Ich lief mit Shadow vom Dressurplatz zu den Ställen, niemals hätte ich damit gerechnet, dass Ed und Mali nicht gekommen waren, da sie mich testen wollten. Zum Glück war ich weiter geritten und hatte nicht wie ein Feigling aufgegeben. Es hatte sich auf jeden Fall gelohnt, Shadow war für seine Verhältnisse richtig gut gewesen. Ich freute mich schon, wenn Mali wieder reiten konnte. Mit ihm würde sie bestimmt viele Tuniere gewinnen können, vorallem in der Vielseitigkeit würden sie gute Chancen haben. Mein nächstes größeres Ziel waren nun vorallem die hessischen Meisterschaften. Diese gab es in zwei Disziplinen: Dressur und Springen. Mit Bella wollte ich, wenn es denn klappte, auf jeden Fall das Springen gehen. Doch um an den Meisterschaften teilzunehmen musste man sich erst bei einem Qualifikationsspringen dafür qualifizieren. Ich hatte mir dafür die A-Springen ausgeguckt, doch es würde schwer werden. Um sich zu qualifizieren brauchte man eine Wertnote von 7,2 oder höher. Die Pacours waren meist anspruchsvoll, mit engen Wendungen und zum Teil steigenden Anforderungen, aber das schreckte mich nicht ab. Auch nicht das man, um bei den Qualifikationsspringen zu starten, vorher eine gewisse Anzahl an Springprüfungen der Klasse A gegangen sein musste. Ich war aber nicht die einzige, die an den hessischen Meisterschaften teilnehmen wollte. Auch Megan, Will und Noah hatten genügend A-Springen gemeistert, um an den Qualifikationen teilnehmen zu können. Am nächsten Wochendende würden wir sogar alle zusammen mit Frau Lodrig und Marko zu einer Sichtung fahren. Marko war auch ein Reitlehrer der Akademie, nur das er auch oft Auswärtstraining gab. Zudem war Marko auch viel mit den Reitschülern der höheren Klassen unterwegs, da er selbst sehr erfolgreich im Springen war. Ich hatte erst ein paar mal Unterricht bei ihm gehabt und war eigentlich sehr zufrieden gewesen. Er versuchte immer das Beste aus seinen Schülern rauszuholen und hatte wirklich eine engelsgleiche Geduld. Vorallem Kasmir kam sehr gut mit seiner Art zu unterrichten zurecht, da er ihr ein Stück weit den Respekt vor ihrer Schimmelstute nahm. Ich konnte mir auch gut vorstellen, dass Noah mit ihm gut klar kam, da er ja selbst auch eher ruhiger war.
Mittlerweile hatten wir den Haupthof erreicht und steuerten den Weg zu den Ställen an, ich hatte mich an das Treiben hier schon sehr gewöhnt. Obwohl ich noch vor ein paar Wochen das Gefühl gehabt hatte, dass es hier immer so voll an Schülern und Pferden war, hatte ich jetzt eher das Gefühl, dass das Gegenteil der Fall war. So viele Reitschüler gab es hier gar nicht. Vermutlich war es mir nur so vorgekommen, da ich die einzelnen Leute früher noch nicht auseinanderhalten konnte. Eine Gruppe älterer Schüler luden gerade auf, sie fuhren jetzt mit Frau Lodrig und Pen zusammen zu den Sichtungen. Da sie in der Klasse M unterwegs waren, war ihre Sichtung sogar an einem normalen Wochentag. "Und wie war das Training?", hörte ich plötzlich Kasmirs Stimme hinter mir. Ich drehte mich zu ihr um, sie war wohl gerade aus dem Haus gekommen. Sie trug ihre graue Reithose und ihr weißes T-Shirt leuchtete in der Sonne. Meine Klamotten waren mal wieder staubig. "Sehr gut", strahlte ich begeistert, "Er war wirklich gut drauf, aber du wirst nicht glauben, was Ed und Mali für einen hinterlistigen Plan hatten..." Zusammen betraten wir den Stall und ich erzählte meiner Freundin alles über den Test. "Aber ihr habt es gemeistert", rundete Kasmir meine Erzählung zufrieden ab. Ich nickte, "Gott sei Dank, dass wäre sonst peinlich geworden" Kasmir versetzte mir einen leichten Hieb mit Shadows Sattelgurt, während ich noch vorne mit den Gamaschen beschäftigt war. "Jetzt sei mal nicht so", sagte sie tadelnt und klopfte dem schwarzen Wallach den Hals. Shadow stand ganz ruhig angebunden in der Stallgasse, er hatte sich von seinem Wesen her in den letzten Wochen auch gut entwickelt. Fremden Menschen gegenüber war er oft noch unberechenbar, vorallem gegenüber Männern, aber ansonsten wirklich umgänglicher. Da Kasmir mir in den letzten Tagen viel beim fertig machen geholfen hatte, hatte Shadow auch schließlich seine Scheu vor ihr verlohren. "Ich freue mich schon, wenn Mali ihn reiten kann", sagte ich nun und bürstete kurz über die Gamaschen, "Stell dir nur vor, wie toll sie zusammen aussehen werden!" Kasmir streifte den Sattelschoner über den markellosen Dressursattel. "Sicher, dass du das willst?", fragte sie nun und hob den Sattel von Shadows Rücken. Ich schaute sie verwirrt an. Warum sollte ich das denn nicht wollen? Kasmir musste meinen verwirrten Blick bemerkt haben. "Naja, wenn sie ihn wieder reiten kann, war es das vermutlich für dich...", sagte sie zögernd, "Sie wird ihn ja dann selbst trainieren wollen..." Darüber hatte ich mir noch gar keine Gedanken gemacht! Ich starrte Kasmir an. "Das... Ich meine, so ist es wohl dann", sagte ich, "Ich meine, es ist ihr Pferd und ich tue ihr ja jetzt nur einen Gefallen" Kasmir sah mich mitfühlend an. Aber so war wohl der Job. Es war ja schließlich nichts neues das Reiter Pferde nur für eine bestimmte Zeit ritten. Auch Mali hatte Berittpferde, die sie nach einiger Zeit wieder abgab. Auch holten sich Menschen Pferde, bildeten sie aus und verkauften sie dann weiter. Black Shadow war weder mein Berittpferd, noch mein Pflegepferd. Ich hatte keine Rechte an ihm, sondern tat Mali einen Gefallen. Nicht mehr und nicht weniger. Auch, wenn es mich trotzdem etwas traurig machte. "Du darfst ihn bestimmt manchmal noch reiten", sagte Kasmir nun und legte mir einen Arm um die Schulter, "Mali weiß ja, wie gut ihr auskommt. Außerdem stehst du ja in ihrer Schuld" Ich nickte nur. "Ja bestimmt", antwortete ich auf die tröstend gemeinten Worte. "Ach hier seit ihr, hätte ich mir ja denken können" Kasmir und ich schreckten auf und fuhren herum. "Was willst du denn hier?", fragte Kasmir bissig. "Was wohl", antworte Megan von oben herab, "Ich wollte nach Shadow sehen" Kasmir lachte auf, doch mein Herz begann wie wild zu klopfen. Ich hatte Kasmir noch nicht von dem Gespräch erzählt, was ich zwischen Megan und Lis belauscht hatte. Ich kannte Megans Absichten. "Seit wann interessierst du dich denn für ihn?", fragte Kasmir spitz, "Seitdem man ihn wieder besser reiten kann?" Megan verdrehte die Augen. "Ich suche nach einem zweiten Pferd, habe ich doch gesagt", antwortete sie genervt, "Und Shadow ist perfekt! Er hat tolle Gänge und viel Vermögen, ich werde Mali nach dem Preis fragen" Kasmir lachte, doch mir war nicht nach lachen. "Du willst Shadow kaufen?", fragte sie nun, "Du glaubst doch nicht, dass Mali dir dieses Pferd verkauft. Da ist das Risiko, dass etwas passiert doch viel zu hoch. Vermutlich wird sie ihn gar nicht mehr verkaufen" Megan schnaubte und sah zwischen mir und Kasmir hin und her. Etwas flackerte kurz in ihrem Blick auf, was ich nicht einordnen konnte. "Amber reitet ihn doch auch", meinte sie nun und sah mich geringschätzig an, "Ich werde ja trotzdem noch Unterricht mit ihm nehmen, ich bin ja nicht blöd" Kasmir grinste frech, "Da wäre ich mir nicht so sicher" Ich musste mir auf die Wange beißen, um nicht laut zu lachen. Megans Blick schien Feuer zu sprühen, sie presste den Kiefer zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust. Shadow scharrte mit den Hufen und schlug mit dem Kopf, ihm schien die Situation gerade nicht zu gefallen. "Halt dich lieber zurück und schau, dass du deinen komischen Gaul erstmal ordentlich reiten kannst. Dann kannst du vielleicht auch mal zu den Meisterschaften fahren", fuhr Megan Kasmir an, drehte sich auf dem Absatz um und rauschte davon. Kasmir starrte ihr mit offen Augen und offenen Mund nach, nun war ich an der Reihe meinen Arm tröstend um ihre Schultern zu legen. Ich wusste wie gerne sie an den Sichtungen teilgenommen hätte. Doch so war nunmal der Sport.
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Black Shadow - Gefunden
AdventureDer Wind peitschte mir in die Augen und der Regen durchnässte meine Kleidung, aber das spührte ich alles kaum. Denn in diesem Moment gab es nur mich und dieses unberechenbare schwarze Pferd, das mich aus wilden Augen anstarrte... Ich habe es geschaf...