächelte aufmunternd und strich ihr kurz über die Wange. Kim räusperte sich laut, griff dann kurzerhand an uns vorbei und stieß die Tür auf.

Okay, dann halt kein Geschnulze.

Auch wenn allgemein schon ein wenig Betrieb in den Gängen herrschte, war das Klassenzimmer noch relativ leer.

Nur an der Fensterseite schlief jemand, das Gesicht auf die Arme gelegt. Auf den langen schwarzen Haaren saßen Kopfhörer in der Größe eines Kühlschrankes.

„Wo wollen wir uns hinsetzen?", fragte ich und sah mich um. Vier Reihen, alle nach vorne gerichtet.

Luise überlegte: „Nach vorne?"

Unzufrieden verzog ich das Gesicht: „Ne, lieber hinten"

Kim zog eine Augenbraue hoch: „Warum fragst du, wenn du eh schon weißt, was du willst?"

Ich seufzte dramatisch: „Dann entscheide du halt"

„Ich hasse euch", brummte er missmutig und ließ sich dann auf einen Stuhl in der dritten Reihe fallen.

Widerspruchslos setzte sich Luise neben ihn und klopfte auf ihre andere Seite.

„Sicher, dass wir nicht erst ins Sekretariat müssen?", fragte ich unsicher. Immerhin hatte ich genug Filme und Bücher studiert, um zu wissen, dass neue Schüler vor der ganzen Klasse vorgestellt wurden... okay, zugegebenermaßen war Netflix jetzt nicht unbedingt die zuverlässigste Quelle, aber ein wenig seltsam war es schon, fast alleine in einem fremden Klassenraum zu hocken.

„Passt schon", meinte Kim.

Luise zuckte mit den Achseln: „Wir haben den Raum ja auch so gefunden"

„Wenn wir nachher Ärger bekommen, seid ihr schuld", stellte ich klar.

Sie lachte nur und gab mir ein kleines Küsschen auf die Wange: „Ist klar"

Die Tür zum Klassenzimmer wurde aufgestoßen und zwei Jungs kamen laut quatschend in den Raum gestiefelt.

Der blonde Sunnyboy drehte sich schwungvoll zu uns um und sofort blieben seine Augen an Luise hängen.

Von heteronormativer Hölle und einem Ziegenmädchen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt