Kapitel 11

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Als ich Bella auf den Hof führte war die Sonne schon von dicken, grauen Wolken umzingelt. Es würde heute abend oder spätestens heute Nacht regnen. Kasmir, Megan und Noah waren schon draußen und stiegen auf, ich tat es ihnen gleich und wir ritten gemeinsam zum Start der Geländestrecke. Schon auf dem Weg dahin merkte ich, dass Bella nicht ganz so fit war, wie sonst. Das viele Laufen der letzten Tage setzte ihr wohl doch ganz schön zu, morgen würden aber sie und die anderen Pferde einen faulen Tag auf der Koppel verbringen dürfen. "Meinst du wir werden gleich eine ganze Strecke reiten?", fragte ich Kasmir die neben mir ritt. Apple Pie lief mittlerweile auch relativ gelassen am halblangen Zügel neben uns her und war nicht mehr so aufgeregt. "Puh, ich hoffe nicht", meinte Kasmir und klopfte ihrer Schimmelstute den Hals, "Apple Pie ist etwas müde heute." "Ja, Bella nämlich auch", antwortete ich. Wir ritten nun am Springplatz vorbei, der gerade nocheinmal abgezogen wurde, Pen wartete mit einer Reitgruppe geduldig bis sie wieder drauf konnten. "Huch, dass sind aber ganz schön junge Reitschüler bei Pen", merkte Kasmir an und drehte sich nocheinmal im Sattel um, als wollte sie sicher gehen, dass sie sich nicht verguckt hatte. Auch ich drehte mich nochmal um und winkte Pen kurz zu, die bei einem kleinen Reitschüler nochmal nachgurtete. "Stimmt", sagte ich verblüfft, "Die sind vielleicht 11 oder 12..." "Falls ihr das noch nicht wusstet", giftete Megan uns von vorne an, sie war sichtlich genervt, "Das ist der Unterricht, für die kleinen Nachwuchsreiter. Sie trainieren hier einmal im Monat. Manche haben Talent und bekommen dann eine Einladung zur Akademie, aber manche sind einfach talentlos. Keine Ahnung warum die dann nicht einfach aus der Gruppe aussortiert werden." Sie rümpfte die Nase, als fände sie alleine den Gedanken zuwieder, dass Kinder hier auch ritten. "Aber ist doch eine schöne Sache für die Kinder", rief Kasmir begeistert, "Sie bekommen tollen Unterricht und wissen später auf was sie sich einlassen." Ich nickte zustimmend, "Es ist wirklich schwer guten Unterricht zu finden, gerade wenn man noch jung ist. Dann wird man ja häufig in irgendeine Abteilung gesteckt." Megan musterte mich, "Du musst es ja wissen." Damit drehte sie sich im Sattel wieder um und ritt unbeirrt weiter. Kasmir verdrehte die Augen und ich musste lachen.

"Da eure Pferde gestern schon viel gelaufen sind, üben wir heute nur ein paar Sprünge", meinte Ed, er stand mitten auf einem kleinen Rasenplatz, wo verteilt ein paar Baumstämme lagen. "Schwierige Sachen üben wir das nächste mal, heute geht es nur um Sicherheit" Wir nickten eindrächtig. Ich schaute zu Megan hinüber, sie blickte gelangweilt drein. Wahrscheinlich hatte sie ihr ganzes Leben lang guten Reitunterricht genossen und kannte es gar nicht in einer so großen Gruppe wie jetzt zu reiten. Wir fingen an unsere Pferde erst mal im trab und im Galopp zu arbeiten. Ed schaute jeden von uns kritisch an, sagte aber zu keinem etwas. Nach einiger Teit pfiff er uns alle zu sich. "Was war das denn?", fragte er entgeistert, "Wir sind hier nicht im Dressurviereck" Wir schauten betreten zu Boden. "Ihr lasst eure Pferde einfach nur so dahin galoppieren und habt keine Spannung auf die Bügel. Wenn ich euch jetzt springen lassen würde, würdet ihr der Reihe nach runterfallen. Ihr braucht hier draußen einen gewissen Fluss und auch ein bisschen Tempo. Die einzige die es annähernd gebacken bekommt ist Amber" Hatte er mich gerade gelobt? Schien so, denn wenn Blicke töten könnten, würde ich jetzt nach Megan einen qualvollen Tod sterben. "Springen könnt ihr heute vergessen, ich möchte das ihr alle jetzt hintereinander um den Sprünge galoppiert und zwar komplett im Schwerpunkt. Amber reitet vorneweg, der Rest reiht sich ein. Marsch!" Es war anstrengend, die Pferde waren müde und Ed ließ uns jetzt bestimmt schon 10 Minuten um ihn herum galoppieren und bellte uns irgendwelche Befehle zu. Ich war erleichtert als er zumindest etwas zufrieden war und uns hoch schickte mit den Worten: "Frau Lodrig wird nicht begeistert sein" Schweigend ritten wir zurück zum Hof, die Stimmung war bedrückt. "Ich glaube meine Beine tuen weh vom treiben", stöhnte Kasmir und rutschte im Sattel hin und her. Wir ritten wieder am Platz vorbei, wo die Kleinen mittlerweile auch am trocken reiten waren. "Ich dachte, dass wäre eine Reitschule mit Klasse", schnaubte Megan verächtlich, schaute zu den Kindern und warf dann uns giftige Blicke zu. "Bleib mal auf dem Teppich", feuerte Kasmir zurück, "Du warst heute auch nicht gut und sind wir nicht hier um zu lernen?" Megan kräuselte verächtlich die Nase, gab Golden Flashlight die Sporen und trabte an uns vorbei. "Die ist doch wahnsinnig, oder?", rief Kasmir und blickte ihr grimmig nach. Ich lachte kurz aus, "Naja muss ein harter Tag gewesen sein, erst Kinder auf ihrem heiligen Reitplatz, dann mit uns in einer Einheit, dann ein nicht so gutes Training..." "Du warst besser, als sie", unterbrach mich Kasmir lachend. Ich nickte, "Ja schon, aber es war trotzdem nicht besonders gut, ich weiß wir sind besser" "Sei nicht so streng mir dir", tröstete mich Kasmir, "Die Pferde sind einfach müde" Mittlerweile waren wir am Tor zum Reitplatz angekommen, wo die Kinder gerade ihren Pferden die Gurte lockerten und die Hufe auskratzten. "Hey Pen", rief ich und ritt auf sie zu. Kasmir und Noah waren schon weiter geritten. "Hey Amber, wie war das Training?", Pen kam lächelnd auf mich zu. "Durchwachsen", gab ich ehrlich zu, "Die Pferde brauchen wirklich ihren Tag Pause morgen" "Ja am Anfang ist die Umstellung echt hart, aber sie gewöhnen sich schnell daran", versicherte Pen mir. Ich nickte dankbar, es würde sich schon alles regeln. "Mali überlegt Shadow morgen mal zu reiten", erzählte Pen mir und irgendwas schwang in ihrer Stimme mit, was ich nicht deuten konnte. Ich war nervös, ob das so eine gute Idee war? Pen war wohl ähnlicher Ansicht, denn sie sagte nun nichts mehr. Gemeinsam ritt ich mit Pen und den Kindern nach oben. "Du hast aber ein hübsches Pferd", sprach mich aufeinmal ein kleines Mädchen mit braunen Zöpfen an, sie war vielleicht 11 und führte ein graues deutsches Reitpony neben mir her. Sie trug Gummireitstiefel und ihre Reithose hatte einen Flicken am Knie. "Oh vielen Dank, dein Pony ist auch sehr süß", antwortete ich freundlich. Das Mädchen strahlte mich an und ich sah den puren Stolz in ihren Augen. "Danke!", rief sie erfreut, "Aber er gehört mir leider nicht, er gehört meiner Tante. Meine Eltern haben nicht genug Geld für ein eigenes Pony" Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. Ich konnte sie gut verstehen, meine Eltern hatten damals auch mehrmals überlegt, ob sie mir ein Pferd kaufen konnten. Auf dem Hof angekommen verabschiedete sich das Mädchen von mir und ging strahlend auf ihre Eltern zu, um ihnen von der Reitstunde zu erzählen. "Wer war das?", fragte ich Pen neugierig, nachdem ich abgestiegen war. "Das ist Molly, meine Nachbarin", antwortet Pen traurig, "Sie reitet wirklich schön für ihr Alter, aber ihre Eltern haben kein Geld um sie dort weiter zu fördern" Sie winkte Mollys Eltern noch kurz zu, bevor die mit ihrer Tochter verschwanden. Ich war verdutzt. "Aber wie können sie dann die teuren Reitstunden hier bezahlen?", fragte ich verwundert. "Las das mal meine Sorge sein", lachte Pen, "Ich finde jeder verdient eine Chance"

Black Shadow - GefundenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt