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Das Pferd neben mir schnaubte nervös.

Ungelenk versuchte ich es an dem Seil, das Luise mir in die Hand gedrückt hatte, an Ort und Stelle zu halten, was nur so halb gelang. Aufgeregt tänzelte es um mich herum.

Zwischen den vielen LKWs und großen Anhängern stand die Luft. Aus den Boxen beim Hauptplatz wehten Musik und Stimmen herüber.

Es wieherte irgendwo.

Das Pferd, das ich mehr schlecht als recht versuchte, festzuhalten, entschied sich, seinem Artgenossen zu antworten und schrie so laut, dass es mir fast die Ohren wegblies.

„Aua", maulte ich das Tier an.

Wie ich hier gelandet war?

Ganz einfach: Nachdem Manu abgereist war (natürlich viel zu früh für meinen Geschmack) hatte ich Luise geschrieben, was sie in den nächsten Tagen so vorhatte und sie meinte, dass sie auf ein Reitturnier gehen müsste.

Und was das mit mir zu tun hatte?

Nachdem wir kurz telefoniert hatten, fand ich heraus, dass Anni sonst meistens mitkam und aushalf, das aber wegen dem immernoch andauernden Streit nicht möglich war. Aus einer spontanen Laune heraus hatte ich gesagt, dass ich stattdessen mitkommen könnte und jetzt stand ich hier im allerletzten Hinterland - mit einem Pferd.

Und das auch noch in der sengenden Hitze, nachdem ich mir heute in aller früh schon den Arsch abgefroren hatte, weil das ganze Spektakel - wie wohl so ziemlich alles in dieser Gegend - zu einer unmenschlichen Uhrzeit begann.

Als ich am morgen bei Lu ankam, waren Alfred und sie schon dabei, die Pferde auf den LKW zu verfrachten.

Der LKW, der mit seiner rostigen Hülle definitiv nicht mehr für den Straßenverkehr zugelassen sein sollte, wackelte bedrohlich, als Monster sich schüttelte und ein markerschütterndes Wiehern verlauten ließ.

Seinen Namen konnte ich mir merken. Monster.

Trotz des ziemlich gemeinen Namens, war der Dunkelbraune mit den kurzen weißen Partien an den Füßen definitiv das netteste Pferd hier.

Das hellbraune Pferd neben Monster war zickig und biss ihren Nachbarn regelmäßig und das, das ich festhielt hatte ADHS oder so. Jedenfalls versuchte es die ganze Zeit irgendwohin zu laufen und vergaß, dass ich an ihm dran hing.

„Sorry, dass das so lange gedauert hat", rief Lu schon von Weitem, während sie in ihrer eng anliegenden weißen Hose auf mich zueierte.

Der Modestandart war hier für die Reiter: Weiß und eng.

Beinahe alle, die hier rumrannten trugen helle Reithosen und hohe dunkle Stiefel mit meiner Meinung nach zu vielen Glitzersteinen und ein ebenso enges, meistens weißes oder blaues Funktionsshirt mit hohem Kragen.

Zumindest dahingehend unterschied Luise sich von der breiten Masse. Sie trug eine steife, weiße Bluse mit einer Art verstärktem Kragen und ihre Hose hatte schon diverse Flecken, die wohl einfach nicht mehr rausgingen... und weil das zickige Pferd sie - kaum dass wir angekommen waren - besabbert hatte.

Alfred kam humpelnd auf uns zu gerannt: „Beeilen, los"

Schnell nahm Lu mir das Pferd ab und überprüfte noch einmal den Gurt, mit dem der Sattel am Pferd befestigt war und schwang sich schnell rauf.

Das Tier quitschte und schlug mit dem Schweif, ehe es einen Satz nach vorne machte und dann unbeirrt weiterging.

Wusste ich, dass Pferde quietschen konnten? Nein.
Wollte ich das wissen? Ebenfalls nein.
Wusste ich es jetzt trotzdem? Leider ja.

Von heteronormativer Hölle und einem Ziegenmädchen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt