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„Mila?"

Oh nein.

Licht.
Und Geräusche.

Bitte töte mich.

Der Boden schwankte und die Decke rutschte von mir.

Jetzt auch noch Kälte? Universum, was hast du gegen mich?

„Mila", flüsterte eine Stimme ganz nah an meinem Ohr.

Okay, das war weder meine Mutter noch Manu. Erste hätte Sachen gesagt wie: „Guten Morgen Sonnenschein!" und zwar so unnormal laut, dass der Kater sich in jede einzelne meiner grauen Zellen fraß und mein ehrenwerter bester Freund hätte mich einfach so brutal aus dem Bett geworfen, dass der Tod auch hier eine bessere Variante gewesen wäre.

„Komm, steh auf"

Warte, wo war ich überhaupt?

Nur langsam traf die Erkenntnis ein.

Dorf.
Zeltlager.
Luise.

Warte, Luise?

Mit Mühe schaffte ich es, meine Augen aufzustemmen.

Und da saß sie. Im Schneidersitz auf der Luftmatratze und grinste mich verschlafen an.

So richtig hell war es aber noch nicht. Dämmerung.

„Warum bist du wach?", beschwerte ich mich „Wir sind grad erst schlafen gegangen"

„Komm mit, ich will dir was zeigen", meinte sie aufgeregt und zog sich einen riesigen Pulli über.

Ich schnaubte und vergrub mein Kopf im Kissen: „Aber doch nicht so früh!"

„Doch, jetzt komm", lachte sie und stupste mich an.

Seufzend ergab ich mich und zog mir eine Strickjacke aus meinem Rucksack über.

Unsere Schuhe im Zelteingang waren genau wie das Gras überzogen mit Raureif.

Nasse Schuhe, kalte Beine und Kater. Wow.

Als Lu den Reißverschluss aufzog, lag das Lager in kompletter Stille vor uns. Kleine Wassertropfen rannen die bunten Zeltwände hinab.

Vorsichtig nahm Lu mein Handgelenk und forderte: „Komm"

In den ersten Zelten war schon leises Gegiggel zu hören. Dass diese Kinder auch nur irgendeine Form von Lebensenergie zu haben schienen, war mir schlicht unverständlich.

Wir gingen weg vom Camp. Quer über die Wiese, durch das kleine Wäldchen, durch das schon die ersten Sonnenstrahlen schimmerten.

„Wo gehen wir hin?", fragte ich leise. Warum leise? Ich hatte das Gefühl, dass eine laute Stimme die friedliche Ruhe zerrissen und die Singvögel in ihrem leisen Lied gestört hätte.

Süß lächelte Lu: „Siehst du gleich"

Je weiter wir kamen, desto mehr Sonne strahlte uns ins Gesicht, bis wir schließlich am Rand eines Feldes mit hüfthohen Pflanzen standen, an deren langen Stängeln Tautropfen klebten.

Die Sonne war war ein müder Halbkreis, der sich am Horizont abzeichnete. In der Ferne die Silhouette zweier Bäume inmitten der vielen verschiedenen Felder. Alles erstrahlte in Gelb... in einer Farbe die kaum zu beschreiben war, am ehesten mit der Beschreibung „Morgens", auch wenn das nicht wirkliche eine Farbe war. Es war getaucht in eine Art Magie, die ich noch nie in einem Morgen gesehen hatte.

Für einen Moment konnte ich verstehen, warum Luise diese Gegend so wichtig war. Bei so einem Anblick war die Abwesenheit von Zivilisation wohl nur noch halb so schlimm.

„Das ist echt schön, oder?", fragte sie leise.

Ich nickte wortlos. Ja, das war es.

„Das ist meine Welt. Und ich würde sie gegen nichts eintauschen", hauchte sie wohl mehr zu sich selbst, die Augen beeindruckt auf den Horizont gerichtet.

Von heteronormativer Hölle und einem Ziegenmädchen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt