Kapitel 9

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Am langen Zügel ritten wir die letzten Meter zurück zum Hof. Mittlerweile hatten uns Emilio und Noah auch wieder eingeholt und ritten nebeneinander hinter Ed und mir her. Bella hatte schon aufgehört so stark zu schnaufen und wirkte komplett entspannt. Als wir wieder am Reitplatz vorbei kamen, ritt Mali gerade Goldi. Sie konnte wirklich toll reiten, man sah ihr die Anstrengung nicht im geringsten an und ihre Hilfen waren so fein, dass ich mir nicht sicher war, ob sie überhaupt welche gab. Ich klopfte Bella den Hals, dass würden wir auch irgendwann erreichen. "Weißt du, wie es mit Malis neuen Pferd weitergeht?", fragte ich Ed unvermittelt und hätte mir am liebsten auf die Zunge gebissen. Warum war ich nur immer so neugierig? Doch Ed zuckte nur die Schulter, "Behalten wird sie ihn wohl erstmal" "Aber sie kann ihn doch unmöglich reiten, der bringt sie doch beide um!", rief Emilio und riss die Augen auf. "Ach Leute, ihr müsst auch mal tiefer blicken und euch nicht nur vom Schein trüben lassen", antwortete Ed gelassen, "Ich glaube auch, dass es für das Pferd bei seinem alten Besitzer schwer war. Das hat man ja schon an seiner Haltung mir gegenüber gesehen, aber lasst ihn doch erstmal ankommen und wartet ab wie es sich entwickelt, bevor ihr euch vor ihm zu Tode fürchtet" Damit brachte er uns alle zum schweigen. Vielleicht hatte er recht. Auch wenn der erste Eindruck von diesem Pferd nicht so erfreulich gewesen war, hatte auch er eine zweite Chance verdient. Vielleicht hatten wir uns auch alle nur in ihm getäuscht und in ein paar Tagen war er wieder so, wie Mali es erzählt hatte. Das hoffte ich zumindest, für Mali.

Am Abend saß ich mit Emilio, Will und Kasmir in unserem Zimmer. Wir durchforschten das Internet nach Tunieren in der Nähe und wurden nach langem suchen endlich fündig. Wir hatten eine Ausschreibung zu einem Tunier gefunden, dass nur 45 Minuten von hier entfernt war. Auch wenn ich mir am Anfang nicht sicher gewesen war, ob das nicht zu spontan sei, da das Tunier schon diesen Samstag war, also in vier Tagen. Aber die anderen hatten einfach zu überzeugende Argumente gehabt und auch mir gribbelten die Finger bei dem Gedanken wieder aufs Tunier zu fahren. Wir schrieben uns schließlich alle für ein A-Stillspringen ein. "Erstmal wieder entspannt anfangen", hatte Kasmir gesagt und ich fand auch, dass das mehr als genug war. Vorallem, da Bella in den Tagen davor viel geschafft hatte. Nach dem Rennen von heute Mittag würde sie morgen bestimmt Muskelkater haben, dabei würden wir morgen schon wieder auf die Geländestrecke gehen. Ich hatte sofort ein schlechtes Gewissen. Nun verstand ich, warum mehrere Pferde wirklich einen Vorteil brachten. Ich war noch so sehr mit meinen Gedanken beschäftigt, dass ich erschrocken aufsah, als Emilio meinen Namen rief. "Erde an Amber bitte kommen", rief er laut und formte seine Hände zu einem Trichter. Ich blickte verwirrt in die Runde, sechs Augenpaare sahen mich erwartungsvoll an. Über was hatten sie gerade gesprochen? "Tut mir leid, um was ging es gerade?", fragte ich verwirrt. Die anderen lachten. "Emilio hat uns gerade von deinem Rennen mit Ed erzählt", klärte mich Kasmir auf, "Hast du ihn wirklich gefragt, ob er Angst hat zu verlieren?" Ich kicherte, "Es hatte sich in diesem Moment durchaus angeboten, ja" Nun lachten wir alle, bis wir durch ein klopfen gegen die Wand gestört wurden. "Ruhe jetzt, ich verstehe kein Wort im Fernsehen!", hörten wir Megan von nebenan rüber schreien. Leider hatten sie und Lis das Zimmer direkt neben uns. Wir lachten noch mehr. "Was sie wohl gerade schaut?", japste Kasmir und rang nach Luft. "Bestimmt etwas super spannendes wie 'Germanys next Topmodel' ", rief Emilio und hielt sich den Bauch. "Nein das kommt im Moment nicht, erst wieder nächstes Jahr!", rief Kasmir empört. "Oh Gott, noch eine Verrückte!", Emilio hielt sich die Hände vor die Augen, woraufhin ihn Kasmir mit einem Kissen abwarf. Wir alberten noch ein bisschen herum, dann mussten die Jungs gehen, da sie sonst ärger von Rosi bekommen würden, da nun eigentlich alle auf ihren Zimmern sein sollten. Ich stand an unserer Zimmertür und spähte in den dunklen Flur, Kasmir war Richtung Gemeinschaftsraum gelaufen und schaute ob Rosi dort noch irgendwo herumlief. "Los!", hörte ich sie rufen und ich winkte den Jungs, dass sie nun schnell den Flur runter und in ihr Zimmer verschwinden konnten. Schnell huschten sie an mir vorbei. "Bis morgen", wisperte Will mir noch zu und schenkte mir ein leichtes lächeln. Ich schaute ihm nach, bis er im dunkeln verschwand. Als ich mich wieder zur Tür drehte erschrack ich zur Tode, aber es stand nur Kasmir vor mir. Sie hob die Augenbrauen und zwinkerte mir zu. Ich verdrehte die Augen und schob sie in unser Zimmer.

Es war schon nach Mitternacht, als ich aufwachte. Ich hatte einen schlimmen Albtraum gehabt und war froh über die Stille die mich nun umgab. Zum Fenster scheinte der Mond und erleuchtete den Reitplatz. Ich hatte großen Durst, also ich schlich ich leise aus dem Zimmer, in den Gemeinschaftsraum und dann in die Küche. Nach einem Glas Leitungswasser ging es mir deutlich besser, nur war ich nun auch hellwach. Ob es jemanden stören würde, wenn ich nochmal kurz nach Bella sah? Ich wusste, dass es streng verboten war nachts die Ställe zu betreten, aber nun würde ja niemand mehr wach sein. Hastig zog ich meine Schuhe an und lief Richtung Stallungen. Nala kam mir auf dem Hof entgegen getappt, Gott sei Dank hatte sie mich am Geruch erkannt, sonst hätte sie womöglich Alarm geschlagen und alle geweckt. Gemeinsam betraten wir den Stall. Als ich gerade den Westfstrackt betreten wollte, hörte ich ein schrilles wiehern und das schnelle rascheln von Stroh. Es kam aus dem Nordtrackt, wo die Pferde der Reitlehrer standen. Wieder erklnag ein schnauben. Sollte ich schnell dahin schleichen und schauen, was los war? Vielleicht hatte ein Pferd eine Kolik oder ähnliches bekommen. Unschlüssig stand ich im Gang und haderte noch mit mir, als Pferdehufe gegen Holz schlugen. Ich musste nun einfach schauen was los war, vorsichtig betrat ich nun den Nordtrackt. Aufgebaut war der Teil des Stalles wie unserer, nur das hier deutlich mehr Pferde standen. Der Mond erhellte die Stallgasse und ich schlich vorsichtig an den Boxen entlang, bis ich vor der stand, aus der die Geräusche drangen. Als ich vorsichtig durch die Gitterstäbe lugte, blickte ich in ein paar schwarz glänzende Pferdeaugen. Erschrocken schnappte ich nach Luft und machte einen Sprung zurück. Auch das Pferd schreckte zurück und verzog sich an die hintere Wand. Ich atmete erleichtert aus. "Da haben wir uns aber nun beide ganz schön erschrocken was?", sprach ich das schwarze Pferd mit der weißen Blesse an und machte wieder einen Schritt auf die Box zu. "Was machst du denn für einen Lärm?", fragte ich den jungen Wallach, der neugierig den Kopf zu mir drehte. "Hattest du auch einen Albtraum?", fragte ich leise und die Anspannung wich endlich aus meinem Körper. Sofort reagierte das Pferd, kam zögerlich auf mich zu und blieb bis kurz vor den Boxenstäben stehen. "Ja, so ist es brav", sagte ich leise und streckte meine Hand durch die Stäbe. Das Pferd kam zögerlich mit seinem Kopf näher und schnupperte vorsichtig an meiner Hand, dann zog es den Kopf blitzschnell wieder zurück. Ich trat ebenfalls ein Stück zurück, um das Boxenschild lesen zu können. 'Black Shadow' stand daruf, die Besitzerin war Mali. Dann traf mich der Nagel auf dem Kopf, es war das Pferd von heute mittag. Langsam ging ich wieder auf die Stäbe zu und spähte in die Box. Der Wallach stand still bei seinem Fenster und beobachtete mich. Ich lächelte ihm zu. "Und jetzt sei schön leise und ruh dich aus, manche Pferde müssen morgen arbeiten" Er grummelte und ich lachte, vielleicht sollte ich auch auf meinen Rat hören. Bevor ich wieder zurück in mein Zimmer schlich, schaute ich noch schnell bei Bella vorbei und war erfreut, dass sie friedlich in ihrer Box lag. Als ich wieder in mein Bett kroch, konnte ich die Augen kaum noch offen halten und fiel schnell in einen tiefen, ruhigen Schlaf.

Black Shadow - GefundenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt