Kapitel 51

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Ich drehte Shadow gerade die Stollen rein, als Kasmir zu uns in die Box trat. Es war der nächste Tag, Bella war ich heute morgen schon geritten und jetzt gleich würde ich meinen ersten Gruppenunterricht auf Shadow haben. Ich wusste nicht genau warum, aber ich ging ziemlich locker damit um heute Geländetraining zu haben. Die positiven Erfolge der letzten Tage hatten mir neuen Mut gegeben. "Hier dein Protektor", meinte Kasmir nun und legte meine Schutzweste ins Stroh. Heute morgen hatte ich ihn im ganzen Stress in unserem Zimmer liegen gelassen. "Danke", sagte ich erleichtert, "Ich muss jetzt nur noch trensen, dann bin ich fertig" Kasmir nickte, "Ich auch, wir sollten uns aber beeilen, die anderen warten im Hof schon auf uns" Damit flitzte sie in unseren Stalltrackt und ich holte Shadows Trense.

Als wir raus auf den Hof traten saß Ed schon auf seinem Pferd. Auch Megan und Lis waren schon aufgestiegen. Megans Blick war eiskalt, als sie mich nun beobachtete, wie ich mich auf Shadows Rücken schwang. Mit hocherhobenen Kopf ritt sie nun vor mir her zur Geländestrecke. Kasmir zog hinter ihrem Rücken fiese Gesichter und versuchte sie damit nachzuarmen. Ich musste mir fest in die Wange beißen, sonst hätteich noch laut gelacht. Die letzten Tage waren nur so verflogen, dass Tunier war nun zum greifen nah. Ein paar Wolken zogen sich über den Himmel und versuchten die warmen Strahlen der Sonne abzufangen, doch gegen die Hitze waren auch sie machtlos.

Wir ritten uns auf der großen Wiese warm, Shadow machte die Hitze wenig aus. Übermütig warf er den Kopf und trat nach hinten aus, wenn ich ihn angaloppierte. Es war schon länger her, dass ich mit Kasmir und Lis in einer Gruppe geritten war und erst jetzt nahm ich deren enormen Fortschritte war. Lis Sitz war noch schöner geworden, ihre Hilfen waren ganz fein. Ihr Pferd Dusty hatte auch ordentlich an Muskellatur zugelegt. Auch Kasmir sah man das regelmäßige Training an, sie hatte ihre aufgeweckte Schimmelstute viel besser im Griff und die beide hatten einen ziemlichen Ehrgeiz entwickelt. Auch optisch harmonierten sie bestens. Doch ich musste mich nun wieder auf Shadow konzentrieren, den ich nun im leichten Sitz arbeitete. Ich merkte die enorme Kraft des Wallachs, er hatte Lust zu arbeiten. "Kannst du nicht ein bisschen ruhiger reiten?", giftete mich Megan an, als ich an ihr vorbei galoppierte. Golden Flashlight wirkte jedoch ziemlich gelassen. Ich musterte sie genauso giftig, wie sie mich. Aber ich beschloss nicht darauf einzugehen, so lange mir kein Lehrer etwas sagte und alle Pferde entspannt waren konnte Shadow ruhig laufen. Nachdem wir uns gut aufgewärmt hatten versammelten wir uns um Ed. "Beim Tunier in September wird der Geländeteil nicht ganz so schwer werden", erklärte er nun, "Es werden keine fiesen Sprünge drankommen. Das heißt keine Stufen oder Tische oder ähnliches. Es geht um eine gute Zeit und gesprungen werden Baumstämme und kleinere Grassprünge. Vermutlich wird es auch ein Wasserloch geben, dass werden wir heute auch noch üben. Aber zuerst möchte ich, dass ihr alle ein paarmal über den Baumstamm da vorne kommt" Megan sollte den Anfang machen, für ihre Stute war dies kein Problem. Ganz selbstverständlich sprang sie über den Baumstamm und behielt ihren Fluss bei. Ed hatte nichts auszusetzen. Auch für Lis und Dusty war der Baumstamm ein Kinderspiel, locker nahmen sie ihn mit. Da Dusty ein ziemlich großes Pferd war machte er sich nicht mal wirklich die Mühe richtig abzuspringen. Vermutlich nahm er den Sprung gar nicht mehr so ernst. Als nächstes war Kasmir dran, ihre Stute zog den nicht allzu großen Baumstamm ordentlich an und drückte ziemlich ab. "Es war zwar kein Oxer, aber zumindest ist dein Pferd bei der Sache", brummte Ed. Kasmir brauchte einen Moment bis sie ihre Stute nach dem Sprung wieder unter Kontrolle hatte. "Meine Güte, hat die Kraft heute", meinte Kasmir, als sie wieder bei uns war. Auch Apple Pie schien die Hitze nicht allzu viel auszumachen. Nun war ich an der Reihe, ich versuchte mein Herzklopfen zu unterdrücken, doch ich konnte nicht verhindern, dass ich angespannt war. Wie von selbst verkrampften sich meine Finger um die Zügel, als ich nun mit Shadow auf den Sprung zugaloppierte. Die Ohren des Wallachs zuckten immer wieder nach hinten. Was war nur los mit mir? Im ersten Moment schickte ich Shadow vorwärts, dann wurde es mir doch wieder zu wild und ich nahm ihn zurück. Natürlich kam es so, wie es kommen musste. Shadow wurde vor dem Sprung unsicher und wusste nicht, was ich jetzt von ihm wollte. Er bremste stark ab und parkte vor dem Sprung. Doch damit war zu rechnen gewesen. Ich hörte Megan lachen und ich konnte es ihr noch nicht einmal verübeln, ich war grottich angeritten. "Nimm mal mehr Anlauf", rief Ed mir zu, "Und lass ihn auch springen, er wollte rüber" Ich atmete tief durch, denn ich verfiel wieder in alte Muster. Gestern hatte es auch geklappt, geparkt hatten wir nun schon, also konnte nichts mehr passieren. Ich nahm die Zügel kürzer und galoppierte neu an. Ich ritt einen großen Bogen um die anderen, um einen guten Fluss zu haben. Ich blieb mit den Beinen an Shadows Bauch, als ich nun den Baumstamm ansteuerte. Ich merkte ein kurzes Zögern meines Pferdes, ich hatte ihn wohl doch verunsichert. Ehe meine Gedanken wieder Achterbahn fahren konnte, verbannte ich sie aus meinem Kopf. Ich sollte einfach reiten und weniger nachdenken. Für einen kurzen Moment erinnerte ich mich an gestern, wie ich mit Shadow und Will durch den Wald galoppiert war. An das unbeschreibliche Gefühl, als Shadow und ich richtig gas gegeben hatten. Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht, wir konnten das! "Auf Shadow, so wie gestern", murmelte ich, als der Baumstamm immer näher kam. Plötzlich passierte etwas ganz sonderbares. Von außen konnte man es nicht sehen, doch ich merkte wie aufeinmal ein Druck von Shadow fiel. Oder war es mein eigener? Völlig frei und ohne ihn groß zum Sprung zu quetschen, zog der Wallach den Baumstamm an und machte einen ordentlichen Sprung. Erfreut lobte ich ihn, wir hatten es geschafft. Es war ganz schön paradox, vor ein paar Tagen hatte ich mich tierisch gefreut, dass ich mit Bella das Sichtungsspringen gewonnen hatte. Doch nun überkam mich ein ähnliches Gefühl auf Shadow, obwohl wir keinen anspruchsvollen Pacours gesprungen waren, sondern nur einen kleinen Baumstamm den Lis Pferd noch nicht einmal ernst genommen hatte. "Das war sehr gut", lobte Ed und Kasmir regte die Faust, als ich nun strahlend auf sie zugeritten kam. "Genial Amber, wirklich!", rief sie begeistert, "Du hast wirklich meinen Respekt, ich hatte fast nicht mehr daran geglaubt, dieses Pferd nocheinmal springen zu sehen!"

Zum Abschluss sollten wir heute sogar schon eine kleine Geländestrecke reiten, die uns dann zum Hof führte. Davor waren wir noch alle möglichen Sprünge gesprungen und durchs Wasser geritten. Shadow und ich waren mit jedem Sprung sicherer geworden und ich merkte, dass er das Prinzip auf jeden Fall kannte. Was eigentlich auch nicht verwunderlich war, da er schon einige Tuniere gegangen war. Lis und Kasmir waren schon gestartet und bestimmt schon am Hof angekommen. Ed beobachtete sie über sein Handy. Ich fand das einfach nur genial. Auf den Geländestrecken waren vereinzelnt Kamaras angebracht, wodruch man mithilfe einer Handy App die Reiter beobachten konnte. "Okay, Amber du bist die nächste", sagte Ed nun, "Lis ist gerade an der Tunierhalle angekommen" Ich nahm die Zügel auf und ritt an unseren gedachten Startpunkt. Obwohl wir schon gut mit unseren Pferden gearbeitet hatten war Shadow noch frisch und voller Energie. Als Ed mir das Signal für den Start gab, galoppierte er sofort fleißig los. Wir folgten einem breiten Wiesenweg. Vögel zwitscherten und warme Luft bließ mir ins Gesicht. Shadow galoppierte kraftvoll vorwärts. Schon sah ich den ersten Sprung, ein Baumstamm. Ich ließ Shadow einfach im Fluss weiter galoppieren und setzte mich nur ein paar Meter vorher in den Sattel. Der Wallach zog den Baumstamm an und drückte ab. Eigentlich war ich von Bella schon gewöhnt, dass sie sich bei manchen Sprüngen auch ordentlich abdrückte, doch mit Shadow war es nochmal ganz anders. Er machte manchmal Sätze, dass es mich fast aus dem Sattel haute. Ich konnte mich noch gut an ein Gespräch mit Will erinnern, als wir uns ganz am Anfang nach einem Springtraining auch darüber unterhalten hatten. Prinz hatte auch immer ziemlich abgedrückt, selbst bei kleinen Kreuzen und ich hätte mir nicht im Traum vorstellen können so ein Pferd zu reiten. Trotzdem hatte ich Will dafür bewundert wie gelassen er damit umgegangen war. Nun aber saß ich doch selbst auf einem Pferd, dass solche Sprünge machte und fand es gar nicht mehr schlimm. Im Gegenteil! Es machte mir Freude, dass Shadow so einen Spaß hatte.  In der Ferne sah ich nun schon den nächsten Sprung, ein Schweinerücken, der doch relativ hoch war. Doch bevor ich ins nachdenken kommen konnte, merkte ich wie Shadow den Sprung ins Visier nahm. Er zog ihn an, wie einen Oxer und ich musste mit einem mal ziemlich gegenhalten, damit er unsere Distanz nicht kaputt machte. "Du bist gerade ganz schön wach", sagte ich Shadow , der im flotten Tempo weiter lief. Ich versuchte sein Tempo ein wenig runterzuschrauben, was gar nicht so einfach war. Doch schließlich kamen wir heil an der Tunierhalle an. Ich ließ Shadow noch austraben und dann zum Hof Schritt gehen. Der Atem meines Pferdes ging schnell, doch meiner ging vermutlich noch schneller.

Black Shadow - GefundenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt