Kapitel 17

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Es war noch recht früh am morgen, die Sonne stand noch tief und tauchte den Hof in ein kräftiges Orange. Die ersten Vögel flogen schon umher und Galdenso, einer der Stallarbeiter, brachte gerade Golden Flashlight und Dusty auf die Koppel. Bella würde ich später selbst rausbringen, denn ich hatte heute schon sehr früh Training bei Frau Lodrig. Dressurtraing, Einzelunterricht. Mir war etwas mulmig zu mute, aber ich riss mich noch zusammen. Aber bevor ich Training hatte und Frühstücken gehen konnte, wollte ich noch mit Mali zusammen Shadow auf die Koppel bringen. Daher war ich auch schon so früh auf den Beinen, denn Mali  würde später ja auch noch Unterricht geben. Nun wartete ich also geduldig, dass sie mit Shadow endlich aus dem Stall kam. Warum dauert das denn so lange? Ich winkte Pen kurz zu, die gerade auf ein dunkelbraunes Pferd aufstieg und Richtung Platz ritt. Dann kam endlich Mali mit Shadow aus dem Stall, der  Wallach schien viel entspannter als sonst. "Woh", rief ich beeindruckt, "Hast du das falsche Pferd aus der Box geholt?" Mali lachte und klopfte Shadow den Hals. Er schaute aufmerksam umher und drehte interressiert die Ohren. "Keine Ahnung, aber irgendwie bin ich heute ruhiger als die letzten Tage, obwohl er mich ja gestern abgeworfen hat", antwortete Mali und betrachtete ihr Pferd nachdenklich. "Das ist mir auch schon aufgefallen", stimmte ich ihr zu und wir liefen los Richtung Koppeln, "Wenn man selbst ruhig ist und diese Ruhe ausstrahlt ist er ganz anders" Mali nickte zustimmend und Shadow beachtete uns nicht mehr, seine Aufmerksamkeit galt Pen, die nun auf dem Platz ihre Runden ritt. "Es ist schon komisch", meinte Mali nun nachdenklich, "Sobald man von ihm etwas verlangt oder Angst hat wird er total panisch und unsicher... Ich möchte nicht wissen was er erlebt hat, dass er kein Vertrauen mehr zu den Menschen hat. Dich und mich scheint er nun ja ganz okay zu finden, da wir nicht so steif ihm gegenüber sind, aber ich sage mal so, wenn er mich noch tausendmal absetzt weiß ich auch nicht..." Ich schaute Mali von der Seite an, sie sah wirklich niedergeschlagen aus und ich verstand sie nur zu gut. Klar, beim reiten stürzte man auch, dass gehörte dazu. Jeder der ein Pferd bestieg wusste, dass er immer runterfallen konnte, selbst von Bella konnte man stürzen. Doch auch wenn man einem Pferd wirklich vertraute, so wie ich Bella, so stieg man nach einem schweren Sturz trotzdem mit einem mulmigen Gefühl auf. Natürlich hatte ich keine Angst vor Bella, es war einfach eine Kopfsache. Manchmal spielte einem sein Unterbewusstsein fiese Streiche und zeigte einem, was ja als hätte passieren können. Ich fand es also nur verständlich, dass Mali unsicher war. Sie kannte Shadow noch nicht lang und wusste nicht, wann er sensibel reagierte oder wie weit er gehen konnte. "Ich glaube dieses Pferd braucht einfach wieder mehr vertrauen, er hat sich gestern ja erst gar nicht getraut richtig zu laufen", meinte ich nachdenklich. Mali dachte kurz nach, "Ja vermutlich... Ich möchte eh mehr über seine Vergangenheit erfahren. Er ist ja als Tunierpferd eingetragen, da werde ich also was finden" Die Idee fand ich wirklich gut, vielleicht konnte man ja auch mit den alten Besitzern oder so Kontakt aufnehmen. Wir waren mittlerweile an der Koppel angekommen. Sie war direkt neben unserer, also konnte ich Shadow auch von meinem Zimmerfenster aus beobachten. Mali blieb stehen und wartete bis ich das Gatter geöffnet hatte. Shadow würde hier fürs erste alleine stehen, bis sich ein passendes Beistellpferd fand. "Na Kleiner, hast du Lust zu grasen?", fragte Mali ihr Pferd und führte es auf die Koppel. Er sah es komplett gelassen. "Wie abtrainiert er ist", stellte ich erschrocken fest, als Shadow nun im Morgenlich an mir vorbei ging. Seine Gruppe war eingefallen, sein Hintern ebenfalls. Nur sein Hals hatte noch eine schöne Muskellatur. Wie er das geschafft hatte war mir allerdings ein Rätsel. Mali nickte zerknirscht und harkte den Strick ab. Shadow lief gemütlich über die Koppel und fing an zu fressen. "Also das habe ich nun nicht erwartet", rief ich lachend und schaute ihm nach. Mali hatte ihn in den letzten Tagen ordentlich geputzt und auch seinen Schweif geschnittten, so dass sein Fell jetzt in dem orangenen Licht glänzte. Es war wirklich Pechschwarz, keine Spur von einem Braunton. "Ich auch nicht", meinte Mali grinsend und kam zu mir ans Gatter, "Aber du hast recht, dieses Pferd braucht wieder Training, so wie der beim longieren getobt hat, wurde er echt vernachlässig. Ich finde es nur so komisch, beim Probereiten ist mir das gar nicht so stark aufgefallen" "Ich glaube Händler haben auch schon so ihre Tricks...", sagte ich tröstend zu ihr, dass sie von Shadows Händler hinters Licht geführt wurde, war mehr als klar. Wir quatschten noch ein bisschen über Shadow, Mali wollte ihn auf jeden Fall antrainieren und wieder dem Menschen annähern. Ich hörte ihr aufmerksam zu und fande ihre Ansätze furchtbar spannend. Nach einer Weile machten wir uns wieder zurück zum Hof, ich musste Bella nun auch fertig machen und wollte nochmal über meine Stiefel putzen. Plötzlich hörten wir ein wiehern, wir drehten uns zeitgleich um zu den Koppeln. Ich grinste, Shadow trabte voller Lebensfreude über sein Stück grün, im Maul noch Gras. Er schüttelte kurz seine Mähne, dann jackte er los, einmal quer über die Koppel. Mali lachte, "Schau doch, wie zufrieden er jetzt wirkt" Das stimmte, mit einem mal strahlte dieses Pferd so viel Lebensfreude aus und eine unbändige Anmut. Wie musste er erst wirken, wenn er wieder kräftiger war? Wir blieben noch so lange stehen, bis sich Shadow wieder dem Gras gewidmet hatte. Nun stand er wieder ganz friedlich und schnaubte ausgiebig, dieser Anblick erfüllte mein Herz mit Wärme und ich empfand eine tiefe Zuneigung für dieses Pferd. Vielleicht würde doch noch alles gut werden.

Black Shadow - GefundenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt