Kapitel 39

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Es war lange nicht mehr vorgekommen, dass ich froh darüber gewesen war vom Pferd absteigen zu dürfen, doch heute war es der Fall gewesen. Obwohl Shadow dann am Ende wieder lieb und brav gewesen war, hatte mir der Schreck noch ganz schön in den Knochen gesessen. Nun sattelten Kasmir und ich ihn gerade ab. Wir mussten uns etwas beeilen, denn gleich würde es Frühstück geben. "Krass, wie der toben kann", schnitt Kasmir wieder das Thema an, sie war gerade dabei seine Bandagen aufzuwickeln.  "Das kann man wohl sagen", stimmte ich zu, "Aber ich glaube es lag wirklich an den Sprüngen" "Vermutlich", pflichtete Kasmir mir bei, "Ihr wärt ja fast nicht auf den Platz rauf gekommen" Ich bügte mich, um eine andere Bandage aufzuheben, doch als ich mich wieder aufrichtete merkte ich meine Rippen deutlich. Langsam, vorsichtig und mit einem wahrscheinlich verzehrten Gesicht richtete ich mich wieder auf. "Komm ich mach die Bandagen und du sattelst ab", hörte ich Kasmirs Stimme hinter mir. Ich nickte und reichte ihr meine Bandage. "Eigentlich hat Shadow großes Glück, dass er jetzt hier ist", redete Kasmir weiter, während ich den Sattel von Shadows Rücken hob, "Hier hat sein Leiden endlich ein Ende" Dem konnte ich nur zustimmen, der Wallach schien auch wirklich dankbar für die Zuwendung, die er hier bekam, zu sein. "Trotzdem wüsste ich gerne, wer ihn so zugerichtet hat", sagte ich bitter und klopfte Shadow den eleganten Hals, "Derjenige gehört weggesperrt" "Unbedingt", bestätigte Kasmir, "Das Ekelhafte daran ist ja, dass dieser Kerl bestimmt noch mehr Pferde so zurichtet. Alles nur für Geld und Ruhm" Shadow stupste mich freundschaftlich in die Seite, als ich ihm nun seinen Sattel vom Rücken nahm. Ich hatte keine Angst vor ihm, auch wenn er mich eben noch abgeworfen hatte. Ich wusste, dass ich es nicht persönlich nehmen durfte. Shadow reagierte manchmal sehr stark auf sein Umfeld, aber wenn er einen oder etwas kannte war er fast so lieb wie meine Bella. "Ich reite ja auch gerne Tuniere, aber mir steht das Wohl meines Pferdes an erster Stelle", sagte ich bitter, "Ich könnte es mir doch nie verzeihen, wenn Bella durch mich einen Schaden erlangt" "Geht mir genauso", pflichtete Kasmir mir bei, "Tuniere sind toll, aber in Maßen. Ich beneide ja Megan wirklich dafür, dass ihre Eltern das Geld haben ihr noch ein Pferd zu kaufen. Sie hat dann so viel mehr Möglichkeiten" Darüber hatte ich gar keine Gedanken mehr verschwendet. "Ja, dass ist schon cool", musste ich nun auch gestehen, "Vorallem kannst du davon ausgehen, dass es ein echter Kracher wird!" Kasmir lachte, "Die Glückliche, echt! Ich würde auch gerne mehr Pferde reiten" Ich legte meiner Freundin den Arm um die Schultern, "Das wird schon, wir sind erst einen Monat hier" Es war wirklich erst einen Monat, die Zeit war jedoch zu schnell vergangen. Gefühlt war es erst gestern gewesen, dass ich mit Bella durch das große Eingangstor gelaufen war. Diese kurze Zeit war schon so intensiv gewesen, dass es sich länger anfühlte. "Wie sich ein Leben ändern kann, was?", sagte ich und musste einen Kloß runterschlucken. Nie hätte ich damit gerechnet mich nach einem Monat hier so wohl zu fühlen. Ich hatte Freunde gefunden und so viel gelernt. Auch in der nahen Zukunft würde noch viel passieren: die Meisterschaften waren zum greifen nah, Mali würde bald wieder Shadow reiten können und ich würde Molly helfen ihr Reitabzeichen zu machen. Plötzlich fiel mir Kasmir von hinten um den Hals. "Jetzt werd mal nicht zu sentimental", lachte sie, "Verrate mir lieber dein Geheimnis so ruhig zu reiten, dass dir Mali ihre ganzen Pferde anbietet" Ich lachte, "Du wirst auch noch Pferde zum Reiten bekommen, ganz sicher" Wir grinsten uns an, obwohl wir uns erst so kurz kannten, wollte ich auch Kasmir nicht mehr in meinem Leben missen, ebenso Will und Emilio. "Von der würde ich keine Tipps annehmen", hörten wir auf einmal eine spitze Stimme hinter uns. Erschrocken drehten wir uns um, Megan stand breitbeinig in der Boxentür. Sie war so plötzlich gekommen, dass selbst Shadow die Ohren anlegte und einen Schritt zurück machte. "Was willst du hier?", fragte Kasmir kalt, "War dir langweilig oder was?" "Ich wollte nur nochmal nach Shadows Abstammung schauen, die steht ja hier auf seinem Boxenschild", antwortete Megan nur. "Warum willst du seine Abstammung wissen?", fragte ich reflexartig. "Ich will mir ein ähnliches Pferd wie ihn kaufen", Megan zuckte nur die Schultern, "Ich hätte ja auch ihn gekauft, aber Mali hat mein Angebot ausgeschlagen. Vermutlich besser so, er wird ja im Moment nur von Anfängern geritten, die er prima abwerfen kann" Wut kochte in mir hoch, hatte sie uns beobachtet? Meine Finger verkrampften sich. "Pass lieber auf, wenn Shadow noch gelassener wird kannst du mit deinem neuen Pferd einpacken", schoss Kasmir zurück, doch Megan lachte nur auf. Ich spürte Shadows Atem in meinem Nacken, der mir eine Gänsehaut machte. "Wenn er noch so lange hier ist", sagte Megan und grinste schadenfroh. Ich konnte sie nur anstarren. Sie hatte doch eben gesagt, dass Mali Shadow nicht verkaufen wollte. Doch an ihrem Gesicht konnte ich jetzt sehen, dass sie sich über mein verwirrtes Gesicht diebisch freute. "Ganz richtig", sagte sie nun zuckersüß, "Verabschiede dich schonmal von dem Klepper, der wird hier nicht mehr lange sein" Damit drehte sie sich um und maschierte aus dem Stall. Kasmir und ich konnten ihr nur mit großen Augen nachschauen. "Was war denn das?", fragte Kasmir nach kurzer Zeit. Ich schüttelte nur den Kopf, mein Herz klopfte heftig gegen meine Brust. Megan hatte es auf Shadow abgesehen, dass hatte ich ja schon gewusst. Ich konnte mich noch gut an das Gespräch erinnern, dass ich zwischen ihr und Lis belauscht hatte. Damals hatte sie Shadow auch schon kaufen wollen, aber Mali noch nicht gefragt gehabt. Doch wenn Mali nun nein gesagt hatte, warum sollte Shadow dann wegkommen? "Hey, jetzt mach die keine Sorgen, sie will uns nur verunsichern", sagte Kasmir und legte mir einen Arm um die Schulter. Doch auch sie sah wenig überzeugt aus. "Das ist Megan", brachte ich nur hervor, "Wenn sie einen Plan hat, dann setzt sie ihn auch durch" "Aber sie hat kein Mitbestimmungsrecht bei Shadow, was soll sie machen?", versuchte Kasmir einzulenken, aber ich glaubte ihr nicht. "Glaub mir, da kommt etwas auf uns zu, wir wissen nur noch nicht was" 

Black Shadow - GefundenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt