Kapitel 61

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Tränen rannen wir über die Wangen, als ich nun mit Shadow den Platz verließ. Wir hatten es geschafft und nicht aufgegeben. Wie waren an unserem Ziel angekommen und dafür beide mehr als einmal über unseren Schatten gesprungen. Ich sah Kasmir die sich durch die Reihen der Zuschauer schob und mir immer wieder freudig zuwinkte. Doch beim Ausritt des Platzes wartete schon Mali auf mich, die einen eindeutig kürzeren Weg vom Start bis hierher gehabt hatte. "Ihr habt es geschafft!", jubelte sie, als ich bei ihr war. Ich ließ mich aus dem Sattel gleiten, meine Beine zitterten unter mir und drohten nachzugeben. Doch Mali war schon da und zog mich in eine feste Umarmung. "Danke Amber", sagte sie und hörte, dass auch sie weinte, "Danke für alles" Ich löste mich von ihr, wir sahen uns an und mussten grinsen. Das war mit Abstand das größte Abenteuer unseres Lebens gewesen. Plötzlich rempelte mich etwas von hinten an, ich drehte mich lachend um. Shadow stand dicht hinter mir und schaute mich aus freundlichen braunen Augen an. Ich umarmte das große Pferd. Ich hatte das Gefühl, dass diese paar Wochen uns fest vereint hatten. "AMBER!", hörte ich nun Kasmir rufen, doch da fiel sie mir schon von hinten um den Hals. Shadow machte erschrocken einen Schritt zurück und ich hatte alle Hände voll zu tun, dass Gleichgewicht nicht zu verlieren. "Ich bin so froh, dass es dir gut geht", rief Kasmir nun und drückte mir die letzte Luft aus den Lungen. "Und ich erst", rief ich noch immer überwältigt und gab Shadow einen freundschaftlichen Klaps. Mali lachte. "Ich dachte echt du fällst runter", sagte sie nun, "Wir konnten deinen ganzen Ritt ja mitverfolgen und ich muss sagen, du hast die Spannung echt oben gehalten" "Für einen kurzen Moment dachte ich auch schin alles wäre vorbei", gestand ich nun und wischte mir die Tränenspuren von meinen Wangen, "Das war mit Abstand das krasseste das ich je in meinem Leben gemacht habe!" "He ihr!", rief auf einmal eine Männerstimme uns zu, "Ihr steht dort im Eingang im Weg, der nächste Reiter kommt gleich!" "Komm wir bringen Shadow in seinen Stall", rief Mali Kasmir und mir zu und drängte sich durch die Menge. Kasmir und ich folgten ihr. "Hast du Herrn Lenning gesehen?", raunte ich Kasmir zu, die neben mir lief. Doch meine Freundin schüttelte nur den Kopf. Der Prüfer war bei unserem Start leider live dabei gewesen. Ich spürte wie meine Hände kalt wurden, er hatte sicherlich etwas anderes erwartet.

Nachdem wir Shadow versorgt hatten traten wir wieder auf den Hof, wo uns unsere Familien bereits erwarteten. Meine Eltern redeten wie wild auf mich ein und auch Kasmirs Eltern zeigten ihre Bewunderung. Doch ich blieb unruhig und sah mich immer wieder um, doch Herr Lenning schien wie vom Erdboden verschluckt. Gemeinsam schlenderten wir nun wieder zum Springplatz um die letzten Reiter noch zu sehen. "Ich habe gar keine Wertnote bekommen", fiel mir dann auf einmal auf und schaute Kasmir irritiert an. Doch die lachte nur. "Doch hast du", sagte sie, "Du hattest eine 6,6 meine ich, euer Start war ja schon etwas... gewagt" Lachend harkte ich mich bei meiner Freundin unter und wir richteten unsere Augen wieder auf die große Leinwand. "Das ist ja Will!", bemerkte ich erst jetzt, wo ich mir Pferd und Reiter genauer ansah. "Stimmt", sagte Kasmir, der es wohl auch erst eben aufgefallen war. Gebannt sah ich auf die Leinwand und drückte meinem Freund die Daumen. Wir würden uns schon irgendwie wieder vertragen. Plötzlich rüttelte mich jemand an meiner Schulter, ich drehte mich erschrocken um. Es war Ed, seine Miene war finster. Er musste nichts sagen, denn ich verstand sofort was los war und stand ruckartig auf. Mit wackeligen Beinen folgte ich meinem Reitlehrer durch die Menge, Kasmir klammerte sich an meinen Arm und ich war irgendwie froh, dass sie mit uns kam. Wir liefen auf direktem Weg zu den Ställen. Der große Hof war so gut wie leer, meine Eltern waren uns auch gefolgt. Mali stand ebenfalls im Hof und hielt mit ihren Händen Shadows Strick umklammert. Herr Lenning stand neben ihr und machte seine letzten Notizen. Mein Herz klopfte bis zum Hals, als wir uns ihnen näherten. Ich hatte Angst. Es war heute nicht alles glatt gelaufen, wie auch im Training hatten wir Höhen und Tiefen gehabt. Doch was für mich zählte war, dass wir es in dieser kurzen Zeit überhaupt geschafft hatten. "Ah, wir sind komplett", sagte Herr Lenning, als er uns sah. Mein Mund wurde ganz trocken und mein Blick huschte zu dem schwarzen Pferd, dass ganz ruhig neben Mali stand. "Ich habe sie heute den ganzen Tag beobachtet", bagann Herr Lenning, "Habe geschaut wie sie mit diesem Pferd umgehen, wie es sich verhält und wir ihr die Prüfungen meistert. Eine Dressurprüfung gab es ja nicht mit ihm, aber das ist gar nicht schlimm" Mein Blick huschte zu Mali, aber sie zuckte nur mit den Achseln. Ein Zittern überkam mich. "Bitte, wenn ich noch etwas sagen darf", sagte ich nun und machte einen Schritt auf Herrn Lenning zu, "Das hier war mein erstes Tunier mit Shadow, ich konnte nicht einschätzen wie er sich verhalten würde. Das er vor dem Start der Geländeprüfung so abgegangen ist, ist komplett meine Schuld. Ich hätte anders reagieren können, aber ich war auch so aufgeregt und das hat sich dann bestimmt auch auf Shadow übertragen und..." Ich atmete tief durch, so schnell hatte ich geredet. Herr Lenning wollte schon etwas sagen, doch ich hob die Hände. "Was ich eigentlich sagen wollte", fing ich nun nochmal langsamer an, "Ich weiß, dass es heute nicht perfekt gelaufen ist. Shadow ist ein schwieriges Pferd und ich muss auch noch eine Menge lernen, aber ich habe keine Bedenken, dass man das nicht hinbekommen kann. Mali reitet super, sonst wäre sie hier keine Reitlehrerin und Ed hilft auch wo er kann. Shadow ist nicht gefährlich, er hat nur nicht so gute Erfahrungen gemacht. Aber das ist doch kein Grund ihn Mali wegzunehmen. Wir werden immer weiter an ihm arbeiten und wir würden auch nie ein Risiko eingehen was uns, andere oder Shadow gefährdet" Mein Mund war ganz trocken, als ich nun Herr Lenning ansah. Zu meinem erstaunen lächelte mich der Mann an, es war ein warmes Lächeln, eins ohne böse Absichten. "Ich bewundere sie für ihren Einsatz", sagte er nun und blickte feierlich in die Runde, "Ich wünschte mir wirklich mehr Menschen hätten dieses Verständnis für Tiere wie ihr es alle wohl zu haben scheint. Zu oft werden Tiere überfordert, dass sie unter dem Druck brechen. Euer Pferd scheint ein ähnlicher Fall zu sein, aber ich bin überzeugt, dass ihr es schaffen werdet" Ich blinzelte, was hatte er gerade gesagt? Ich versuchte seine Worte im Kopf wieder zusammen zu setzen, doch ich war zu aufgeregt. Kasmir stieß mir in die Seite, aber wirkte auch verwirrt. Es war kurz still, so still das ich mich nicht traute auszuatmen. "Heißt das", begann Mali zögernd, "Heißt das Shadow darf bleiben?" Alle Augen richteten sich auf Herr Lenning, der uns nur verständnislos anblickte. "Natürlich heißt das er darf bleiben", sagte er nun und lachte. Die Welt hörte sich auf zu drehen, doch mir wurde schwindelig. Ich glaubte auf Wolken zu schweben und unsaft auf den Boden zu fallen, als mir nun Kasmir jubelnt um den Hals fiel. Wir hatten es geschafft! Innerhalb von wenigen Sekunden sprangen wir wild durcheinander und lagen uns in den Armen. Shadow durfte auf dem Hof bleiben! Die letzten Wochen flogen an mir vorbei, das viele Training, die vielen Gespräche, der Kummer, aber auch die Freude, das Vertrauen und der Mut, den Shadow mir gegeben hatte. Mali war erst Herr Lenning um den Hals gefallen, dann Ed und jetzt bei Shadow angekommen. Shadow der natürlich nicht verstand, was gerade los war, blickte uns alle mit großen Augen an. Ich rannte zu Mali und fiel ihr um den Hals. "Wir haben es geschaff!", rief ich und Tränen rannen mir die Wangen hinunter, "Wir haben es allen gezeigt!" Mali lachte und weinte gleichzeitig. "Das haben wir!", rief sie, "Dank dir!" Ich glaubte meine Beine würden unter mir nachgegeben. Ich taumelte zu Shadow, der den Kopf hochgerissen und seine Ohren angelegt hatte. Ich lachte, "Wenn du wüsstest, was wir für dich durchgemacht haben" Shadow kam mit seinem Kopf ganz nahe zu mir und stupste mich ganz vorsichtig an. Mein Herz begann noch schneller zu klopfen. Momente wie diese beweisten mir, wie richtig es gewesen war für dieses Pferd zu kämpfen. Ich lächelte den schwarzen Wallach mit der weißen Blesse an. Er war ein Rüpel, aber einer mit dem Herzen eines Gewinners. 

Black Shadow - GefundenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt