Kapitel 19 - Entschluss

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Meine Sicht verschwamm immer mehr, während Daisukes Worte in meinem Kopf auf Dauerschleife spielten.

"Bitte verzeih mir...Kenji...er..."

Ich griff mir mit beiden Händen an den Kopf und sackte runter auf die Knie. Was war auf seiner Mission nur passiert? Kaya kniete neben mir und drückte mich fest an sich, während sie mit sanfter Stimme auf mich einredete, aber ich hörte sie gar nicht mal. Alles um mich rum fühlte sich so surreal an.

Tsunade half dem verletzten Jonin hoch und trug ihn zusammen mit Jiraiya weg. Wahrscheinlich ins Krankenhaus mit all den Verletzungen. Oh bei den Göttern, wie war es möglich jemanden derart zuzurichten? Wenn so ein kompetenter Shinobi wie Daisuke in so einem Zustand praktisch zurück ins Dorf kroch, wie sah es dann mit den Genin aus? Mit Kenji und seinen Kameraden?

"Ich muss los.", murmelte ich und zang mich wieder hoch auf die Beine. Kaya wich mir nicht von der Seite.

"Ich muss ihn finden."

Mit unsicheren Schritten, bewegte ich mich auf die Tür zu. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich bebte am gesamten Körper. Mein Kopf fühlte sich an, als hätte man mein Gehirn mit Watte getauscht und am liebsten hätte ich meinen Mageninhalt auf dem Parkettboden ausgeleert.

"Leg dich hin. Du hast eine Panikattacke.", hörte ich Kaya sagen, aber es war als wäre ich Unterwasser. Sie zog mich runter auf den Boden und gab mir Anweisungen wie ich zu atmen sollte. Ich hätte mich nur zu gerne gewehrt, jedoch bestanden meine Gelenke gefühlt aus Pudding.

Eine Panikattacke also. Das hatte ich auch noch nie gehabt. Verzweifelt versuchte ich mich immer wieder aufzurappeln, wurde aber von meiner Meisterin aufgehalten. Kummer lag ihr deutlich ins Gesicht geschrieben, aber es war nichts im Vergleich zu dem was ich im Moment spürte. Es war als würde man mir das Herz rausreißen.

Nachdem ich mich wieder einigermaßen beruhigte, begleitete Kaya mich zum Krankenhaus, wo wir Jiraiya im Flur auf einem Stuhl sitzen sahen.

"Wie sieht es mit ihm aus?", fragte Kaya, die mich für keine einzige Sekunde los ließ. Jiraiya verschrenkte die Arme vor die Brust.

"Tsunade kümmert sich gerade um seine Wunden, aber er wird es überleben."

Sein Blick wanderte zu mir und seine Gesichtszüge wurden schlagartig weich. Würde es nach mir gehen, würde ich jetzt sofort ins Zimmer stürzen und Daisuke mit Fragen bombardieren. Leider war dies nicht der Fall und ich war dazu gezwungen mit den anderen im Flur zu warten.

Eine halbe Ewigkeit verging bis Tsunade endlich das Zimmer verließ und ich sprang aus dem Stuhl hoch, um sie an den Schultern zu packen. Tsunade nahm meine Hände in ihre und drückte zu.

"Dein Bruder ist am Leben sagt Daisuke. Er wurde entführt."

Wer hätte gedacht, dass zwei kurze Sätze einen so starken Effekt haben konnten? Wieder liefen mir die Tränen in Strömen die Wangen runter und ich schluchzte laut auf. Er war am Leben! Kaya und Jiraiya seufzten erleichtert.

Mir entging nichts, dass Tsunade Kaya einen vielsagenden Blick zuwarf, als würde sie später noch mit ihr sprechen wollen und die andere Frau nickte nur kaum merklich. Diese kleine Interaktion vergaß ich sofort wieder, denn ich konnte nur an eine einzige Sache denken und zwar, dass mein Bruder doch noch lebte. Mir fiel ein Stein vom Herzen und ich konnte plötzlich viel besser atmen.

Das einzige, dass wir jetzt noch tun mussten war...

"Wir müssen ihn holen.", sagte ich und meine Stimme klang erschrocken rau, als hätte ich mehrere Schachteln Zigaretten auf einmal geraucht. Tsunade schüttelte den Kopf.

"Wir brauchen einen Plan.", erwiderte sie und ich wischte mir die Tränen von den Wangen.

"Aber wir dürfen keine Zeit verlieren!", protestierte ich lautstark. Wer wusste in was für einer Gefahr Kenji schwebte! Was er in diesem Moment alles durchmachte! Ich wollte nicht einmal daran denken. Doch der Hokage blieb hartnäckig.

"Das kann ich nicht zulassen. Geh lieber nach Hause und leg dich hin. Wir werden so lange ein Team zusammen stellen, das Daisukes Team suchen wird."

Ihre Antwort gefiel mir ganz und gar nicht, aber mir war mehr als nur klar, dass ich nicht weit kommen würde wenn ich wieder anfing mit ihr zu streiten. Stattdessen senkte ich nur niedergeschlagen den Kopf und wurde erneut von Kaya in den Arm genommen. Da fühlte man sich ja glatt wie ein Kleinkind.

"Komm ich begleite dich bis zu dir nach Hause.", flüsterte sie mir zu und ich brachte nicht einmal ein Nicken zustande. Es war mir nicht danach nach Hause zu gehen und alleine in meiner Wohnung vor mich hin zu vegetieren, aber ich ließ es trotzdem zu.

Sobald ich im Bett lag, verließ Kaya mich nach einer Weile und ich warf die Decke von mir runter. Ich wusste, dass sie noch lange mit Tsunade und diesem Jiraiya reden würde, was mir ein ausreichend großes Zeitfenster gab, um alles zu organisieren. Als ob ich wie ein Hund gehorchte und auf meinen weiteren Befehl wartete. Für wen hielten sie mich denn?

Hastig packte ich eine kleine Tasche zusammen und band mir meinen Waffenbeutel um die Hüfte. Den kleinen Beutel mit den Blutgläsern vergaß ich natürlich nicht und ich befestigte ihn direkt neben den Waffen. Mein Ninjaanzug trug ich bereits, also musste ich mich nicht umziehen.

Um schneller zum Krankenhaus zu gelangen, nahm ich nicht normal die Straßen, sondern sprang von einem Dach zum Anderen. Ich landete direkt auf der Fensterbank von Daisukes Zimmer, weil ich erwartete, dass mindestens zwei Shinobi die Eingangstür überwachten.

Der Mann schien mich bereits zu erwarten, weil er war bei meinem plötzlichen Erscheinen nicht sonderlich überrascht. Er hatte Mühe sich aufzusetzen.

"Du bist hier, weil du von mir wissen willst wo Kenji steckt.", sagte er und ich schloss das Fenster hinter mir.

"Kenji und seine Kameraden.", erwiderte ich und er sah deprimiert zu Boden. Ich verstand sofort. Seine Kameraden waren also schon tot. Diese Erkenntnis traf mich, zugegeben, wie ein Schlag ins Gesicht. Sie waren alle doch viel zu jung um zu sterben....

Ohne groß zu zögern, beschrieb Daisuke mir den Ort an dem sie angegriffen wurden. Mein einziger Anhaltspunkt. Sobald ich den fand, musste ich schauen, wie es weiter ging.

"Ich würde ja gerne mit dir mitgehen.", setzte der Jonin an und betrachtete mit wutverzerrten Mine seinen eigenen Körper. Er konnte nicht wegen den Verletzungen.

"Versprich mir das Schwein umzubringen.", sagte er dann und ich nickte. Natürlich würde ich diesen Bastard, der meinen Bruder entführt und seine Freunde umgebracht hatte, zur Strecke bringen. Ich war mir noch nie so sicher gewesen bei einer Sache.

Daisuke neigte nur zum Abschied den Kopf und ich verschwand wieder durch das Fenster. Jetzt hieß es warten bis die Sonne unter ging und genau das tat ich in meiner Wohnung, falls Kaya oder jemand anderes vorbei kam.

Zu meinem Glück passierte dies nicht und nachdem es dunkel wurde, wartete ich noch drei Stunden bis die Straßen fast komplett leer waren. Ich konnte es nicht riskieren, gesehen und daraufhin aufgehalten zu werden. Niemand durfte von meinem Vorgehen erfahren und ich war sehr vorsichtig, um das auch zu verhindern.

Während ich auf das rote Tor zu ging, lauschte ich mit extra gespielten Ohren auf verdächtige Geräusche und spähte um jede Ecke zweimal, um auch ja nicht überrascht zu werden. Aber auch wenn mir jemand im Weg stand, würde ich nicht zögern. Dafür war mir das Ganze einfach zu wichtig.

Langsam näherte ich mich dem Eingang von Konoha und ich drehte mich zum Dorf um, für einen letzten Blick bevor ich es hinter mir ließ.

Tiefes Rot (Naruto Shippuden x Reader)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt